Jürgen Domian im Interview "Ich achte auf Details"

Der Radiomoderator Jürgen Domian über die wichtigsten Eigenschaften eines guten Zuhörers und die Gründe für den Erfolg seiner Sendung.

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Radiomoderator Jürgen Domian Quelle: Matthias Jung für WirtschaftsWoche

Herr Domian, was macht für Sie einen guten Zuhörer aus?

Die Fähigkeit zur Konzentration. Der Zuhörer muss auf jedes Detail des Erzählers achten – und zwar sowohl verbal als auch körperlich, also auf Mimik und Gestik. Das ist die Grundvoraussetzung.

Was denn noch?

Zuhören bedeutet ja auch, auf den anderen aktiv einzugehen. Das kann ich aber nur, wenn ich alles auf dem Schirm habe, was er mir sagt – oder was er mir sagen will, aber nicht ausspricht. Manchmal verstecken die Menschen Aussagen in kleinsten Nebensätzen. Das ist die große Kunst des Zuhörens – dass man diese kleinsten Signale wahrnimmt.

Die sichtbaren Signale entfallen in Ihrem Berufsalltag, da Sie die Anrufer nicht sehen. Wie kompensieren Sie das?

Indem ich noch mehr auf Details der Stimme achte. Manchmal weiß ich schon innerhalb von wenigen Sekunden, in welcher Stimmung jemand ist – ob das Gespräch schwierig wird oder nicht. Die Stimmlage transportiert viel, ebenso die Geschwindigkeit. Aber auch die Detailgenauigkeit sagt viel aus.

Inwiefern?

Je detaillierter ein Anrufer beginnt, desto schwieriger wird das Gespräch. Diese Menschen sind aufgebracht und wollen kein Detail vergessen.

Sie haben vorher keine Ahnung, worüber die Anrufer mit Ihnen reden wollen?

Nein. Wir haben mal damit experimentiert, dass meine Mitarbeiter mir etwas in den Monitor geschrieben haben, aber dabei fühlte ich mich immer sehr unwohl. Ich merkte, dass ich dann nicht so genau zuhöre. Perfektes Zuhören funktioniert nur, wenn man rigoros konzentriert ist und von nichts abgelenkt wird.

Das widerspricht aber dem Multitasking-Trend: Viele telefonieren heute und surfen parallel im Internet, sowohl im Job als auch im Privaten.

Aus meiner Sicht geht das nicht. So kann ich vielleicht eine Pizza bestellen. Aber ein ernstes Gespräch führen? Da habe ich meine Zweifel.

Ertappen Sie sich manchmal beim Nichtzuhören?

Ja, das ist allzu menschlich – auch wenn mir das in meiner Sendung natürlich nicht passieren darf. Wenn ich es merke, schrillen innerlich alle Sirenen. Entweder liegt es daran, dass ich unkonzentriert bin oder müde. Oder der Anrufer ist langweilig. Dann muss ich natürlich eingreifen. Denn wenn ich als Moderator ihn schon langweilig finde, sehen meine Zuschauer und Zuhörer das erst recht so.

In den 15 Jahren Ihrer Sendung haben Sie etwa 18 000 Gespräche geführt. An wie viele davon erinnern Sie sich noch?

Genau weiß ich es nicht, aber es sind sehr viele. In der Regel bleiben die skurrilen Dinge hängen oder die sehr traurigen. Spontan fällt mir eine Anruferin ein, deren Kind entführt, sexuell missbraucht und ermordet worden war.

Solche Anrufe sind doch enorm belastend. Was machen Sie nach der Sendung?

Ich komme gegen 3.15 Uhr nach Hause, allerdings schlafe ich erst gegen 5.30 Uhr ein. Entweder surfe ich durchs Internet oder gucke Fernsehen.

Und das reicht, um sich von den teils erschütternden Anrufen zu erholen?

Meist ja. Natürlich höre ich viele traurige und schockierende Dinge. Ebenso gibt es Gespräche, die Mut machen. Von tapferen Menschen, die sich von Schicksalsschlägen nicht zurückwerfen lassen. Traurige Dinge relativieren vieles – weil man merkt, wie gut man es hat.

Haben sich in den letzten Jahren die Themen der Anrufer geändert?

Es kommen weniger sexuelle Dinge zur Sprache. Früher waren sie immer der Reißer, heute nicht mehr.

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