Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für viele eine Gelegenheit, sich mit den grundsätzlichen Fragen auseinanderzusetzen, zu reflektieren, wo man in seinem Leben eigentlich steht – und wo man hinwill. Eine Studie zeigt nun, dass in diesem Jahr dabei besonders viele Menschen ins Grübeln gekommen sind: Die Onlinestellenbörse Stepstone verzeichnet Mitte Januar 53 Prozent mehr Jobsuchanfragen als im Tagesdurchschnitt des vergangenen Jahres. Auch die Zahl derer, die sich bei der Plattform anmelden, um etwa automatisierte Jobvorschläge zu erhalten, habe sich innerhalb von zwölf Monaten verdoppelt.
Zwar ist ein Anstieg zu Jahresbeginn grundsätzlich nicht überraschend, denn solche zeitlichen Grenzen veranlassen Menschen dazu, anders über Ziele und die Zukunft nachzudenken. Doch diesmal sei das Wachstum auffallend hoch, resümiert Stepstone-Arbeitsmarktexperte Tobias Zimmermann.
Ein Ergebnis, zu dem auch die Unternehmensberatung EY jüngst kam. In ihrer Befragung von 1550 Arbeitnehmern gaben immer hin fast die Hälfte an, Interesse an einem Arbeitgeberwechsel zu haben. Laut Stepstone-Experte Zimmermann würden diesmal zwei Ereignisse zusammenfallen, die die Zahl der Wechselwilligen in die Höhe treiben. „Zum einen wollen die Menschen die nun schon zwei Jahre andauernde Krise endlich hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen“, sagt er. In der Pandemie haben sich viele Angestellte durch den Wechsel ins Homeoffice zudem nicht nur physisch, sondern auch emotional von ihrem Job entfernt.
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Zum anderen sähen sie, dass aktuell viele Unternehmen auf der Suche nach neuen Mitarbeitern sind. Die Zahl der offenen Stellen bei StepStone lag Anfang Januar 97 Prozent über der vom Vorjahreszeitraum und 47 Prozent über Vorkrisenniveau. „Auch die Zahl der Bewerbungen über StepStone ist zuletzt überproportional gestiegen. Die Menschen merken, dass sie gerade hervorragende Chancen haben, endlich den richtigen Job zu finden“, sagt Zimmermann.
Wechselstimmung als Chance
Ein Trend, der sich nach der Pandemie noch verstärken könnte und mit Blick auf den demografischen Wandel vielen Personalern die Schweißperlen auf die Stirn treiben dürfte. Denn wo viele Wechselwillige sind, sind auch viele Vakanzen. „Die Mitarbeiter, die schon auf der Suche nach etwas Neuem sind, sollte man ziehen lassen“, rät Zimmermann von Stepstone. Es sei wichtig, „frühzeitig in die Mitarbeiterzufriedenheit zu investieren“ und zusätzlich „frisch motivierte Kräfte“ anzuwerben. Denn auch so müssten Unternehmen die neue Situation am Arbeitsmarkt begreifen, als Chance. „Für diejenigen, die es schaffen, sich jetzt als attraktiver Arbeitgeber am Markt zu platzieren, sind Arbeiterlosigkeit und Wechselbereitschaft im Zusammenspiel sogar ein enormer Wettbewerbsvorteil, den es zu nutzen gilt.“
Außerdem müssten die Unternehmen dringend an ihren Recruiting-Prozessen arbeiten. „Wir leben in einer Welt, in der man riesige Aktienportfolios online verwalten kann oder die Liebe fürs Leben im Netz findet, aber bei der Bewerbung erwarten viele Unternehmen immer noch ausführliche Anschreiben und melden sich nach mehreren Wochen zurück“, bemängelt Zimmermann. „Wer sein Bewerbungsprozess an die Nutzungsgewohnheiten der jungen Generation anpasst, hat einen Riesenvorteil.“
Damit im eigenen Unternehmen, trotz der allgemeinen, hohen Wechselbereitschaft, die Mitarbeiter gar nicht erst auf Abschiedsgedanken kommen, empfiehlt Rebecca Clarke Personalchefin bei Recruitee, einem Softwareanbieter für Bewerbermanagement, regelmäßige Gespräche zu führen. Darin sollten die Vorgesetzten zum Beispiel fragen, was geschehen müsste, damit ein Angestellter kündigt oder was die Mitarbeiter an ihrem Job ändern würden, wenn sie könnten.
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