Karriere Weshalb Lob für die Motivation so wichtig ist

Kritik kommt im Job meist schnell. Auf Anerkennung dagegen wartet mancher vergeblich. Warum Lob für die Motivation und Leistung des Einzelnen so wichtig ist, und weshalb jeder damit am besten bei sich selbst anfängt.

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Die CDU Vorsitzende und Quelle: AP

Büro ist wie Boxen: Ständig gibt’s was auf die Nase, und nur wer einstecken kann, kommt eine Runde weiter. In vielen Unternehmen gilt das Motto: Die Abwesenheit von Kritik ist Motivation genug — ganz in der Tradition des deutschen Malers Anselm Feuerbach, der einst spitz bemerkte: „Tadeln ist leicht, deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand zu loben ist schwer, darum tun es so wenige.“

Wie destruktiv das sein kann, hat Markus W. erlebt. Der Regionalverkaufsleiter bei einer großen Autovermietung engagierte sich zwar überdurchschnittlich im Job. Er erreichte regelmäßig sämtliche Zielvereinbarungen, kassierte Prämien – aber seine Unzufriedenheit wuchs dennoch von Woche zu Woche, weil die Geschäftsleitung stets etwas zu mäkeln hatte. „Vereinbarte ich viele Kundentermine, galten die als Kunden mit zu wenig Potenzial; waren es große Kunden, hieß es: zu wenig Neupotenzial“, erinnert sich der 34-Jährige. Irgendwann reichte es ihm, Markus W. kündigte. Er zog Konsequenzen aus seinem Frust. Andere fressen ihn über Jahre still in sich hinein.

„Die gute Tat, die ungepriesen bleibt, würgt tausend andre, die sie zeugen könnte“, räsonnierte einst Shakespeare. Anerkennung zählt zu den wichtigsten Bedürfnissen. Wessen Leistung im Job gewürdigt wird, für den ist das Blau des Himmels nicht nur blauer – warme Worte spornen ihn auch zu noch mehr Leistung an.

Die beflügelnde Wirkung der Wertschätzung wies auch Albert Bandura, Psychologie-Professor an der Stanford Universität, nach: Gelobte sind motivierter und stecken sich höhere Ziele, denen sie sich stärker verpflichtet fühlen. Teilweise unterstellen sie sich sogar bessere Fähigkeiten, was wiederum ihre Leistungskraft verbessert. Die psychologische Forschung zeigt: Wer seinen Vorgesetzten als unterstützend erlebt, ist eher bereit, Kollegen unter die Arme zu greifen. Lob fördert also die Hilfsbereitschaft in Teams – und damit ein gutes Betriebsklima. Wer gelobt wird, bemüht sich, dem Lob gerecht zu werden.

Mangelt es jedoch chronisch an positiver Rückmeldung, geht die Motivation in den Keller. Neurowissenschaftler stellten fest, dass das Belohnungszentrum im Gehirn jedes Mal eine Stressreaktion auslöst, wenn die soziale Anerkennung ausbleibt. Wird dieser „Enttäuschungsstress“ zum Dauerzustand, können sogar Psyche und Körper Schaden nehmen, zeigte Johannes Siegrist, Direktor am Düsseldorfer Institut für Medizinische Soziologie, in Studien.

Das betrifft keineswegs nur die Unsicheren, die zu ständigen Selbstzweifeln neigen. Tatsächlich reagieren viel häufiger die Fleißigen und die Engagierten besonders sensibel, wenn Arbeitseifer und Erfolg nicht gewürdigt werden. Sie geben alles für ihren Job und spüren gleichzeitig, wie wenig dafür zurückkommt. Was sie auch schaffen, es wird kaum geschätzt, womöglich nicht einmal registriert. Das frustriert ungeheuer und tut ungefähr so weh, wie wenn auf ein leidenschaftliches „Ich liebe dich“ die lakonische Antwort kommt: „Ich weiß.“

Das Problem ist längst auf den Chefetagen angekommen, wie jetzt eine exklusive Umfrage unter rund 1000 Managern bestätigt, die der Verband „die Führungskräfte“ und die Kommunikationsberatung Kehkom für die WirtschaftsWoche exklusiv durchgeführt haben. Danach wünschen sich über 65 Prozent der befragten Manager gebührende Anerkennung im Job und geben an, sie würden gerne häufiger gelobt. Die verbale Auszeichnung ihrer Leistung war den meisten Managern dabei genauso wichtig wie die materielle; jeder Fünfte bevorzugte sie sogar.

Beifallmangel in der Beletage kommt nicht von ungefähr: Je höher einer in der Hierarchie steigt, „desto schwieriger wird es für ihn, ehrliche Rückmeldung zu bekommen“, sagt Arbeits- und Organisationspsychologe Jürgen Wegge von der Technischen Universität Dresden. Vorgesetzte bekämen in der Regel entweder falsches, also strategisch eingesetztes, oder gar kein Lob. Ein Wort des Dankes an den Chef verkneift sich so mancher, um sich nicht dem Vorwurf der Schleimerei auszusetzen. Gleichzeitig engt sich nach oben der Kreis der Kollegen ein, die sich untereinander auf die Schulter klopfen könnten. Die sprichwörtliche Einsamkeit an der Spitze – viele spüren deren Vorboten schon im Mittelmanagement.

Demnach müssten sich die eigenen Mitarbeiter deutlich besser fühlen. Fehlanzeige! Jährlich ermittelt das Potsdamer Beratungsunternehmen Gallup in einer repräsentativen Umfrage den sogenannten Engagement Index deutscher Arbeitnehmer – mit stets miesen Ergebnissen: Zuletzt bekannten sich knapp 90 Prozent der Befragten zu einer „geringen“ bis „keiner emotionalen Bindung“ zu ihrem Arbeitgeber. Und immer wieder nennen sie als Gründe „mangelnde Anerkennung und Lob“ für die geleistete Arbeit sowie „zu wenig Feedback über persönliche Fortschritte“. Man braucht nicht viel Fantasie, um auszurechnen, wie groß und unnötig der Schaden durch Fehlzeiten, hohe Fluktuation, innere Kündigung und sinkende Produktivität für Unternehmen ist.

Aber wer hat Schuld an der Misere? Der Mitarbeiter zeigt klagend mit dem Finger nach oben, der Manager wiederum deutet fordernd nach unten sowie nach oben auf seinen Chef-Chef. Doch unrecht haben beide, sagt Personaltrainer Hans-Jürgen Kratz. Denn Lob „ist keine Hol-, sondern eine Bringschuld. Jeder sollte damit bei sich selbst anfangen.“

Und zwar nicht im Sinne von Eigenlob und rituellem Applaus, sondern bei seiner persönlichen Einstellung. Ein bauchpinslerisches „Das haben Sie klasse gemacht!“ oder „Weiter so!“ kann schließlich nie die persönliche, die sogenannte intrinsische Motivation des Einzelnen ersetzen. Für den Managementberater und Bestsellerautor Reinhard Sprenger („Mythos Motivation“) kommen solche Beifall-Salven einer „Infantilisierung von Mitarbeitern“ gleich. Hinter ihnen stecke der Generalverdacht, Arbeitnehmer seien grundsätzlich faul, Motto: Erst wenn man Eseln eine Karotte vor die Nase hält, bewegen sie sich auch. Entsprechend oft sei der betriebliche Umgang von Bedrohen, Bestrafen, Bestechen, Belohnen und Belobigen geprägt – allesamt klassische Merkmale einer Kultur der Bevormundung. Diese „Selbsterhöhung“ des Lobenden habe nichts mehr mit „wechselseitiger Wertschätzung“ zu tun, sagt Sprenger. Motivieren kann das nicht.

Umgekehrt trägt auch der Jammerer kaum zu einer Begegnung auf Augenhöhe bei, wenn er jedes Mal lautstark seine Möhre vermisst, damit er endlich antrabt – im Gegenteil: Er degradiert sich zum Esel.

Doch selbst wenn Eigenmotivation vorhanden und der Spaß an der Arbeit ausgeprägt ist: Ganz ohne Bestätigung von außen geht es nicht. Als soziales Wesen sucht der Mensch nach Anerkennung, weil sie ihm etwas über die Wertschätzung verrät, die ihm entgegengebracht wird. Der Vergleich mit anderen ist bei Männern zwar oft ausgeprägter als bei Frauen, er spielt aber beim Gelobtwerden für beide eine bedeutende Rolle.

Wie sensibel die Antennen dabei sind, weiß auch Manager-Coach Gabriele Euchner: Egal, ob der Satz „Herr A hat eine tolle Arbeit hingelegt, und Frau B hat es auch gut gemacht“ tatsächlich nett gemeint war – den feinen, aber emotional bedeutenden Unterschied registrieren alle genau. Vor allem Frau B, die darüber kaum amüsiert sein wird, sondern beleidigt.

Dass unfaires Lob Schaden anrichtet, zeigten jüngst amerikanische Verhaltensforscher von der Emory-Universität. Bekommen zwei Mitstreiter für gleiche Leistung über längere Zeit unterschiedlich wertvolle Belohnungen, tritt der Benachteiligte kurz darauf in den Streik.

Aus der Gerechtigkeitsforschung ist bekannt: Das Gefühl, schlecht behandelt zu werden, stumpft mit der Zeit kaum ab. Wer beispielsweise in einem Jahr keine Prämie bekommen hat oder von einem großen in ein kleines Büro umziehen musste, grämt sich noch wochenlang darüber. Die Freude des Kollegen über ein größeres Zimmer hingegen währt nur kurz.

Jedes Lob muss ehrlich sein, wenn es wirken soll. Mit plumpen Streicheleinheiten hat ein kraftvolles Lob ebenso wenig gemein wie Mitarbeiter-des-Monats-Plaketten mit nachhaltiger Motivation. Derlei Brimborium geht in der Regel eher nach hinten los: Preist der Chef wieder einmal den Kollegen, der sein persönliches Lieblingsprojekt betreut, schafft das allenfalls einen Zufriedenen – und dazu 99 Prozent Missmutige und Neider. Die Botschaft, die hängen bleibt, lautet: Leistung lohnt sich hier nicht.

Nur wenn die Anerkennung auf sachlich nachvollziehbaren Kriterien beruht, die konsistent über verschiedene Mitarbeiter hinweg angewendet werden, wird sie als authentisch erlebt und spornt entsprechend an.

Dabei bringt es allerdings auch nichts, ein Projektteam oder einen Vorstand als Ganzes zu feiern. Leistungssteigernd wirkt allein, den individuellen Beitrag zum Erfolg zu würdigen. Zu dem Ergebnis kamen Hirnforscher und Ökonomen an der Universität Bonn: Sie ließen ihre Probanden paarweise Schätzaufgaben lösen und untersuchten dabei ihre Hirnaktivität. Wer besser war als sein Mitspieler und dafür stärker honoriert wurde, den bedachte sein Belohnungszentrum prompt mit einer Extradosis Tatendrang. Fiel die Prämie dagegen identisch aus, brachte dies für die Motivation beider Kandidaten wenig.

Klar, dass in Gruppen der Einzelbeitrag nicht immer eindeutig zu bestimmen ist. Zumal Verhaltensforscher heute wissen, dass sich in fast jedem Team mehr als die Hälfte der Mitstreiter für überdurchschnittlich hält. Doch gerade gegenüber (selbst ernannten) Leistungsträgern wirkt nichts so überzeugend wie die diskrete Einflussnahme durch gezielte Wertschätzung. So erkannte schon der französische Dramatiker Molière: „Der Schmeichelei gehen auch die Klügsten auf den Leim.“

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