Geht es um ein weiteres Kernelement, das einen guten Boss ausmacht, sind sich Mario Neumann und Lucia Sauer Al-Subaey einig: Eine Führungskraft muss ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Mitarbeitern haben. Was zunächst sehr simpel klingt, dürfte jedoch die Eigenschaft sein, die am meisten Aufmerksamkeit bedarf.
Jeder Teamleiter sollte sich klar sein, dass Vertrauen sich einerseits schnell zerstören lässt, andererseits nur schwer wieder herstellen lässt. „Ähnlich dem Vertrauensverhältnis zum Arzt“, verdeutlicht Neumann die Wichtigkeit des Aspektes: Einmal beim Hausarzt das Gefühl gehabt, nicht gut aufgehoben zu sein, kann der Mediziner diesen Eindruck nur schwer, mit viel Aufwand und Zeit, revidieren.
Ohne Transparenz kein Vertrauen
Um dieses Vertrauensverhältnis zu wahren und zu verbessern, rät Neumann zu einer transparenten Kommunikation mit den Mitarbeitern. „Machen Sie klar, wieso Sie sich für etwas entschieden haben.“ Daneben sei es wichtig, den Belangen der Untergebenen Prioritäten einzuräumen und ein Gefühl der Sicherheit aufzubauen. „Es sollte klar sein, dass ein misslungenes Projekt nicht gleich zum Tobsuchtsanfall des Chefs führt“, verdeutlicht Neumann. Der perfekte Boss sollte also einerseits mit Leidenschaft und Disziplin seine Untergebenen für die gemeinsamen Ziele motivieren und dabei ein vertrauensvolles Verhältnis schaffen. Klingt einfach, ist in der Realität jedoch oft schwer umzusetzen.
So sei der Druck, der zum einen vom oberen Management und gleichzeitig von den eigenen Mitarbeitern kommt für viele Führungskräfte heute ein ernsthaftes Problem. „Hier müssen Sie souverän auftreten und deutlich sagen, dass Sie mehr Zeit brauchen, um ihren Job als Chef gut zu erledigen“, erklärt Sauer Al-Subaey. Gleichzeitig sei es wichtig, den Mitarbeitern das Gefühl zu geben, einen Chef zu haben, der weiß was er macht. Zu diesem Thema veröffentlichten die beiden Professoren Gareth Jones und Robert Goffee im Jahre 2000 einen Artikel (Goffee, Robert, and Gareth Jones. "Why should anyone be led by you?." Harvard business review 78.5 (2000): 62-70.), in dem sie vier Faktoren benennen, die eine gute Führungskraft ausmachen.
Vier Faktoren aus dem Artikel "Why should anyone be led by you?"
In einem, im Jahre 2000 erschienenen Artikel, kondensieren die beiden Professoren Robert Goffee und Gareth Jones die Charakteristika einer guten Führungskraft auf vier Eigenschaften:
Seien Sie sich bewusst, dass auch der beste Chef Schwächen hat. Akzeptieren Sie diese und überlassen Sie diese Themenfelder lieber jemand anders, als unnötige Ressourcen in die Kompensierung dieser Schwächen zu stecken.
Beweisen Sie Fingerspitzengefühl und Verstand, wenn es um die Führung Ihrer Mitarbeiter geht. Erkennen Sie, wenn jemand nicht ausgelastet ist aber auch, wenn jemand, beispielsweise aufgrund von privaten Problemen Entlastung benötigt.
Als Chef sind die weißungsbefugt. Machen Sie davon Gebrauch und übertragen Sie Ihren Mitarbeitern Verantwortung, auch wenn es manchmal schwerfallen kann.
Seien Sie sich bewusst, dass jeder Mitarbeiter anders tickt. Einer will viel Freiheiten, jemand anders braucht Anleitung. Sorgen Sie nicht für Unmut, indem Sie hier versuchen, jedem Mitarbeiter gleich zu begegnen.
So dürfe und solle man, gerade als Chef durchaus Schwächen haben und diese auch benennen. „Dann ist ihren Mitarbeitern klar was sie können und was sie lieber abgeben möchten“, sagt Sauer Al-Subaey. Denn: Schwächen zu kompensieren bedarf fast immer wesentlich mehr Kraft und Zeit, als diese einzugestehen. Außerdem sollte ein Chef ein Gespür für den richtigen Moment haben, wann er was von wem verlangen kann. „Sie sollten einen Mitarbeiter, von dem sie wissen, dass er gerade familiäre Probleme hat, nicht ungefragt mit Mehraufgaben beladen“, erklärt Sauer Al-Subaey ein typisches Beispiel.
„Delegieren können“ ist der dritte Faktor, den die Autoren als Eigenschaft guter Führungskräfte benennen. Die letzte, und vermutlich außergewöhnlichste Eigenschaft, die Goffee und Jones benennen ist die Ungleichbehandlung von Mitarbeitern. „Der eine braucht vielleicht mehr Freiheit, der andere braucht viel Anleitung und wieder ein anderer intensive Diskussionen“, fächert Sauer Al-Subaey die Vielfalt der Mitarbeiterwünsche auf und mahnt: „Man sollte als Chef gar nicht erst versuchen, alle gleich zu behandeln.“
Die Anforderungsliste an gute Chefs ist damit lang und oftmals zählen Eigenschaften dazu, die sich nur durch Erfahrung erlangen lassen. Wie kontrolliere ich als Vorgesetzter also, ob ich als Boss wirklich positiv wahrgenommen werde, ich meiner Aufgabe als guter Chef gerecht werde? Zum einen gibt es hier die Möglichkeit der klassischen Mitarbeiterbefragung. „Hier besteht aber immer die Gefahr, dass das Feedback nicht ganz ehrlich ist, weil die Mitarbeiter in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Chef stehen“, sagt Sauer Al-Subaey.
Daher rät sie jeder Führungskraft zu einer vertrauten Person, die schnell klarmacht, wenn der übereifrige Chef die Bodenhaftung verliert. „Das kann gerne auch der Partner sein oder ein guter Freund“, erklärt Sauer Al-Subeay. Die Person sollte auf jeden Fall kein Problem haben, den „befreundeten Boss“ zu kritisieren. Gibt es solch ein ehrliches Kontrollsystem, können sich Vorgesetzte relativ sicher sein, dass auch ihre Außenwahrnehmung der eigenen Überzeugung, ein guter Boss zu sein, entspricht.