Sinnforschung Warum Arbeit sich sinnvoll anfühlen sollte

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„Sinn ist etwas, was Personen selbst wahrnehmen“

Warum ist es für Unternehmen wichtig, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnvoll erachten?
Unternehmen können ganz direkt davon profitieren. Es gibt ein Experiment, das diese Bedeutung schön verdeutlicht: Der US-Psychologe Adam Grant hat vor einigen Jahren eine Studie durchgeführt mit Angestellten eines Callcenters einer Universität, die Spenden von Alumni einzuwerben hatten. Grant teilte die Mitarbeiter in drei Gruppen ein: Die einen haben gearbeitet wie immer. Die zweite Gruppe bekam zwei (fingierte) Briefe, in denen ehemalige Mitarbeiter schrieben, sie habe der Job in der Karriere erheblich nach vorne gebracht. Die dritte Gruppe bekam zwei Dankes-Briefe, in denen die Schreiber davon berichteten, dass sie durch das eingeworbene Geld ein Stipendium bekamen, einen Studienabschluss machen konnten und nun einen tollen Job hatten und eine Familie ernähren konnten. Nach einem Monat wurden die Leistungen der drei Gruppen analysiert: Die dritte Gruppe hatte fast drei Mal so viele Spenden eingeworben wie die anderen beiden Gruppen, bei denen es keine ersichtliche Veränderung gab. Daraus lässt sich schließen: Wer sieht, dass die eigene Arbeit einen Nutzen für andere hat, der arbeitet besser und motivierter.

Jetzt hat aber natürlich nicht jeder Job diese soziale Komponente. Durch welche Aspekte lässt sich auch jeder andere Job so positiv sinnvoll empfinden?
Es gibt in jedem Unternehmen Dinge, auf die man stolz sein kann. Mich hat mal jemand gefragt: Was soll man da denn in der Schraubenfabrik annehmen – da ändert man ja mit seiner Arbeit nicht die Welt. Aber in der Schraubenfabrik stelle ich Material her, das dafür sorgt, dass andere Dinge richtig gut funktionieren. Die Schrauben können stabil und verlässlich, von guter Qualität sein. Darauf kann ein Mitarbeiter stolz sein. Und das lässt sich eigentlich auf jede Arbeit anwenden.

Können Manager in ihrer Rolle als Führungskraft Einfluss nehmen?
Können sie. Wichtig ist aber: Manager können der Arbeit ihrer Angestellten keinen Sinn geben. Denn Sinn ist etwas, was Personen selbst wahrnehmen. Entweder sehen sie aus ihrer Sicht einen Sinn in ihrem Tun – oder eben nicht. Manager können aber auf die Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen – und so das Sinnerleben fördern. Etwa durch eine authentische und transparente Unternehmensorientierung. Die Dinge, die vom Unternehmen nach außen dargestellt werden, sollten sich im Handeln wiederspiegeln. Ist das nicht der Fall, kann das zu Zynismus bei den Mitarbeitern führen. Eine ebenso große Rolle spielt die Wertschätzung. Den Mitarbeitern muss überzeugend klargemacht werden: Aus diesem und jenen Grund brauchen wir euch! Dazu sollten allerdings auch die Manager den Sinn dieser Tätigkeiten kennen und sehen.

Wenn ich nun in meinem Job keinen Sinn für mich sehe – sollte ich mir dann also einen anderen Job suchen?
Die Forschung zeigt: Wenn bei den vier Merkmalen des Sinnerlebens schon ein Punkt rausfällt, dann sinkt für den Einzelnen der Sinn einer Tätigkeit. Im Leben allgemein lässt sich das gut ausbalancieren: Verliert eine Sache ihren Sinn, entdecken wir häufig andere Dinge, die wir als sinnvoller empfinden. Im Berufsleben kann es hingegen sehr schnell zu einer Sinnkrise führen.

Was kann ich dann tun?
Wenn mir bewusst wird, dass meine Arbeit für mich den Sinn verloren hat, kann ich verschiedene Schritte gehen. Eine Auszeit zur Reflexion ist hier sehr hilfreich, um zu sehen, was an der Arbeit noch wertvoll für mich ist, und wodurch verhindert wird, dass ich sie als sinnvoll erlebe. Im Anschluss ist ein Gespräch mit dem Vorgesetzten wichtig, das Klärung oder positive Veränderung anstoßen kann. Wenn nicht, dann kann ich entweder hinnehmen, nur um des Geldes Willen zu arbeiten – oder ich gehe. Letztlich muss man sich bewusst machen, dass das Erleben von Sinnlosigkeit seelische Auswirkungen haben kann, wie wir es auch von Burnout kennen. Es kommt zu Resignation und kann letztlich zu innerer Kündigung und einer schmerzhaften Sinnkrise führen.

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