"Wer sich als "Berufseinsteiger" definiert, hat den ersten Fehler schon begangen: Eine wichtige Aufgabe der Bewerbung ist es, dass man Erfahrungen nachweist, zum Beispiel durch Praktika oder durch berufsnahe Seminararbeiten", weiß Wehrle. Auch Skubella rät zu Praktika oder Werksstudententätigkeiten. Ein Studium alleine macht nämlich noch keinen guten Mitarbeiter. Und wer noch nie etwas in der entsprechenden Branche geleistet hat, braucht auch nicht auf ein hohes Gehalt hoffen, wie Wehrle sagt. "Praxisbezug ist das beste Argument für einen stolzen Preis."
Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. „Das kann alles Mögliche sein, vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt“, schreibt Karriereexpertin Svenja Hofert in Ihrem Buch „Die Guerilla Bewerbung“, das im Campus Verlag erschienen ist. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.
Schlagen Sie Ihr Adressbuch auf und suchen Sie zehn Kontakte heraus, die Ihnen bei der Suche nach Ihrem neuen Job behilflich sein könnten. Wichtig sind nicht nur Menschen, die direkt einen Arbeitsplatz für Sie haben könnten, sondern auch Personen, die viele interessante Kontakte haben. Schreiben Sie ein prägnantes Kurzprofil, schicken Sie es an Ihre Kontakte mit der Bitte es wiederum an zehn Kontakte weiterzuleiten.
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte, die es am Ende der beruflichen Laufbahn nochmal wissen wollen, ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Die Arbeitsagentur oder private Vermittler helfen gerne weiter.
Oftmals ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Institutionen oder Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss „Ihr Können und Ihr Hintergrund“ sehr interessant sein.
Sie kennen sich mit einer speziellen Aufgabe oder einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich? Dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können. Die Autorin nennt sich zum Beispiel Expertin für neue Karrieren und nicht Spezialistin für MBA-Programme.
"Was die Verhandlung angeht, ist Fingerspitzengefühl gefragt", warnt er. Genauso ist der Zeitpunkt entscheidend. Die eingangs erwähnte amerikanische Philosophiestudentin hätte ihre Forderungen vielleicht sogar durchsetzen können, hätte sie diese erst im Vorstellungsgespräch und nicht vorab per E-Mail geäußert. "Grundsätzlich sollte niemand schon im Anschreiben Forderungen stellen. Das Anschreiben ist dazu da, sich zu verkaufen und zu erzählen, wer man ist und was man kann und warum man diese Stelle haben möchte und ihr auch gewachsen ist", betont Skubella.
Darüber hinaus macht der Ton die Musik. Mit "ich will aber" hat es schon zu Kindergartenzeiten nicht funktioniert, wieso sollten also Erwachsene ihren Willen bekommen, wenn sie es auf die Art versuchen? Skubella rät allen, lieber zu fragen: "Wie sieht es mit vermögenswirksamen Leistungen aus, gibt es eine betriebliche Altersvorsorge? Wie flexibel kann ich hier arbeiten? Gibt es Homeoffice? Gibt es Weiterbildungsmaßnahmen? Welche? Wann kann ich mich für eine Weiterbildung eintragen? Oder auch: Kann ich an internationalen Tagungen teilnehmen?" Das komme deutlich besser an, als Forderungen nach Vergünstigungen, mehr Geld und flexibleren Arbeitszeiten. Vor allem entstehe so ein Gespräch, bei dem der Bewerber schon spüren könne, wie der Personaler auf die einzelnen Themen reagiere. Wer bei flexiblen Arbeitszeiten schon zusammen zuckt, ist wahrscheinlich auch kein großer Freund des Homeoffices. "Jedenfalls sollte man nicht zu offen ins Gespräch gehen, schließlich kennt man sich nicht. Das sollte man sich immer bewusst machen", warnt sie.
Aus Karrierecoach Wehrles Sicht ist es außerdem ratsam, nicht nur über das Grundgehalt zu sprechen, sondern auch über Leistungsprämien. "Dann spürt die Firma, dass sie eine besondere Gegenleistung erwarten darf."
Und auf ein Geben und Nehmen kommt es nun einmal auch im Vorstellungsgespräch an. "Die alleinerziehende Mutter, die an zwei Tagen früher gehen muss, sollte also anbieten, vielleicht an anderen Tagen länger zu bleiben, oder auch von zuhause aus etwas zu machen", rät Skubella. Schließlich ist sie in diesem Fall noch nicht im Unternehmen etabliert und niemand weiß, ob sie so gut und schnell arbeitet, dass der frühere Feierabend überhaupt nicht ins Gewicht fällt.
Einen ganz wichtigen Rat hat Wehrle noch für alldiejenigen, denen demnächst ein Vorstellungsgespräch oder eine Gehaltsverhandlung ins Haus stehen: "Verhandeln funktioniert nicht logisch, sondern psychologisch. Also immer mehr fordern, als man tatsächlich haben möchte - das verschafft dem Gegenüber einen Verhandlungsspielraum."