
Herr Nesbo, Ihr neuer Krimi beschreibt die Welt der Headhunter. Ihr Protagonist, Roger Brown, verwendet eine Fragetechnik des FBI, um Bewerber zu ver‧unsichern, wie beim Verhör eines Tatverdächtigen. Geht es bei den Headhuntern wirklich so streng zu?
Nesbo: Nein, und ich hoffe, dass diese Methode nicht so benutzt wird, wie das FBI sie verwenden würde. Aber durch diese Art von Tests muss man durch, sie gleichen Gesprächen mit Psychologen, man wird analysiert, gecheckt – und manchmal schon sehr ausgezogen. Ich kenne aus meiner Zeit als Börsenmakler beide Seiten des Schreibtischs.
Welche Seite ist spannender?
Damals war es interessanter, selber befragt zu werden – heute wäre ich mit Sicherheit lieber der, der die Fragen stellt. Das Besondere an der Headhunter-Branche ist, dass man im Gegensatz zu Berufen wie Anwalt oder Arzt keinerlei Berufsausbildung benötigt: Sie können morgen ein Büro eröffnen und loslegen.
Tummeln sich viele Scharlatane in der Branche?
Zumindest ist es schwer, ein Bild von dieser Branche als Ganzem zu zeichnen, da in ihr so viele verschiedene Charaktere tätig sind. Es fehlt auch ein typisches Milieu, in dem die Personalberater zu Hause sind. Es gibt keine Kneipen, wo sie sich abends nach der Arbeit treffen, so wie das Börsenmakler tun. Sie können einzelne Berater nach ihren Konkurrenten fragen, sie werden einige, aber selten alle nennen können. Viele von ihnen arbeiten sehr isoliert.
Sind das lauter einsame Wölfe?
Es ist eine sehr junge Branche mit einem hohen Maß an Spezialisierung. Ein Headhunter kennt sich meist nur in einem Wirtschaftszweig richtig gut aus und konzentriert sich zudem nur auf eine Hierarchiestufe. Einige machen nur mittleres Management, andere nur Top-Manager.
Sie beschreiben die Einstellungsgespräche wie kleine Kriege. Ist ein Gespräch mit einem Headhunter ein Machtspiel zwischen zwei Kontrahenten?
Wenn Sie einen Headhunter haben, der sehr wettbewerbsorientiert ist, ja. Der durchschnittliche Personalberater wird Ihnen immer sagen, dass er nicht mit anderen Headhuntern konkurriert und in Gesprächen nicht versucht, sein Gegenüber aus der Reserve zu locken. Er wird Ihnen sagen, dass er beide Parteien zufriedenstellen will – das Unternehmen und den Kandidaten. Aber wenn ein Headhunter gar keinen passenden Kandidaten findet – wird er dann zugeben, dass er niemanden gefunden hat? Nein, er wird immer jemanden präsentieren und behaupten, dass er der beste Kandidat sei. Es ist eine Cowboy-Industrie, aber jeder Headhunter sagt, er sei keiner von den Cowboys.
Was haben Sie aus den Büchern über Interviewtechniken gelernt?
Ich habe nicht viele gelesen. Sie sind langweilig. Regelrecht öde.
Warum?
Ich kannte all diese Fragen und Antworten. Sie unterscheiden sich kaum voneinander. Am liebsten mag ich noch immer das FBI-Modell, wo es darum geht, den Bewerber am Ende zu der Einsicht zu bringen, dass er nicht der Richtige für den Job ist. Wenn er aber alle Hürden genommen hat und die nötigen Qualifikationen mitbringt – dann ist er der Richtige.
Haben Sie sich für die Recherche beworben und so getan, als suchten Sie einen Job?
In Norwegen würde mir das aufgrund meiner Popularität heute nicht mehr gelingen. Ich habe mit Freunden gesprochen, die sich in der Branche auskennen, und Headhunter interviewt. Ich habe früher als Journalist gearbeitet und weiß deshalb, dass die Befragten eher zurückhaltend sind. Wenn Sie aber Ihrem Gegenüber sagen, dass sie Schriftsteller sind und Romane schreiben, dann lässt er schneller die Gegenwehr fallen und fängt an zu erzählen.
Was hat Sie dabei überrascht?
Es ist erstaunlich, wie sehr sie an ihre Methoden glauben, an die standardisierten Fragen und Analysemodelle. Dabei wäre es oftmals viel sinnvoller, einfach den gesunden Menschenverstand zu nutzen. Headhunter klammern sich aber lieber an ihre fixen Fragemuster. Alles ist genau geplant.