




"Wie würden Sie die Hungersnot auf der Welt lindern?", "Wie viele Smarties passen in einen Bus?", "Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie und warum?" Solche Brainteaser-Fragen beunruhigen Bewerber noch bevor sie tatsächlich im Vorstellungsgespräch sitzen. Die fiesen Fragen sind eine Spezialität der Unternehmens- und Strategieberatungen, sagte Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager, kürzlich im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Wir haben deshalb bei Hans Ochmann, Geschäftsführer von Kienbaum, und Markus K. Reif, Leiter des Bereichs Recruiting & Employer Branding bei EY (vormals Ernst and Young), nachgefragt, auf welche gemeinen Fangfragen sich Bewerber bei ihnen einstellen müssen.
WirtschaftsWoche: Über die Beraterbranche gibt es einige Klischees: viel Geld, viel Reisen, viel Arbeit, knallharter Auswahlprozess...
Hans Ochmann: Der Selektionsprozess ist enorm. Wir erwarten eine ganze Menge von den Bewerbern: Mit einem sehr guten Bachelor- und einem sehr guten Masterabschluss sowie hervorragenden Fremdsprachenkenntnissen ist es nicht getan. Wünschenswert ist auch ein privates soziales Engagement, das belegt, dass der Kandidat vielfältige Interessen und Talente hat.
Zur Person
Hans Ochmann ist Geschäftsführer und Partner der Kienbaum Management Consultants GmbH und führt das strategische Geschäftsfeld Human Ressource Management.
Marcus K. Reif ist Leiter des Bereichs Recruiting & Employer Branding für den deutschsprachigen Raum bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young).
Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager, sagt, dass gemeine Brainteaser-Fragen eine Spezialität der Unternehmensberatungen sind. Wie fies sind Sie wirklich zu Ihren Bewerbern?
Ochmann: Das analytische Denken der Berater ist unglaublich wichtig. Aber das überprüfen wir nicht durch solche Fragen a lá „wie viele Smarties passen in einen Bus“. Wir lassen die Bewerber Fallstudien analysieren. Dabei handelt es sich wahlweise um reale Problemstellungen von Unternehmen, mit denen wir zusammen arbeiten oder um fiktive Fälle mit sehr realen Geschäftsbedingungen.
Marcus K. Reif: „Wir haben ein großes Interesse daran, die Menschen, die zu uns kommen wollen, wirklich kennenzulernen. Und zwar im gegenseitigen Interesse. Schließlich geht es darum, Kandidaten zu finden, die möglichst gut ins Team passen, bei EY zurechtkommen und im Job nachhaltig aufblühen. Durch Brainteasern erfahren wir relativ wenig darüber, was der künftige Mitarbeiter unter realen Bedingungen wahrscheinlich leisten kann. Denn Brainteaser-Fragen adressieren im Wesentlichen die Analyse-Kompetenz, und das erscheint mir als zu eindimensional.“
"Wie viele Cappuccinos werden täglich in Manhattan verkauft?", "Wie viele Flugzeuge befinden sich derzeit in der Luft?", "Wie viele Cocktail-Schirmchen werden in den gesamten USA an einem Abend ausgegeben?" - das sind echte Fragen aus Vorstellungsgesprächen bei Unternehmensberatungen...
Reif: Ich glaube nicht an das Unter-Stress-Setzen von Bewerbern. Das ist eine überholte Form der Selektion. Schon gar nicht glaube ich an Brainteaser als eine Art 1000-Dollar-Frage, die nach der einen hundertprozentig korrekten Antwort verlangt. Viel wichtiger ist nach meiner fast zwanzigjährigen Erfahrung, dass wir mit der Interview-Scharade aufhören. Kandidaten sind vorbereitet und wollen, insbesondere bei der Frage nach Stärken und Schwächen, kaum Fläche für Unzulänglichkeiten bieten. Um diese Scharade zu beenden und eine wirklich wertvolle Unterhaltung über die Bedürfnisse, Neigungen und Erwartungen zu führen, helfen Brainteaser nicht weiter.
Ochmann: Wenn sich der Bewerber durch Fangfragen oder Ähnliches künstlich in Stress versetzt fühlt, geht er zur Konkurrenz. Das kann sich heute niemand mehr erlauben.
Die härtesten Fragen im Vorstellungsgespräch
Diese Frage sollte ein Bewerber auf die Stelle des Senior Recruiting Managers bei Amazon beantworten. Hier soll die Kreativität abgeklopft werden. Die Personaler wollen wissen, ob man in der Lage ist, sich in eine andere Lage hinein zu versetzen. "Ich würde zum Beispiel erzählen, wie erstaunt ich als Mars-Mensch von den Problemen auf der Erde bin, da wir auf dem Mars schon viel weiter sind", schlägt Bewerbungsexperte Jürgen Hesse vom Berliner Büro für Berufsstrategie vor.
Auch solche mathematisch-logischen Fragen kommen immer wieder vor. Diese Aufgabe sollte ein Business Operations-Praktikant bei Facebook lösen. Hier muss man Aufmerksamkeit beweisen. Die Antwort ist "N Schlaufen" - es sind so viele Schlaufen, wie Seile. Denn wenn "keine losen Enden mehr übrig" sein dürfen, muss man einen Ring bilden. Hilfreich bei so einer Aufgabe ist es, sich eine kleine Skizze zu malen.
Das wurde ein Personaler bei Twitter gefragt. Hier gilt das gleiche wie bei Fragen nach den Stärken und Schwächen. "Fragt man im Bewerbungstraining nach Schwächen, sieht man auf der Stirn gleich, dass demjenigen sofort mindestens drei Schwächen einfallen", erzählt Hesse. Was wir nicht können, fällt uns meist leichter auf als unsere Stärken. Solche Antworten sollte man sich im Voraus überlegen. Hier kann es auch helfen, Freunde und Familie zu fragen, die vielleicht schneller und ganz andere Stärken sehen, als man bei sich selbst finden würde. Bei der Frage, warum man eben nicht eingestellt werden sollte, kann man sich charmant herauslavieren und etwa antworten: "Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen das jetzt nicht sagen kann - damit würde ich mich ja selbst schlecht dastehen lassen." Dann sollte man schnell wechseln und viele Gründe für eine Einstellung aufzählen.
Als Praktikant bei Microsoft muss man sich auf solche Fragen gefasst machen. "Hier haben wir wieder eine Kreativitätsfrage", erklärt Hesse. In die gleiche Kategorie fällt die Frage "Sie wollen ein Telefon für Taubstumme entwickeln. Wie gehen Sie vor?", die ein Produkt-Manager bei Google beantworten sollte. Die Personaler wollen sehen, dass man Fantasie besitzt, außerhalb der festgefahrenen Bahnen denken kann und auch auf ungewöhnliche Fragen nicht patzig oder unhöflich reagiert. "Man lernt den Bewerber so noch einmal von einer anderen Seite kennen".
Das wurde ein Sales Associate beim Unternehmen Pacific Sunwear gefragt. Jürgen Hesse erklärt: Hier handelt es sich um eine Psycho-Frage. Sie soll den Bewerber aus der Ruhe bringen. Doch auch die metaphorische Ebene sollte man bei solchen Fragen beachten: Wer hier "Stoppschild" antwortet, sammelt sicher Minuspunkte - wer braucht schon Bremser im Team. Charmanter wäre zum Beispiel ein Autobahn-Schild. Es weist die Richtung zu einem schnelleren Weg.
Diese Frage sollte einen Investment-Praktikanten bei AIG aus dem Konzept bringen. Eigentlich ist die Lösung total einfach, man vermutet in der Formulierung nur eine Gemeinheit. Wer hier nervös wird und einen Blackout bekommt, sollte sich ein Blatt Papier und einen Stift zu Hilfe nehmen. Man malt einfach einen Kreis und macht zwei Kreuze durch - da sind die acht Stücke.
Ein Operations-Analyst bei Goldman Sachs Operations-Analyst bei Goldman Sachs sollte diese Frage beantworten. Wer hier sagt "zehn Tonnen" oder "zehn Megatonnen", der liegt gehörig daneben. Solche Schätz-Fragen sollen die Allgemeinbildung abklopfen - niemand erwartet eine exakte Zahl. In die gleiche Kategorie fallen Fragen wie "Was glauben Sie, wie viele Menschen in Deutschland haben ein Handy?". Man kann sich helfen, indem man sich an die Lösung herantastet und das laut ausspricht. Etwa: "Es gibt rund 82 Millionen Deutsche, wenn man Babys, sehr alte und arme Menschen abzieht, sind es vielleicht rund 60 Millionen."
Diese Aufgabe bekam ein Technischer Ingenieur bei Tesla Motors gestellt. Der Fachmann wird wohl wissen, was ein Dynamometer ist - mit der Forderung, es kindgerecht zu erklären, soll der Job-Anwärter auch sein Gefühl für Worte beweisen und zeigen, dass er sich Mühe gibt, komplizierte Sachverhalte einem Laien geduldig zu erklären.
"Eine klare Psycho-Frage", urteilt Hesse. So eine Frage nach dem Glauben ist eigentlich nicht erlaubt - eine Ausnahme sind kirchliche Einrichtungen. Ein Merchandiser bei PepsiCo wurde die Frage trotzdem gestellt - man sollte in so einer Situation nun nicht auf stur stellen und gar nicht antworten oder mit erhobenem Zeigefinger "Das dürfen Sie nicht fragen" antworten. Besser: Mit einer Gegenfrage kommen, etwa "Gibt es aufgrund der Tätigkeit einen bestimmten Grund, warum Sie nach meiner Konfession fragen?".
Wer ein Praktikum bei Apple machen will, muss sich auf diese Frage gefasst machen. Hier geht es darum, die Fantasie spielen zu lassen. Spinnen Sie einfach herum - es gibt kein Richtig und Falsch. Wem partout nichts anderes einfällt, als "drauftreten", der sollte vielleicht besser die Gegenfrage stellen, warum die schöne Uhr denn zerstört werden muss.
... Jeder Zwerg sieht nur die kleineren Zwerge vor sich, kann sich aber nicht umdrehen. Der Riese verteilt zufällig schwarze und weiße Hüte auf die Köpfe der Zwerge, ohne dass die Zwerge ihre eigene Hutfarbe sehen. Der Riese sagt den Zwergen, dass er jeden einzelnen nach der Farbe seines Hutes fragen wird, den größten zuerst. Ist die Antwort falsch, frisst der Riese den Zwerg. Jeder Zwerg hört die Antwort seines Hintermanns, aber nicht, ob der Zwerg danach noch lebt. Bevor die Hüte verteilt werden, können die Zwerge sich heimlich beraten. Welche Strategie sollten die Zwerge wählen, um möglichst viele zu retten? Wie viele können mindestens gerettet werden?"
Puh - mit dieser Horror-Aufgabe sah sich ein QA Automation Engineer bei BitTorrent konfrontiert. Wer bei solchen Logik-Fragen nur noch Bahnhof versteht, kann manchmal nur noch die Notbremse ziehen und sagen, dass die Aufgabe in der aktuellen Stress-Situation nicht lösbar ist. Wer dann von den Personalern beharrlich gequält wird, ist vielleicht auch in dem Unternehmen nicht richtig.
Damit sah sich ein Verwaltungsassistent bei Google konfrontiert. "Schreiben" galt dabei nicht als Antwort. Solche Kreativitätsfragen kommen in abgewandelter Form immer wieder vor. Eine Version ist etwa "Was für Bücher gibt es?". Da sei bei vielen schon nach "Krimis" Schluss, erzählt Hesse. Andere können unzählige herunterbeten. Hier hilft das spielerische Üben solcher Brainstormings, zum Beispiel "Welche Automarken gibt es?" oder "Wie viele Farben fallen Ihnen ein?".
Seien Sie ehrlich: Wäre Ihnen mehr eingefallen, als "Windows"? Nicht nur, wer sich als Associate Consultant bei Microsoft vorstellt, sollte sich vorher gut über das Unternehmen, in dem man arbeiten möchte, informieren.
Hat die Beraterbranche Nachwuchssorgen?
Ochmann: Gute Berater zu bekommen, ist tatsächlich schwierig geworden. Das Image der Branche ist längst nicht mehr so strahlend wie noch vor ein paar Jahren. Der Beruf ist nach wie vor sehr vielseitig, interessant und verspricht eine hohe Lernkurve, ist jedoch auch sehr arbeits- und sehr reiseintensiv. Das möchte nicht jeder machen.