Verbotene Fragen Wann Sie im Vorstellungsgespräch lügen dürfen

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Warum die Lüge schließlich erlaubt wurde

Viele Menschen tendieren bei unliebsamen Fragen dazu, auszuweichen oder mit „Dazu möchte ich lieber nichts sagen“ zu kontern. Allerdings ist klar, dass daraus ein Nachteil entsteht. DGB-Experte Bender rät hier nicht zu falscher Zurückhaltung: „Wer die Antwort auf eine Frage verweigert, macht sich verdächtig. Daher empfiehlt es sich nicht, bei unzulässigen Fragen die Antwort zu verweigern.“

Die Rechtsprechung habe dieses Dilemma erkannt und gestehe ein Recht zur Lüge zu. „Das trägt dem Umstand Rechnung, dass es der Fragende ist, der sich mit seiner Frage ins Unrecht setzt. Hierfür soll er nicht belohnt werden.“ Anwältin Oberthür spricht hingegen von einer individuellen Entscheidung: „Die Lüge auf eine unzulässige Frage ist zulässig und häufig überzeugender als die bloße Nichtbeantwortung. Dennoch kann eine Lüge, wenn sie später bekannt wird, das Vertrauensverhältnis im Arbeitsverhältnis belasten.“

Für Laien ist es allerdings schwer zu beurteilen, wann eine persönliche Frage womöglich legitim ist und wann es hier eindeutig in Ordnung ist, die Unwahrheit zu sagen. Deswegen gehen wir jetzt ins Detail und klopfen einige der wichtigsten „Schutzbereiche“ des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ab. Das verbietet die Benachteiligung von Menschen aufgrund dieser Faktoren:

  • Geschlecht
  • Alter
  • Behinderung
  • Rasse beziehungsweise ethnische Herkunft
  • Religion oder Weltanschauung
  • sexuelle Identität

Tabu oder legitim? Experten klären auf

„Wie drücken Sie die Zahnpasta aus?“
Aus der Reserve locken - das zählt zum kleinen 1x1 des Bewerbungsgesprächs vieler Personaler. Da kann es auch mal persönlich werden. „Werden Sie eigentlich schnell rot?" ist so eine der Fragen, mit der dem Bewerber auf den Zahn gefühlt werden soll. Zu dieser Kategorie gehören auch: „Warum bewerben Sie sich nicht bei unseren Wettbewerbern?“, „Wie viele Rechtschreibfehler, denken Sie, sind in Ihrer Bewerbung?“.Das Portal gehalt.de hat 509 Beschäftigte nach ihren skurrilsten Erfahrungen im Bewerbungsgespräch befragt. Ein Überblick. Quelle: imago images
Verstörend - ein Spiegelei auf einer Spinatpizza. Noch nicht so absurd wie eine Pizza mit Spaghetti Bolognese UND Spiegelei - aber doch schon ein wenig irritierend. Je nach Arbeitgeber ist es ratsam, sich seinen Liebling gut auszuwählen, wenn der Personaler fragt: „Welchen Belag hätten Sie, wenn Sie eine Pizza wären?“ Quelle: imago images
Es kann natürlich auch sein, dass der Personaler nicht seinen besten Tag hat. Dann fragt er vielleicht nach unlogischen Dingen, die vermeintlich den Bewerber überführen könnten - aber doch eher ein schräges Licht auf den Menschen mit dieser Frage werfen: „Würden Sie einen Tank befüllen, selbst, wenn er bereits voll wäre?“ Quelle: imago images
In der Partnerschaftsanbahnung oder Paartherapie ist das vielleicht ein hübscher Opener, um mal gleich richtig ans Eingemachte zu gehen. Im Bewerbungsgespräch ist das eher nicht so passend. Gefragt wurde es natürlich trotzdem: „Wie drücken Sie Ihre Zahnpastatube aus?“ Quelle: imago images
Achtung - jetzt wird's heikel, bloß nichts Falsches sagen. „Sind Sie bereit, mit den Kollegen in einer WG zu leben?“ - zu viel Nähe, zu wenig Nähe, was auch immer der Personaler hören möchte - besser, Sie haben eine gute Begründung. Quelle: imago images
Man muss fast an Robert Lemkes Sprüchlein „Welches Schweinderl hätten's denn gern?“ denken, wenn es im Bewerbungsgespräch so weit kommt, dass der Bewerber sich mit Nahrungsmitteln vergleichen soll: „Wenn Sie eine Frucht wären, welche wären Sie?“ Unser Tipp: Durian nur wählen, wenn man den Job nicht braucht. Quelle: imago images
Instinktiv möchte man in solchen Momenten vielleicht einfach zurückfragen: "Wieso nicht?". Ein Eloge auf die Mode könnte vielleicht dennoch mehr helfen, wenn im Bewerbungsgespräch ein Trend zur Sprache kommt: „Warum tragen Sie einen Bart?" Quelle: imago images

Alter

Gibt es Fragen nach dem Alter, die legitim sind, weil dieser Fakt für die Ausübung des Berufs ausschlaggebend ist? „In aller Regel nicht“, meint Oberthür. Berufserfahrung dürfe aber erfragt werden. Bender findet: „Es ist eigentlich kein Fall denkbar, in dem es im Hinblick auf die Stelle tatsächlich relevant ist, wie alt derjenige ist, der sie innehat.“ Ausgenommen seien allenfalls absolute Sonderfälle wie etwa Theaterschauspieler. Zudem ergebe sich das Alter in der Regel aus beigefügten Dokumenten wie etwa Arbeitszeugnissen oder einem Berufsabschluss. „Zum anderen dürfte der Arbeitgeber im Gespräch selbst erkennen, ob es sich eher um einen jungen oder älteren Menschen handelt. Selbst bei einem reinen Telefongespräch lässt die Stimme Rückschlüsse zu.“

Behinderung

Hier gibt es schon mehr Szenarien, in denen Fragen legitim sein können. „Nach der Behinderung darf der Arbeitgeber dann fragen, wenn diese dazu führt, dass der Bewerber/die Bewerberin die Stelle nicht ausüben kann“, erläutert DGB-Experte Bender. „Eine Gehbehinderung, im Extremfall Rollstuhl, spielt keine Rolle, wenn es sich um eine reine Bürotätigkeit handelt. Ein Arbeitgeber muss sich aber weder auf einen blinden Fernfahrer noch einen Bäcker mit Mehlallergie einlassen.“

Anwältin Oberthür wird konkreter: „Entscheidend ist, ob die Behinderung die Eignung ausschließt oder die erforderlichen Hilfsmittel für den Arbeitgeber zumutbar sind. So wird bei einem Dachdecker nach einer epileptischen Erkrankung gefragt werden dürfen. Ein verstellbarer Schreibtisch, ergonomische Stühle, besondere Lesehilfen oder Ähnliches werden häufig noch zumutbar sein. Wenn für den Rollstuhlfahrer ein eigener Eingang mit Aufzug eingerichtet werden müsste, ist dies möglicherweise finanziell unzumutbar.“

Die Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht stellt aber klar: „Die bloße Vermutung, ein Arbeitnehmer könnte wegen einer Behinderung häufigere Fehlzeiten haben, ist unberechtigt.“ Dieser Fakt ist auch für Menschen mit chronischen Beschwerden wichtig. Hier gelten laut den beiden Experten dieselben Regeln wie für Behinderungen. Wer also wegen anhaltender Rückenschmerzen vermutlich häufiger im Bürojob fehlen wird, muss dies im Bewerbungsgespräch nicht offenlegen.

Sexuelle Orientierung

„Es fällt mir schwer, mir ein Beispiel vorzustellen, in dem es für eine bestimmte Tätigkeit auf die sexuelle Orientierung ankommt“, meint Bender. „Derartige Fallgestaltungen wären wohl allenfalls im Rotlichtmilieu anzusiedeln.“ Anwältin Oberthür definiert den Begriff über Homosexualität hinaus. In aller Regel seien Fragen dieser Art zwar verboten. „Im Einzelfall kann aber beispielsweise eine Vorstrafe wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Kindes einer Tätigkeit als Kindertagespfleger entgegenstehen“, fügt sie an.

Schwangerschaft

Dies ist die eindeutigste Kategorie. Wann sind Fragen dazu erlaubt? „Nie“, antwortet Oberthür. Hier hat sich die Rechtslage weiterentwickelt, wie Bender erläutert. „Nach früherer Rechtsansicht durfte ausnahmsweise nach einer bestehenden Schwangerschaft gefragt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nur auf eine kurze Zeit angelegt ist und die Bewerberin in dieser Zeit aufgrund der Schwangerschaft überhaupt nicht arbeiten kann. Dies ist heute aber nicht mehr der Fall. Fragen nach Schwangerschaft dürfen nicht gestellt werden.“

Religionszugehörigkeit

Kirchen und Religionsgemeinschaften neben beim gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung eine Sonderstellung ein. „Ein Recht darauf, nach der Religionszugehörigkeit zu fragen, haben nur solche Arbeitgeber, bei denen die Religionszugehörigkeit relevant ist, im wesentlichen also die Kirchen und Unternehmer in kirchlicher Trägerschaft“, erklärt Bender. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssten aber auch die Kirchen in einem Arbeitsrechtsprozess im Zweifel nachweisen, warum die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft für die konkrete Stelle erforderlich sei. „Entscheidend ist die Frage der sogenannten ‚Verkündungsnähe‘: Diese wird man bei einem Priester ohne weiteres annehmen können, bei seiner Reinigungskraft eher nicht“, sagt Bender.

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