Dass Führungskräfte "immer häufiger [...] keine Lösung haben" ist soweit auch zugestanden. Hier betont Frau Liebermeister zum ersten Mal selbst, worauf es ankommt und ankommen wird: Dass Führungskräfte "vielmehr mit ihren Mitarbeitern" zusammenarbeiten müssen. Denn erst darüber werden die notwendigen Führungsqualitäten überhaupt sichtbar. Und zwar bei allen daran Beteiligten, nicht nur speziellen dafür hierarchisch ausgewählten oder aufgrund von Machtstrukturen vorgesetzten Vorgesetzten.
Tugenden müssen Marken werden, nicht Führungskräfte
Da es also mit „Befehl- und Gehorsam“ und mit „Besser-Wissen“ nicht mehr klappt, schlägt die Autorin den Chefs vor, „Persönlichkeitsmarken“ zu werden. Etwas altmodisch könnte man dazu vielleicht auch „Vorbild“ sagen. Kein schlechter Gedanke, wenn man sich beispielsweise an das sehr gelungene Jahresrückblick Video in der Daimler Kantine von Herrn Dr. Zetsche erinnert. Ich frage mich nur, was passiert – und Beispiele dafür gibt es genug – wenn diese Persönlichkeiten das Unternehmen verlassen und ein anderer Geist Einzug hält.
Im Bereich der Politik erleben wir das ja gerade auf besonders drastische Weise. Ich schlage deshalb vor, dass die Tugenden, die ein Unternehmen ausmachen und wofür es einsteht, in den Mittelpunkt gestellt und zu Marke ausgebildet werden, an der sich alle Beschäftigen sowie das Umfeld orientieren können.
Die Beschäftigten müssen für Werte stehen
Eines der größten Missverständnisse überhaupt in der Organisationsentwicklung ist, dass Werte etwas sind, was man vermitteln kann, indem man diese vom Management festlegt und dann über Führungskräfte an die Beschäftigten weitergibt. Das funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter, die diese neuen Werte leben sollen, von Anfang an einbezogen werden. Mit anderen Worten: erst wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst diese Werte entwickeln, werden sie für alle auch handlungsleitend. Hierzu bedarf keiner Führungskräfte, wohl aber robuster Führungsprozesse, damit sowohl die Diskussionen geführt, als auch die Vereinbarungen eingehalten werden.
Das ist in meinen Augen das eigentliche Erfolgsgeheimnis all der agilen Konzepte und Überlegungen der New Work Bewegung: Dass Führung endlich entpersonalisiert wird und seinen Platz in der Organisationsstruktur als digitales Werkzeug bekommt. Ein Werkzeug, das allen Beschäftigten zur Verfügung steht. Denn Führung ist eine temporäre Aufgabe, die von den davon Betroffenen organisiert wird. Was wiederum nur dann funktionieren wird, wenn eine dazu passende Unternehmenskultur alle zum Gebrauch dieses Werkzeugs ermächtigt.