Künstliche Intelligenz Wie Manager KI zu ihrem Werkzeug machen

Serverraum. Quelle: AP

Um bei immer komplexer werdenden Prozessen mithalten zu können, müssen Manager ihre Unternehmen digital aufstellen. Künstliche Intelligenz dürfte dafür bald unverzichtbar werden. Eine Chance fürs Management.

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Immer schneller, immer komplexer, immer schwieriger. In vielen Unternehmen beobachten Manager eine Entwicklung, der sie bald hinterherzulaufen drohen. Um komplexer werdende Prozesse weiter zu optimieren, reicht das menschliche Vermögen scheinbar nicht mehr aus.

Auch die Geschäftsführung des Aachener Kosmetikunternehmens Babor Cosmetics erlebt diese Entwicklung im eigenen Haus. Durch die Ausweitung des eigenen Produktportfolios und der Absatzkanäle wurde die Planung und vor allem das Umplanen immer schwieriger. „Unsere Planer haben einen fantastischen Job gemacht, der vielfach auf Erfahrung basierte“, sagt Horst Robertz, Geschäftsführer für die Bereiche Beschaffung, Forschung und Betrieb bei Babor Cosmetics. „Letztlich gibt es aber irgendwann einen Punkt, an dem der einzelne Mensch oder ein Team die Komplexität nicht mehr beherrschen kann – oder dies nur noch vermeintlich tut.“ Ein alleiniges Hochrüsten der Rechnerleistung und eine noch größere Informationsflut hätten den Planern nicht geholfen. „Es fehlte an der Möglichkeit, eine Planungsentscheidung vor dem Hintergrund einer betriebswirtschaftlich orientierten, unternehmerischen Entscheidung zu treffen“, so Robertz.

Fehlende Agilität im Management nennt das der Wirtschaftsingenieur Adrian Weiler. Er zählt zu den Vordenkern der computergestützten Entscheidungsintelligenz. Sein Lösungsvorschlag für das Problem: Künstliche Intelligenz (KI). „Die Komplexität eines Problems ergibt sich häufig aus der Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten – etwa bei Reihenfolgen in der Produktion oder dem Transport. Wenn es unendlich viele Möglichkeiten von Reihenfolgen gibt, ist es ein gigantisches Puzzle“, sagt Weiler. Menschen kämen seit Jahrhunderten damit klar, indem sie auf ihre Intuition hören. „Durch die Intuition schließen sie aber unbewusst viele Lösungsoptionen von vornerein aus – und leider auch optimale Lösungswege.“ Die Intuition sei bei bestimmten Arten von Problemen deshalb schlechter als ein Computer, der einfach gnadenlos alle Optionen durchrechnet.

Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz

„Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Manager, der einen Computer einsetzt, der stupide Millionen Lösungen einfach durchrechnen kann, einen größeren Lösungsraum zur Verfügung hat“, sagt Weiler.

Deshalb, sagen Experten, werde KI in Zukunft unverzichtbar sein. „Aufgrund sich rasch wandelnder Märkte, wachsender Kundenerwartungen, schnellerer Produktzyklen und dem Mehrbedarf an Interdisziplinarität werden die Herausforderungen im Bereich des Managements auch in Zukunft weiterhin steigen“, sagt Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. „Der Wandel wird zur einzigen Konstante, und damit wird auch die Agilität im Management zu einer permanenten Notwendigkeit.“ Umso wichtiger sei es deshalb, den Verantwortlichen in Unternehmen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie flexibel, schnell und intelligent auf Veränderungen reagieren können.

„Manager müssen lernen, mit Künstlicher Intelligenz als Werkzeug umzugehen – genauso wie sie vor einigen Jahren den Umgang mit Smartphones gelernt haben“, sagt Weiler. So einfach wie der Umgang mit dem Smartphone ist die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz allerdings nicht. „Das ist natürlich schwieriger“, räumt Weiler ein. „Aber jeder kann es lernen!“

Keine große Mathematik, sondern strukturiertes Denken

Wichtig sei in erster Linie die Fähigkeit zu strukturieren und Entscheidungen treffen zu können. Ein mathematisches Talent, wie viele annehmen würden, sei hingegen überhaupt nicht relevant: „Mathematik steckt sozusagen als Blackbox in den Systemen drin, aber ist zum Bedienen nicht notwendig. Wie beim Smartphone muss ich die KI nur benutzen und nicht programmieren können.“

Eines gelte es allerdings zu vermeiden, rät Weiler, der Unternehmen wie BMW, dem Hamburger Hafen oder Bosch bei der Implementierung von KI-Systemen beraten und unterstützt hat: „Manager dürfen nicht mit dem Anspruch antreten, dass sie sofort ihre Firma flächendeckend mit Künstlicher Intelligenz organisieren können.“ Dafür ist der Prozess zu aufwendig. Eine intensive Lernphase gilt als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung von KI-Systemen.

Projekt KI: Langwieriger Prozess, großer Erfolg

Das zeigte sich auch bei Babor Cosmetics: Die Geschäftsführung um Horst Robertz entschied sich zunächst für ein Projekt „Künstliche Intelligenz“ im deutschen Vertriebsnetz. „Der Prozess war komplex und langwierig, was aber beileibe nicht an der mangelnden Kompetenz der Projektgruppen lag, sondern in der Natur der Materie: wir mussten ja erst einmal verstehen und – oftmals noch schwieriger – klar definieren, was unsere Wertschöpfung unterbricht und welche Parameter uns wichtig sind“, so Robertz. Zudem traten auch bei dem Aachener Kosmetikhersteller die üblichen Startschwierigkeiten auf: Zunächst mussten saubere Stammdaten generiert werden und die Informationen zu allen Komponenten in digitalisierter Form zur Verfügung stehen – ohne Ausnahmen.

Nach einer intensiven Vorbereitung und der ausführlichen Erprobungsphase zog das Management von Babor Cosemtics ein positives Fazit des KI-Experiments: „Die Einführung der Softwarelösung hat zu einer deutlichen Beruhigung der Planung geführt, verbunden mit einem erheblichen Abbau von Beständen bei gleichzeitiger Steigerung der Lieferfähigkeit“, sagt Robertz und vermerkt mit gewissem Stolz: „Die Einführung der KI hat übrigens keinen einzigen bestehenden Arbeitsplatz gekostet.“

Das Projekt „Künstliche Intelligenz“ ist für das Aachener Unternehmen deshalb ein großer Erfolg: „Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass wir unseren erfolgreichen Expansionskurs, in dessen Verlauf wir viele neue Arbeitsplätze schaffen konnten, ohne den Einsatz der KI nicht erreicht hätten“, sagt Robertz.

Geschäftsleitungen von KI zu überzeugen – das ist laut KI-Experte Weiler häufig gar nicht das große Problem: „Sie stehen KI in der Regel sehr offen gegenüber.“ Je tiefer es in der Hierarchie gehe, desto schwieriger werde die Vermittlung von Künstlicher Intelligenz als hilfreiches Werkzeug aber. „Der einzelne Arbeitsplaner sieht natürlich seinen Job gefährdet“, erklärt Weiler. „Es ist auch so, dass die Arbeit letztlich mit weniger Disponenten und Planern auskommt. Allerdings geht es trotzdem nicht ohne sie!“

Es braucht auch weiterhin den mitdenkenden Mitarbeiter

Denn laut Weiler ist es der Künstlichen Intelligenz heute nur selten und nur auf eng begrenzten Anwendungsgebieten möglich, gute Entscheidungen komplett eigenständig zu fällen. Der Grund: Nicht alle Unwägbarkeiten können programmiert werden. „Es gibt Dinge, die nur hin und wieder einmal auftreten. Ein totaler Stromausfall zum Beispiel. Solche Dinge sind in KI-Modellen nicht vorgesehen, weil sie viel zu selten vorkommen und weil es viel zu viele davon gibt, als dass es wirtschaftlich wäre, diese einzuprogrammieren.“ Das bedeutet, dass heutige KI-Systeme in 95 bis 98 Prozent der Fälle gut arbeiten, aber dass bei den restlichen zwei bis fünf Prozent derzeit die Kontrolle durch einen Menschen sinnvoll oder sogar notwendig ist. „Sie brauchen den selbstverantwortlichen, eigenständigen, mitdenkenden Mitarbeiter, der selbst Entscheidungen trifft“, beschreibt es der Digitalexperte Karl-Heinz Land.

Weil sich hierzulande derzeit trotzdem noch zu wenige Unternehmen an KI heranwagen, fordern Digitalexperten wie Weiler oder Land vehement, dass Manager das Thema in ihren Unternehmen aufs Tableau heben müssen – letztlich nicht nur, um den eigenen Fortschritt zu fördern, sondern um mit der Entwicklung überhaupt Schritt halten zu können.

„Der Bedarf digitaler Systeme scheint unerschöpflich, weil sich damit fast überall Verbesserungen der Leistungen und Eigenschaften sowie der Effizienz und Ressourcenschonung von Produkten und Verfahren erzielen lassen“, sagt Fraunhofer-Präsident Neugebauer. Ein Verzicht darauf dürfte in naher Zukunft also geradezu absurd erscheinen.

Bei Babor Cosmetics ist mittlerweile nicht nur der erste, sondern schon der nächste Schritt getan: Das KI-Projekt wird ausgedehnt. „Nach der Implementierung der Softwarelösung für unseren nationalen Vertrieb rollen wir nun die Software auch für unsere internationalen Tochterunternehmen aus“, sagt Robertz. Zwei bereits angelaufene KI-Projekte sollen dort noch 2018 abgeschlossen werden.

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