Jobwechsel Arbeitszeugnisse für Top-Manager: Was drin stehen sollte

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Handelseinig: Bei Topmanagern zählt nicht nur ein Zeugnis Quelle: monster.de

So geschehen bei einem Unternehmen, das dem neuen Arbeitgeber auf Nachfrage lediglich „bestätigte“, dass der Zeugnistext im Verlauf eines arbeitsgerichtlichen Prozesses zustande gekommen sei. Die Führungskraft wurde daraufhin prompt nicht eingestellt – und verklagte seinen Ex-Chef. Zu Recht, wie das Landesarbeitsgericht Hamburg (AZ 2 Sa 144/83) urteilte. Für die Richter stand fest, dass das neue Arbeitsverhältnis aufgrund der „üblen Nachrede“ nicht zustande gekommen war. Der Ex-Arbeitgeber musste noch einmal ein halbes Jahresgehalt an den Kläger zahlen.

Nun gelten bei der Besetzung von Vorstands- oder Geschäftsführerposten ohnehin eigene Regeln. Entsprechend unterschiedlich bewerten Personalberater formale Auswahlkriterien wie Lebenslauf oder Arbeitszeugnis. Stefan Koop, Geschäftsführender Gesellschafter der Delta Management Consultants, findet zum Beispiel persönliche Gespräche „viel valider als Drucksachen“.

So werden bei den Hamburger Headhuntern Top-Positionen nicht unter fünf solcher Referenzen besetzt. Dabei führen die Berater mit den Leistungszeugen dann auch schon mal bis zu 45-minütige Interviews, „um sich ein umfassendes Bild über die Persönlichkeit des Bewerbers“ zu verschaffen.

Empfehlungsschreiben haben hohen Stellenwert

Tatsächlich stehen bei Headhuntern sogenannte Empfehlungsschreiben oder Referenzbriefe wesentlich höher im Rang. Das liegt zum einen daran, dass das Arbeitszeugnis eine deutsche Besonderheit darstellt: International üblich sind sogenannte Reference Letter, von denen die Manager in der Regel bis zu drei im Bewerbungsprozess vorlegen.

Der zweite Grund ist aber ausschlaggebender: „Rund 80 Prozent der Manager-Zeugnisse sind selbst geschrieben, mindestens aber inhaltlich beeinflusst“, glaubt Heike Cohausz, Geschäftsführende Gesellschafterin bei der Düsseldorfer Outplacement-Beratung v. Rundstedt & Partner. Entweder ist der Zeugniswortlaut Gegenstand eines Aufhebungsvertrages oder eben ein letzter Friedenspakt im Scheidungskrieg.

Zudem stammen Empfehlungsschreiben nicht zwangsläufig von ehemaligen Vorgesetzten und enthalten deshalb auch kaum Kennziffern oder Bilanzzahlen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Art freundschaftliches Charakterzeugnis, in dem ehemalige Weggefährten dem Manager eine „untadelige Persönlichkeit“, einen „einwandfreien Leumund“ oder „vorbildliches Führungsverhalten“ bescheinigen.

„Die Auswahl dieser Referenzen stellt zwar auch eine Beeinflussung dar“, sagt Cohausz, „aber diese Leute befragen wir immer noch einmal persönlich. Dabei spüren wir dann, wie authentisch der Brief ist. Und Abweichungen und Zwischentöne fallen dabei sehr schnell auf.“

Auch das Urteil des Heidrick & Struggles-Beraters Stefan Fischhuber ist eindeutig: In der Frage, ob ein Top-Manager eingestellt wird oder nicht, habe das Arbeitstestat eher ergänzenden Charakter: „Wegen eines guten Zeugnisses bekommt keiner einen Job, aber wegen eines schlechten wird er manchmal gar nicht erst eingeladen.“

Umgekehrt heißt das: Grobe Schnitzer darf sich ein Kandidat nicht erlauben. Je hochkarätiger die Besetzung, desto gründlicher wird gesiebt. Und je höher die Qualifikation des Bewerbers, desto entscheidender ist seine Reputation und damit das, was ihm seine Ex-Vorgesetzten nachsagen.

Oder er sich selbst. Denn auch wenn viele Zeugnisse selbst geschrieben sind, „aufschlussreich sind die Testate allemal“, ist der Münchner Headhunter und Deutschland-Chef von Hanover Matrix, Marcus Schmidt, überzeugt. Insbesondere wenn das Arbeitszeugnis an den entscheidenden Stellen Lücken aufweist oder gar nur durchschnittlich ausfällt, „fragt man sich schon, wie kompetent wohl jemand ein Unternehmen führt, der sich nicht einmal eine Siegeshymne schreiben kann“.

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