Von wegen Vorbild Gute Führung hat nichts mit dem Chef zu tun

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Führung muss entpersonalisiert werden

Dass Führungskräfte "immer häufiger [...] keine Lösung haben" ist soweit auch zugestanden. Hier betont Frau Liebermeister zum ersten Mal selbst, worauf es ankommt und ankommen wird: Dass Führungskräfte "vielmehr mit ihren Mitarbeitern" zusammenarbeiten müssen. Denn erst darüber werden die notwendigen Führungsqualitäten überhaupt sichtbar. Und zwar bei allen daran Beteiligten, nicht nur speziellen dafür hierarchisch ausgewählten oder aufgrund von Machtstrukturen vorgesetzten Vorgesetzten.

Tugenden müssen Marken werden, nicht Führungskräfte

Da es also mit „Befehl- und Gehorsam“ und mit „Besser-Wissen“ nicht mehr klappt, schlägt die Autorin den Chefs vor, „Persönlichkeitsmarken“ zu werden. Etwas altmodisch könnte man dazu vielleicht auch „Vorbild“ sagen. Kein schlechter Gedanke, wenn man sich beispielsweise an das sehr gelungene Jahresrückblick Video in der Daimler Kantine von Herrn Dr. Zetsche erinnert. Ich frage mich nur, was passiert – und Beispiele dafür gibt es genug – wenn diese Persönlichkeiten das Unternehmen verlassen und ein anderer Geist Einzug hält.

Im Bereich der Politik erleben wir das ja gerade auf besonders drastische Weise. Ich schlage deshalb vor, dass die Tugenden, die ein Unternehmen ausmachen und wofür es einsteht, in den Mittelpunkt gestellt und zu Marke ausgebildet werden, an der sich alle Beschäftigen sowie das Umfeld orientieren können.

Die Beschäftigten müssen für Werte stehen

Eines der größten Missverständnisse überhaupt in der Organisationsentwicklung ist, dass Werte etwas sind, was man vermitteln kann, indem man diese vom Management festlegt und dann über Führungskräfte an die Beschäftigten weitergibt. Das funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter, die diese neuen Werte leben sollen, von Anfang an einbezogen werden. Mit anderen Worten: erst wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst diese Werte entwickeln, werden sie für alle auch handlungsleitend. Hierzu bedarf keiner Führungskräfte, wohl aber robuster Führungsprozesse, damit sowohl die Diskussionen geführt, als auch die Vereinbarungen eingehalten werden.

So wird Ihr Unternehmen agil
Von der Natur lernenWie führen Manager ihre Teams und Unternehmen, wie behalten sie den Überblick? Die Experten Guillaume Alvarez von Steelcase, Wilhelm Bauer vom Fraunhofer IAO und Iñaki Lozano Ehlers, Gründer und Geschäftsführer von BICG haben für die Unternehmensführung und –kultur von Morgen acht Ansätze entwickelt. Der erste besagt: Die zunehmende Komplexität wird beherrschbar, wenn Projekte und Teams als adaptive Strukturen aufgebaut sind. Lassen Sie sich dazu von der Natur inspirieren, beispielsweise von Regenwäldern oder Ameisenkolonien: Systeme wie diese bestehen aus wechselseitig eng miteinander verknüpften Teilen, wodurch sie sich extrem schnell verändern und anpassen können. Quelle: dpa
Es geht um mehr als GeldUm ein Unternehmen zum Erfolg zu führen, müssen sich alle Anstrengungen auf das Wesentliche konzentrieren: den eigentlichen Zweck eines Unternehmens. Wer nur den Profit vor Augen hat, wird eventuell kurzfristig damit erfolgreich sein – langfristig ergeben sich daraus jedoch Probleme, zum Beispiel unzufriedene Mitarbeiter oder Qualitätseinbußen. Quelle: dpa
Vertrauen schenkenStatt selbst Entscheidungen zu treffen, gilt es, Mitarbeiter zu eigenem Denken und Handeln zu befähigen. Schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich Mitarbeiter wohlfühlen und ihr Potenzial entfalten können. Quelle: Fotolia
Wände einreißenHierarchische Strukturen und repräsentative Einzelbüros sind nicht länger zeitgemäß, sondern müssen abgelöst werden von teamorientierten Flächen. Räume, in denen Sie als Führungskraft Teil des Teams und jederzeit greifbar sind, implizieren Offenheit, Transparenz und dadurch zufriedenere Mitarbeiter. Quelle: Fotolia
Wandlungsfähig bleibenPassen Sie sich an die Veränderungen unserer Arbeitswelt an, anstatt sie auszusitzen. Wer Themen wie Digitalisierung verschläft, bleibt nicht am Puls der Zeit, sondern verschließt sich neuen Chancen und Innovationen. Quelle: Fotolia
Fehler positiv sehenRückschläge sind die ideale Möglichkeit, um Dinge zu verbessern und neue Lösungen zu finden. Nehmen Sie sich Design-Thinking-Methoden zum Vorbild und geben Sie Ihren Mitarbeitern die Chance, bisherige Herangehensweisen aus einem neuen Blickwinkel zu überdenken und daraus zu lernen. Quelle: Fotolia
Unternehmenskultur fördernBesprechen Sie Normen und Werte, aber auch Ziele und Visionen des Unternehmens mit Ihrem Team. Die Transparenz beseitigt Missverständnisse und führt schließlich zu mehr Erfolg, da alle an demselben Strang ziehen. Quelle: Fotolia

Das ist in meinen Augen das eigentliche Erfolgsgeheimnis all der agilen Konzepte und Überlegungen der New Work Bewegung: Dass Führung endlich entpersonalisiert wird und seinen Platz in der Organisationsstruktur als digitales Werkzeug bekommt. Ein Werkzeug, das allen Beschäftigten zur Verfügung steht. Denn Führung ist eine temporäre Aufgabe, die von den davon Betroffenen organisiert wird. Was wiederum nur dann funktionieren wird, wenn eine dazu passende Unternehmenskultur alle zum Gebrauch dieses Werkzeugs ermächtigt.

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