Serie EntscheidungsMacher Lebe lieber ungewöhnlich

BMW-Marketingmanagerin Hildegard Wortmann hat für den Konzern jede Menge Innovationspfade entdeckt. Dafür brach sie auch mit so manchen Konventionen.

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Sie ist eine, die gerne ausbricht. Und so sitzt Hildegard Wortmann in ihrem neuen Büro in Singapur und blickt hinaus auf den Hafen statt über München hinweg in Richtung Alpen. „Singapur ist für BMW ein Dreh- und Angelpunkt in Asien und für mich ein echter Glückstreffer“, sagt Wortmann. Seit Anfang Januar leitet die Managerin den Vertrieb in der Region, davor war sie gut 20 Jahre lang so etwas wie die Wunderwaffe im Marketing und Produktmanagement. Inklusive Büro mit Panoramablick im Vierzylinder, der Zentrale in München.

Wortmann ist die Frau, die einst dem vor sich hin stotternden Mini zu einem spektakulären Neustart verhalf. Die Frau, die die Elektromarke BMWi mit aufgebaut hat – zu einer Zeit, als die Konkurrenz elektrisches Fahren noch als Gedöns abtat. Und die Frau, die als Leiterin die Marke BMW in neue Sphären hob, indem sie sie kräftig durchdigitalisierte. Keine Managerin hat in der Branche so viele Innovationspfade – auch gegen Widerstände – so konsequent ausgespäht. Die WirtschaftsWoche hat sie deshalb als Entscheidungsmacherin 2018 nominiert (siehe Kurztextgalerie "Über die Serie").

Jetzt also der Neustart in Asien. Wortmann, die als Fremdsprachenkorrespondentin ins Berufsleben startete, wollte schon länger raus aus München, mit Vorstandschef Harald Krüger war das so abgemacht. Ende des Jahres war auch aus familiären Gründen der Zeitpunkt für sie gekommen. Singapur ist ein weltweiter Innovations-Hotspot. Von hier aus treiben Konzerne von BMW bis Scania neue Technologien voran, etwa rund ums autonome Fahren.

Über die Serie

Dennoch: Für eine Karriere in der Autobranche ist Wortmanns Umzug untypisch. Als Marketingchef Ian Robertson 2017 in Rente ging, galt sie als Vorstandskandidatin. Andererseits erschien ihr Aufstieg ins oberste Führungsgremium so manchem Fürsten im BMW-Reich etwas verfrüht: Wortmann hatte bisher kaum Verantwortung für Gewinn und Verlust. So gesehen, ist „Regionalchefin Asien“ die bestmögliche Zwischenstation. China allerdings gehört nicht zu ihrem Einzugsgebiet.

Dem Mainstream vorauseilen – noch nie war das in einem Konzern einfach. Schon gar nicht bei einem, in dem so viel Tradition und Stolz lebt wie in den Bayerischen Motorenwerken. Wortmann hat ihren Weg dennoch gefunden. Weit weg von der Zentrale saß etwa das Team der Kreativen, das ab 2007 ein Konzept für die Elektromobilität erfinden sollte. So konnte das Zentrum den Einfallsreichtum der jungen Wilden in der Peripherie nicht in freundlicher Umarmung erdrücken. Vermittelt zwischen den beiden Welten hat oft Wortmann.

2011 lancierte der Autobauer schließlich seine Untermarke BMWi – ohne ein verkaufsfertiges Auto zu haben. Das kam erst 2013 und 2014 dazu. Das Konzept ging auf: Kein anderer deutscher Hersteller steht bis heute so sehr für elektrisches Fahren wie BMW mit seinen Modellen i3 und i8. Inzwischen ist Konkurrent Tesla enteilt, aber Wortmann ficht das nicht an, schließlich habe man 2017 mehr als 100 000 Einheiten verkauft. Allerdings rechnen die Deutschen Plug-in-Hybride, eine Brückentechnologie zwischen Verbrennungsmotor und E-Auto, mit ein.

2016 erhielt Wortmann die Verantwortung für die gesamte Marke – und ging wieder daran, Strukturen infrage zu stellen: „Eine Marke zu erneuern, hat immer auch etwas mit Brüchen zu tun.“ Sie stellte vor allem Datenanalysten ein, statt Marketinghaudegen. Seither arbeiten junge Talente mit gestandenen Führungskräften möglichst hierarchiefrei zusammen. Statt Funktionsdenke zu pflegen, sollen sie bei BMW jetzt flexibel nach verkaufsfördernden Events, nach Influencern oder Digitalformaten fahnden – und dank Datenauslese nachfassen, was wirklich beim Kunden ankommt.

So viel Erneuerung von einer selbstbewussten Frau – kein Wunder, dass Wortmann in der Zentrale auch aneckte. So mancher fragte spöttisch, ob die Marketingfrau bald auch die IT-Abteilung übernehmen wolle. Die Entscheidung, 2017 das US-Musikfestival Coachella, Treffpunkt der Indie-Szene, zu sponsern, kommunizierte sie im Konzern erst gar nicht groß. Lieber nachher um Vergebung bitten als vorher um Erlaubnis.

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