Am größten sei der Unglaube allerdings, wenn es um Budgets für Reisen, Weiterbildung oder Equipment gehe. Es gibt in der Gladbacher Straße 74 nämlich niemanden, der sagt: „Zu teuer“ oder der auch nur fragt: „Was kostet das denn?“.
So wird zum Beispiel von allen erwartet, dass sie zweimal im Jahr an einer Fortbildung teilnehmen. Wann, wo, zu welchem Preis, entscheidet aber der Mitarbeiter – und klebt ein Post-it mit den entsprechenden Daten und seinem Foto auf die Weiterbildungstafel im Erdgeschoss. Das ist gelebte Transparenz. Einer fliegt nach Kalifornien, um im Silicon Valley etwas über Lean Management zu lernen, ein anderer fährt zu einem SQL-Workshop nach Berlin, eine dritte nimmt an einem HR-Hackathon in Wien teil.
Bei Besuchern sorgt dieses den Mitarbeitern entgegengebrachte Vertrauen für große Überraschung, erzählt Mois. „Aber genauso, wie die Leute zuhause vernünftige Entscheidungen treffen können, wie viel sie für ihren Urlaub ausgeben wollen und wie viel ein Flug und ein Hotel kosten sollte, können sie das auch im Büro.“ Dass jemand diese Freiheit missbraucht habe, sei noch nie vorgekommen. „Es hat noch niemand „Strickkurs in der Karibik“ auf die Tafel geschrieben.“
Ob sich ein derartiges Vertrauen in die Mitarbeiter irgendwann überall durchsetzen könnte, ist schwer zu sagen, aber möglich. „Genauso hieß es beim Thema Vertrauensarbeitszeit doch noch vor zehn, 15 Jahren: Jetzt kommt die Personalabteilung wieder mit so einem Quatsch. Man muss die Leute doch kontrollieren“, so Lanius.
Auch bei Sipgate gab es nicht den Tag x, an dem die Budgets verschwanden. Die Reise begann mit der Entscheidung, dass Mitarbeiter sich ohne Erlaubnis ein Fachbuch bestellen dürfen. Im Vergleich zum heutigen Stand klingt das lächerlich, doch selbst diese Freiheit sei für viele seiner Besucher unvorstellbar, erzählt Mois. Und das war es in seinem Unternehmen schließlich auch einmal. Rückblickend völliger Quatsch, findet Mois. „Wieso soll ich meine Zeit und die Zeit hochbezahlter Fachkräfte damit verplempern zu entscheiden, ob sie ein Buch für 20 Euro bestellen dürfen?“
Genau richtig, findet Lanius. Wenn ein Mitarbeiter Arbeitsmaterialien braucht, um seinen Job zu machen, sollte er nicht mehrere Wochen auf irgendwelche Formulare, Anträge und Unterschriften vom Teamleiter, der Personalabteilung und der Buchhaltung warten müssen. „Führungskräfte, die alles kontrollieren müssen, werden zum Flaschenhals. Da mutiert der Chef in bester Absicht zum Bremser“, sagt sie. Auch das Kontrollieren sämtlicher Mails, Präsentationen und Verträge durch den Chef mache die Arbeit in der Regel nicht besser, sondern dauere einfach nur. „Mit sowas macht man sich beim Kunden keine Freunde“, sagt sie.
Natürlich könnten Fehler passieren, wenn sich niemand zum Kontrolleur aufschwingt. Aber Fehler passieren immer, auch mit kontrollwütigem Chef. Lanius: „In einem vertrauensvollen Umfeld erfährt der Chef von Pannen, bevor es völlig eskaliert. Dann kommt nämlich der Mitarbeiter und sag: Ich habe da Mist gebaut. Wie kriegen wir jetzt die Kuh vom Eis?“
Die unterschiedlichen Typen eines Teams
Er übernimmt gerne die Vorbildfunktion, hält das Team zusammen und spornt die anderen an. Außerdem spricht er Bedenken an und präsentiert Lösungen für Probleme. Um ihn zu motivieren, kann der Chef ihm zusätzliche Verantwortung übertragen – sowohl hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen als auch beim Führen der restlichen Mannschaft. Sich immer wieder neu zu beweisen, ist seine zentrale Motivation.
Er kann ständig Höchstleistungen abrufen, liebt Herausforderungen und reagiert schnell auf neue Anforderungen – auch unter Druck. Der Top-Performer erwartet regelmäßige Belohnungen für Erfolge. Diese können sowohl materieller Natur sein, aber auch Lob und Aufstiegschancen motivieren ihn.
Er ist neutral und fair gegenüber allen Beteiligten, egal ob Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Er hat die Gabe Emotionen und Fakten zu trennen. Dieser Typ fühlt sich besonders in Abteilungen beziehungsweise Betrieben wohl, die ihr Handeln an Unternehmenswerten ausrichten. Auch ihn motiviert eine gewisse Entscheidungsfreiheit, allerdings braucht er Richtlinien, an denen er sich orientieren kann.
Er ist ein langjähriger Mitarbeiter, auf dessen Leistung man sich verlassen kann. Außerdem teilt er sein Wissen gerne, bringt so das gesamte Team voran. Auch der Profi will durch neue Aufgaben gefordert und gefördert werden. Motivieren Sie ihn, in dem Sie ihn als Mentor für neue Mitarbeiter oder Verbindungsmann zwischen verschiedenen Abteilungen einsetzen. Das zeigt, wie sehr Sie seine Erfahrung schätzen.
Die meisten Neuen wollen schnell lernen und sich im Team einfügen. Sie bringen neue Ideen und wertvolles Wissen mit. Mit einem Einarbeitungsplan könnte der Vorgesetzte den Neuankömmling motivieren. Seine Rolle sollte darin ebenso geklärt werden, wie die übergeordneten Geschäftsziele. Regelmäßiges Feedback sind besonders für die Neuen wichtig.
Eine weiterer Bereich, bei dem Mois die Verantwortung an seine Mitarbeiter abgibt, ist dass die Teams die Einstellungen und Entlassungen der Kollegen übernehmen. „Es ist für mich undenkbar, dass ich nach einem Telefonat und einem Treffen einen Entwickler einstelle und dann seinem Team sage: Das ist übrigens euer neuer Kollege“, sagt Mois.
Sobald das Personal-Team eine grobe Vorauswahl getroffen hat, ist es Sache seiner potentiellen neuen Kollegen, ihn einzuladen, sich mit ihm zu treffen und herauszufinden, ob die Chemie stimmt.
Und wer schon einmal jemanden entlassen musste, der achte ab diesem Zeitpunkt beim Einstellungsprozess deutlich mehr auf Details, wie Mois sagt. „So etwas will niemand zweimal machen müssen. Da wird einem die eigene Verantwortung deutlich besser bewusst.“ Und um die geht es bei allen Agilitätsmodellen – sei es nun Scrum, Kanda, Design Thinking, Holakratie oder sonst etwas. Denn im Vordergrund steht immer das Produkt, an dem verschiedene Menschen auf ihre Weise arbeiten, ohne dass jemand mit Stoppuhr und Peitsche hinter ihnen steht.