Präsenz, Offenheit, Integrität, Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis, Teamfähigkeit: Lässt sich sowas aber überhaupt lernen? „Man wächst an jeder Herausforderung!“, sagt Helga Breuninger, die aus der Kaufhaus-Dynastie Breuninger stammt und von Neumann befragt wurde. Und sie resümiert: „Mit emotionaler Kompetenz hält eine Führungskraft eine kraftvolle Waffe in den Händen.“
Da ein guter Chef allerdings in den seltensten Fällen wirklich vom Himmel fällt, muss er sich noch entwickeln. Neumann setzt an der Stelle auf das Thema Mentoring, das seiner Meinung nach total unterschätzt wird, wenn es darum geht, nicht völlig auf sich alleine gestellt zu sein.
Führungskräfteseminare würden dagegen nur bedingt helfen: „Zwar lernen die Teilnehmer hier das Handwerkszeug für die wichtigsten Führungsaufgaben, alles in allem bleibt es jedoch bei Trockenübungen“, so der Experte.
Frische Chefs: Die zehn häufigsten Anfängerfehler
Manche Führungskräfte wollen von Anfang an zeigen, dass sie der neuen Herausforderung gewachsen sind. Voll Eifer machen sie sich ans Werk. Sie lassen keinen Stein auf dem anderen und verändern alles - Strukturen, Abläufe, Prozesse. Dabei versäumen sie, ihren Bereich richtig kennenzulernen - und nicht selten endet ihr Aktionismus im Chaos.
Manche Führungskräfte glauben, aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren - und das, ohne ihr neues Arbeitsumfeld wirklich zu kennen. Sie gehen damit ein hohes Risiko ein, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, ohne über solide Informationen zu verfügen. Solche Schnellschüsse können große Probleme verursachen.
Manche Führungskräfte versäumen, ihr Vorgehen mit ihren Vorgesetzen abzustimmen, und stellen ihr Umfeld vor vollendete Tatsachen. Das verärgert die Vorgesetzten und demotiviert die Mitarbeiter. Im Alleingang getroffene Entscheidungen sind oft wie ein Bumerang: Sie kommen zurück.
Manche Führungskräfte entwickeln in den ersten Gesprächen mit ihren Mitarbeitern viele neue Ideen, die sie ihren Vorgesetzten jedoch als eigene Gedanken präsentieren. Sie schmücken sich mit fremden Federn - was auf die betroffenen Mitarbeiter extrem frustrierend wirkt.
Manche Führungskräfte zaudern. Sie vermeiden Entscheidungen oder schieben sie vor sich her. Weil sie Risiken scheuen, lassen sie endlose Diskussionen zu und erreichen damit, dass immer wieder zu spät entschieden wird. Getreu dem Motto: „Die Zeit heilt alle Wunden“ sitzen sie Probleme aus - bis es zu spät ist.
Manche Führungskräfte versäumen, ihre Kräfte und Aktivitäten zu fokussieren. Sie agieren an allen Ecken und Enden, initiieren immer neue Maßnahmen. Dabei verzetteln sie sich. Überall offene Baustellen! Die daraus resultierenden Probleme bereiten sich wie ein Flächenbrand aus.
Manche Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter im Stich, weil sie nie anwesend sind. Sie verbringen ihre Zeit lieber in Führungsgremien oder auf Kundenterminen, anstatt sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Wer als Vorgesetzter seine Mitarbeiter jedoch mit schwierigen Fragen alleine lässt, darf sich nicht wundern, wenn ihm seine besten Leute abhanden kommen.
Manche Führungskräfte schaffen den Rollenwechsel nicht und bleiben in ihrem Innersten eine Fachkraft. Sie widmen sich komplexen Sachaufgaben, anstatt sich um die übergeordneten Zusammenhänge zu kümmern. Als Führungkraft verstagen sie.
Manche Führungskräfte wollen es sich mit ihren Mitarbeitern keinesfalls verscherzen. Sie versuchen, sich mit Zuwendungen und Gefälligkeiten bei ihnen beliebt zu machen. Anstatt sie zu führen, gehen sie auf „Kuscheltour“ mit ihnen - und gerieren sich nach außen immer nur als deren Interessenvertreter.
Manche Führungskräfte treten autoritär auf, um sich als Herrscher ihres kleinen Reichs zu etablieren. Häufig steht dahinter die Angst, bei den Mitarbeitern als weich und führungsschwach zu wirken. Wer jedoch als Chef den autoritären Sonnenkönig spielt, darf sich nicht wundern, wenn es bald einsam um ihn wird.
Bitte, und das betont Neumann mehrfach, auf gar keinen Fall die Youngster im kalten Wasser zappeln lassen – getreu dem Motto: „Der ist ein guter Mann, der macht das schon...“ Einfach reinwerfen ist dagegen erlaubt. Neumann: „Nur wer sich mit echten Führungsaufgaben herumschlägt, erkennt seine Stärken und Schwächen – und kann sich entsprechend weiterentwickeln. Erst dann merkt er zum Beispiel, dass er dazu neigt, sich vor jeder Entscheidung mehrfach abzusichern, bevor er sich zu einem Ja oder Nein durchringt. Oder dass er sich scheut, mit einem Mitarbeiter Klartext zu reden, wenn dieser die geforderte Leistung nicht erbringt.“
Machen Sie sich in Ruhe einen Schlachtplan
Fakt ist: Wer eine Führungsposition antritt, betritt Neuland – immer auch mit der Gefahr des Scheiterns. Ob es nun ein Mentor, ein Coach oder ein erfahrener Kollege aus der eigenen Firma ist: Es dürfte zweifelsohne hilfreich sein, wenn ein frisch gebackener Chef einen Begleiter hat, der ihm zu Seite gestellt wird, der fragwürdige Verhaltensweise thematisiert und als erfahrener Ratgeber dabei hilft, die neuen Herausforderungen zu meistern. Denn auch ein High Potential braucht Zeit und Anleitung, um in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen.
Aber Vorsicht, das heißt nicht, dass Sie sich die zehn schlimmsten Anfängerfehler erlauben sollten, um die es unter (vielem) anderen in Mario Neumanns Buch auch geht. Fehler, die einem frischen Chef ziemlich leicht die Position kosten können. Beispiel gefällig?
Wer von Anfang an zeigen will, dass er der neuen Herausforderung gewachsen ist, sich voller Eifer ans Werk macht, keinen Stein auf dem anderen lässt alles verändert, versäumt es, seinen Bereich richtig kennenzulernen – und nicht selten endet der Aktionismus im Chaos. Auch Schnellschüsse, weil man glaubt aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren, können große Probleme verursachen. Genauso sollten Sie sich nicht wundern, wenn es um Sie einsam wird, weil Sie als Chef den autoritären Sonnenkönig spielen. Und so weiter. Und so fort.
Die Liste der für die Karriere toxischen Fehler ist sehr lang und macht an dieser Stelle nochmal deutlich, wie wichtig eine sorgfältige Bestandsaufnahme ist, bevor Sie unterschreiben, die Stelle antreten und sich dann in Ruhe einen Schlachtplan machen, nach dem Sie Ihre neue Abteilung in den Griff bekommen und führen.
Und noch etwas ist wichtig: Erfolg in einer neuen Führungsposition erfordert auch Durchhaltevermögen. „Richten Sie sich stattdessen auf einen Langstreckenlauf ein“, rät Mario Neumann. „Und mäßigen Sie dementsprechend Ihr anfängliches Tempo.“