Stellenanzeigen So finden Unternehmen nie die Richtigen

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Gesucht: die eierlegende Wollmilchsau

Häufig suchen Unternehmen aber auch nach Fähigkeiten, die eine Person allein gar nicht haben kann. Da wird ein ausdauernder Sprinter oder ein schneller Dauerläufer gesucht, ein Generalist mit Expertenwissen in jeder Nische und ein Spezialist, der immer das Große Ganze im Blick hat. Wer eine eierlegende Wollmilchsau sucht, kann nur enttäuscht werden. Oder Schaumschläger anlocken.

Auch das kommt häufig vor, wie die Untersuchung zeigt. Je länger die Anforderungsliste an den Kandidaten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Leute bewerben, die sich selbst überschätzen. Schuld daran ist der sogenannte Halo-Effekt: Wer bei sechs Punkten gesagt hat "das kann ich!", der glaubt eher, dass er auch die übrigen Punkte erfüllt. Aber wer Englisch und Spanisch spricht, ist eben noch lange kein Chinesisch-Experte.

Bewerber sind alle motiviert und flexibel. Zumindest in der Selbstdarstellung. Und die Unternehmen? Sie sind innovativ, international und suchen flexible und engagierte Mitarbeiter. Zumindest in ihren Stellenanzeigen.

Der Halo-Effekt tritt auch auf, wenn ein Merkmal als besonders wichtig herausgestellt wird. Heißt es in der Stellenanzeige: "Sie müssen unbedingt verhandlungssicheres Englisch beherrschen - ohne geht es nicht", bewirbt sich der Muttersprachler siegesgewiss ohne zu überprüfen, ob er die restlichen Anforderungen erfüllt.

Interessant für Recruiter: Männliche Bewerber neigen stärker zur Selbstüberschätzung als weibliche. Wer also ellenlange Anforderungslisten schreibt, kann sich sicher sein, dass viele Frauen abwinken und sagen: "Das kann ich nicht alles erfüllen."

Soft Skills lassen sich nicht in fünf Minuten prüfen

Besonders kurios: Laut verschiedenen Studien und Umfragen nehmen sich Personaler pro Bewerbung maximal fünf Minuten Zeit. Danach fällt die Entscheidung, ob ein Kandidat eine Runde weiter ist, oder nicht. Deshalb ist der erste Satz im Bewerbungsschreiben auch so wichtig. In diesen fünf Minuten lässt sich vielleicht erkennen, ob die Berufserfahrung mit den gewünschten Anforderungen übereinstimmt. Aber wie will ein Personaler in fünf Minuten feststellen können, ob ein Bewerber tatsächlich kommunikativ, flexibel, team- oder konfliktfähig ist? Anhand eines Pdfs oder eines Blatt Papiers wäre das auch binnen einer Stunde unmöglich. Stellt sich die Frage: Warum stellen die Unternehmen Anforderungen, die sie in den ersten Schritten des Recruitings ohnehin nicht prüfen?

Fazit: Wer Bewerber will, die tatsächlich passen, muss ganz konkret sagen, was er sucht. Das gilt auch bei den Soft Skills. "Anforderungsprofile sollten sich bei den personenbezogenen Merkmalen auf wenige, zentrale und verhaltensnah formulierte Punkte beschränken", sagt auch Böcker. Wenn mit Belastbarkeit gemeint ist, dass es den Bewerber nicht stören darf, bei Wind und Wetter draußen körperlich zu arbeiten, sollte das genauso in der Stellenanzeige stehen. Sonst läuft man Gefahr, dass sich Frostbeulen mit Stresstoleranz und chronischen Rückenproblemen melden.

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