Beschwerdemanagement Meckernde Kunden sind eine Schatztruhe für Unternehmen

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Tippen, Klicken, Meckern

In vielen Branchen beschweren sich nur vier Prozent aller unzufriedenen Kunden. Die restlichen 96 Prozent behalten ihren Unmut für sich. Aber: „Aus solchen Erfahrungen ziehen Kunden Konsequenzen“, sagt Bernd Stauss. „Sie kündigen innerlich und wählen beim nächsten Kauf ein Konkurrenzangebot.“

Rund 86 Prozent der Kunden beenden laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Harris Interactive ihre Geschäftsbeziehung nach einer negativen Erfahrung. „Vielen Kunden ist der Aufwand zu hoch, sie haben keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, weil das mit Frust und Stress verbunden ist“, sagt Experte Stauss. „Der Kunde muss erkennen, dass Meckern erwünscht ist.“ Doch wie können Unternehmen das signalisieren? Zum Beispiel, indem sie es den Kunden besonders einfach machen, sich zu beschweren.

Wie etwa Tammo Kayser. Der Chef der Freese Gruppe, eines BMW-Händlers aus Norddeutschland, hat in jedem Eingangsbereich seiner fünf Filialen einen zwei Meter hohen Banner aufstellen lassen. Die Aufschrift: Zufrieden? Lob und Kritik direkt ans Management. Darunter ein QR-Code. Neben den Bannern steht in jeder Filiale noch ein iPad auf einem Sockel. Nach nur wenigen Klicks ist die Meckerpost abgeschickt. Und die landet bei Tammo Kayser. Der Autohändler nutzt die Software namens iFeedback schon seit drei Jahren. „Es sind die vielen kleinen Dinge, die für den Kunden den Unterschied zum Wettbewerb ausmachen“, sagt er.

Und die fallen nicht immer so aus, wie man sie erwarten könnte: So erreichten Kayser die meisten Beschwerden über durchgessene Sessel in der Kundenecke. Ein Thema, das er gar nicht auf dem Zettel hatte – welcher Chef setzt sich schon in den eigenen Wartebereich?

Entwickelt haben das mobile Beschwerde-Terminal nebst App Alexander Bauer und sein Geschäftspartner Stefan Muth. Die Idee zu iFeedback kam ihnen, als die beiden noch als Unternehmensberater bei der Telekom-Tochter Detecon arbeiteten. 2010 gründeten sie ihre Firma BHM als Spin-off des Kommunikationskonzerns.

Beschwerden in Echtzeit

Mittlerweile nutzen bekannte Unternehmen wie Rewe, Metro und der Hamburger SV ihre Terminals, QR-Codes und Apps. Die Supermarktleiter oder Clubbetreiber bekommen die Beschwerden ihrer Kunden in Echtzeit auf das Smartphone geschickt. Eine große Chance: Sie können sofort reagieren – entweder indem sie die Mängel beseitigen oder den unzufriedenen Kunden noch vor Ort besänftigen. „Es gibt nichts Besseres, als die ganze Zeit zu wissen, was meine Käufer denken“, sagt Bauer.

So geschehen in einer niederländischen Dependance der Großhandelskette Metro. Vor dem Eingang steht eines der iFeedback-Terminals, dort tippte sich ein Käufer nach seinem Einkauf den Ärger von der Seele. Der Marktleiter bekam die Nachricht zugeschickt und holte ihn noch auf dem Parkplatz ein – so konnte er sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und den verärgerten Kunden sogar wieder zurück in den Laden locken.

Bequeme Kissen statt Bäder

Solche Geschichten hört Bauer oft von seinen Kunden. So wollte ein Hotelbesitzer aus Österreich 800.000 Euro in neue Bäder investieren. Doch sein Direktor stellte anhand der Rückmeldungen der Gäste fest, dass sich kein einziger Gast an den Bädern gestört hatte. Die meisten ärgerten sich über unbequeme Kopfkissen. Daraufhin verzichtete der Hotelier auf den langwierigen Umbau und investierte stattdessen in neue Bettwäsche.

„Je offensiver ein Unternehmen mit dem Thema umgeht, desto erfolgreicher ist es“, sagt Bauer. Das bestätigt auch eine Studie der Universität von Maryland: Die Forscher stellten fest, dass ein Serviceversprechen, wie zum Beispiel die 15-Minuten-Garantie von Ibis, einen positiven Effekt auf den Börsenwert hat.

Doch der Gast von Zimmer 623 möchte nach einem langen, stressigen Tag einfach nur fernsehen. Und das kann er genau zehn Minuten nach seinem Anruf an der Rezeption auch – Versprechen eingehalten. Beim Check-out am nächsten Morgen fragt ihn Jessica Celik, ob er zufrieden war. Die Antwort überträgt sie später in ihre Beschwerdetabelle: einen Smiley.

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