Sie sind eine Mischung aus Restaurant- und Theaterbesuch: Bei einem sogenannten Krimidinner verdrücken die Gäste ein Menü und lösen zwischen den Gängen einen angeblichen Mord. Nun zieht diese Form des Essens in die Personalsuche ein: Beim sogenannten „IT-Krimidinner“ sollen 25 Job suchende IT-Spezialisten in einem Unternehmen zusammen kommen und außer essen und knobeln, auch noch um Stellen kämpfen.
Das Drei-Gänge-Menü ersetzt das Bewerbungsgespräch, der fiktive Mord, den es zu lösen gilt, ersetzt den Einstellungstest. Um das „Verbrechen“ aufzuklären, müssen die Bewerber auf ihr IT-Fachwissen zurückgreifen. Hinweise verstecken sich etwa in fehlerhaften Algorithmen oder Logfiles, also Protokolldateien.
Eine solche Mitarbeitersuche nennt sich „Recruitainment“, ein Mischwort aus Recruiting und Entertainment. Seit etwa zehn Jahren gibt es in Deutschland den Trend zu derartigen Events, die zwar nicht immer so ausgefallen sind, wie das IT-Krimidinner, aber alle gemeinsam haben, dass sie Fachkräfte anlocken sollen, die jung und hochtalentiert sind.
Die Unternehmensberatung McKinsey lädt etwa Wirtschaftsstudenten im März für fünf Tage in den Schweizer Nobelskiort Kitzbühel ein, um an wirtschaftswissenschaftlichen Seminaren teilzunehmen und das Unternehmen kennen zu lernen. Ähnliches macht die Modehandelskette Peek&Cloppenburg während der Berliner Fashion Week und lässt potenzielle neue Mitarbeiter in einem Luxushotel für einen Tag die Luft der Modewelt schnuppern.
„Unternehmen, die exzellente Nachwuchskräfte für sich begeistern möchten, müssen ihnen auch kreative Angebote machen“, sagt Lutz Leichsenring, Geschäftsführer der Agentur „Young Targets“ aus Berlin. „Warum soll etwa ein IT-Spezialist, der fünf Stellenangebote hat, auf eine Jobmesse gehen?“ Leichsenrings Firma entwickelt derzeit das IT-Krimidinner, das je nach veranstaltendem Unternehmen unterschiedlich ablaufen soll. Derzeit verhandelt er mit rund 15 Firmen, im Mai und Juni sollen dann die ersten Bewerber auf Spurensuche gehen.
Auf Recruiting-Events spezialisiert
Die Agentur, die zuletzt einen Jahresumsatz von rund 500.000 Euro gemacht hat, ist auf Recruiting-Events spezialisiert. So veranstaltete sie für den Telekommunikationsanbieter 1&1 im Jahr 2010 ein Geocaching, also eine Schnitzeljagd mit Hilfe des Satellitennavigationssystems GPS. Rund um Karlsruhe waren Behälter, so genannte Caches, versteckt, deren Koordinaten die Teilnehmer per GPS-Empfänger ermitteln mussten.
In den Behältern befanden sich IT-Fachfragen. Schickten die Teilnehmer die richtige Lösung per E-Mail an 1&1, erhielten sie die Koordinaten für den nächsten Behälter mit der nächsten Frage. Die besten Teilnehmer bekamen eine Einladung zu einer Party mit dem Vorstand des Unternehmens.
Bei Partys liegen auch die Wurzeln des im Jahr 2000 in Karlsruhe gegründeten Internet-Start-Ups „Young Targets“: Angefangen hat die Agentur mit dem Party-Internetportal nachtausgabe.de, später veranstaltete die Firma Kneipentouren für Studenten in Karlsruhe. Darauf wurden die anderen örtlichen IT-Firmen aufmerksam, die händeringend Fachpersonal suchten.
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Sie sprachen „Young Targets“ deshalb darauf an, das Konzept der Kneipentour doch auf ein Recruiting-Event zu übertragen. Damit entstand 2004 die erste „Catch the Job“-Tour, die die Agentur regelmäßig in Karlsruhe veranstaltet. Dabei werden 100 zuvor ausgewählte Jobinteressenten an einem Tag mit einem Bus zu verschiedenen Unternehmen gefahren.
„Das ist eine neue Form der Jobmesse mit dem Vorteil, dass die Unternehmen zuvor wissen, wer hinkommt“, sagt Chef Lutz Leichsenring. „Bei einem Messestand, weiß man zuvor nicht, wer vorbei kommt.“ Außerdem seien die Teilnehmer gezwungen, sich jede Firma anzuschauen. „So haben auch kleine Unternehmen eine Chance, deren Stand auf einer Jobmesse vielleicht eher links liegen gelassen wird.“
Gegenseitiges Kennenlernen
Auch wenn es etwa beim geplanten „IT-Krimidinner“ um konkrete Stellen gehen soll, dienen die meisten Recruiting-Events lediglich dem gegenseitigem Kennenlernen von Unternehmen und Interessenten. „Kein Recruitment-Event ersetzt den formalen Einstellungsprozess“, sagt Flora Spannagel, zuständig für die Arbeitgebermarkenbildung bei Henkel. Seit 2007 organisiert der Konzern mit der „Henkel Innovation Challenge“ ein internationales Unternehmensplanspiel für Studenten. Sie erarbeiten ein Konzept für ein Henkel-Produkt und werden dabei von Managern aus dem Unternehmen unterstützt. „Während mehrerer Monate lernen Henkel-Mentoren die jungen Menschen sehr intensiv kennen“, sagt Spannagel. „Wir haben bereits einige engagierte Absolventen, die bei dem Wettbewerb teilgenommen haben, fest eingestellt.“
Doch solche Veranstaltungen kosten Personal, Zeit und Geld. Für Christina Kremer, Leiterin des Personalmarketings bei Peek&Cloppenburg, lohnen sich die Investitionen: „Bei den Absolventen gibt es oft Vorurteile und kaum eine Vorstellung zu den Karrieremöglichkeiten in unserer Branche“, sagt sie. „Unsere Mitarbeiter sind da die besten Kommunikatoren und viele Bewerber sind überrascht, welche Möglichkeiten sich in unserem Unternehmen bieten.“ Einen Hinweis auf die Kosten für Recruiting-Events gibt die Preisspanne der Agentur „Young Targets“, die zwischen zweieinhalb und 40.000 Euro für ihre Dienste verlangt.
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Der Düsseldorfer Personalberater Manfred Siebenlist erklärt sich den Trend zu diesen Veranstaltungen mit dem herrschenden Mangel an Fachkräften und den gestiegenen Ansprüchen der Bewerber: „Vor 15 Jahren hatten Medizinprofessoren mit einem guten Namen noch 50 bis 100 Bewerbungen für Assistenzarztstellen auf dem Tisch“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Personalberatung Siebenlist, Grey & Partner.
Anders als heute seien die Absolventen damals noch bereit gewesen, einen Hungerlohn zu erhalten, um bei einem Professor mit einem guten Ruf arbeiten zu dürfen. „Heute bekommen die Professoren kaum noch Bewerbungen. Die Absolventen fragen sich nun, was für ein Arbeitgeber der Professor ist, wie hoch das Gehalt ist, welches Arbeitsklima im Krankenhaus herrscht.“
Headhunter sind erst ab einem gewissen Gehalt sinnvoll
Unternehmen setzen bei dem engen Arbeitsmarkt und den gehobenen Ansprüchen auf Recruiting-Events statt auf Personalberater, weil Headhunter erst sinnvoll seien, wenn es darum geht, gehobene Posten zu besetzen. „Wir suchen Führungskräfte anhand unserer Branchenkenntnis“, sagt Manfred Siebenlist. „Wir wissen, welche Manager sich einen guten Ruf erarbeitet haben, und sprechen sie direkt an.“
Das lässt sich bei Studenten nur schwer bewerkstelligen. Wer sich im Berufsalltag bewährt und wer nicht, hat sich noch nicht herauskristallisiert. Um Nachwuchsarbeitskräfte kennen zu lernen, müssen die Unternehmen sie mit Veranstaltungen locken.
Ein weiterer Grund ist, dass ein Personalberater wie Manfred Siebenlist erst gar keine Aufträge annimmt, um untere Führungspositionen zu besetzen. „Wenn ein Personalberater tätig wird, muss sich das für ihn auch lohnen“, sagt Siebenlist. „Als Honorar erhalten wir ein Drittel des Jahresgehalts der Person, die wir vermitteln. Das verteilt sich auf drei Berater, die einen Auftrag bearbeiten.
Bei einem Einstiegsgehalt von rund 40.000 Euro, wie bei vielen frischen Uni-Absolventen üblich, lohnt sich das für uns nicht.“ So werden Unternehmen wohl auch zukünftig auf Recruiting-Events angewiesen sein, um junge Mitarbeiter zu gewinnen.