Aixtron-Chef Felix Grawert „Unser rasantes Wachstum hat mit Chipmangel nichts zu tun“

Aixtron-Chef Felix Grawert Quelle: PR

Vor fünf Jahren wäre Aixtron fast nach China verkauft worden. Heute gehört der Konzern zu den Technologieführern der Halbleiterindustrie – dank einer visionären Neuausrichtung.

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Einmal im Jahr zeichnet die WirtschaftsWoche zusammen mit KPMG besonders prägende Manager als Entscheidungsmacher des Jahres aus. Felix Grawert ist 2021 in der Kategorie „Technologie“ nominiert.

„Jetzt geht die Saat auf“, sagt Felix Grawert, Vorstandschef bei Aixtron. Die Hightech-Fabrik aus Herzogenrath bei Aachen rüstet Chiphersteller mit Anlagen für die Beschichtung von Wafern aus und erwartet in diesem Jahr einen Umsatzsprung von rund 270 Millionen auf über 400 Millionen Euro, einen Anstieg der Gewinnmarge von 13 auf über 20 Prozent und nahezu eine Verdopplung des Auftragseingangs. Der Aktienkurs hat sich zeitweise verdreifacht.

Dabei profitiert Aixtron weniger vom Bau dringend benötigter Fabriken für Siliziumchips als vom strategischen Wechsel zu den neuartigen Materialien Galliumnitrid und Siliciumcarbid. Durch darauf basierende Halbleiterbauelemente wird die Aixtron-Technologie wichtig für den Ausbau schnellerer Mobilfunknetze, für Stromversorgung grüner IT mit geringem CO2-Ausstoß sowie für E-Fahrzeuge mit höherer Reichweite und ebenso für eine neue Display-Generation, die trotz mehr Helligkeit und höherer Leistung 90 Prozent weniger Energie verbraucht.

Grawert hat entschlossen umgesteuert. Obwohl der Aixtron-Umsatz zwischen 2018 und 2020 stagnierte, stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) von 52 auf 58 Millionen Euro. Der Anteil der F&E-Mitarbeiter macht ein Drittel der Gesamtbelegschaft aus, die von gut 600 auf mehr als 700 Köpfe anwuchs.

In der Technologieentwicklung fokussiert sich Aixtron heute eindeutig auf die Weiterentwicklung von Anlagen für die metallorganische chemische Gasphasenabscheidung, im Fachjargon: MOCVD. 79 Prozent der F&E-Ausgaben fließen heute in diesen Bereich. Vor drei Jahren betrug der MOCVD-Anteil an den Forschungs- und Entwicklungsaufgaben noch 55 Prozent. Auf diesem Beschichtungsverfahren basiert das Wachstum kristalliner Strukturen für diverse Verbindungshalbleiterbauelemente, etwa für Laser, die die ultraschnelle Datenübertragung in Glasfasernetzwerken ermöglichen, für Mikro-LEDs, die die Brillanz von Displays etwa in Bahnhöfen erhöhen, für Spezial-LEDs, die unter anderem in Luftentkeimungsgeräten eingesetzt werden oder für Transistoren aus der Leistungselektronik, deren Effizienz für die E-Mobilität und ihre Infrastruktur wichtig ist. 

Entsprechend hat Grawert die F&E-Aufwendungen für Entwicklung neuer Displays auf Basis der OLED-Technologie „auf Eis gelegt“. Grawert: „Der Markt insbesondere für Displays setzt inzwischen mehr auf Mikro-LED statt OLED.“ Damit waren harte Entscheidungen verbunden. Über 60 Millionen Euro hatte Aixtron über Jahre in die OLED-Entwicklung in einem Projekt mit einem südkoreanischen Geschäftspartner gesteckt. Nun hat Grawert es vorläufig gestoppt. 40 hoch qualifizierten Mitarbeitern mit OLED-Know-how hat Aixtron deshalb in diesem Jahr betriebsbedingt gekündigt.

Lieber die Reißleine zu ziehen als zu zögern, diese Lehre konnte Grawert aus der Aixtron-Geschichte ziehen. Nur politische Intervention hatte 2016 verhindert, dass die Hightech-Schmiede wie zuvor der Augsburger Industrieroboter-Hersteller Kuka von einem chinesischen Konzern übernommen wurde. Schuld an der damals schwierigen Lage, die einen Verkauf überhaupt erst zur Option gemacht hatte, waren zu hohe Anlaufkosten, die entstanden waren, als das Aixtron-Management damals in neue Märkte diversifizieren und expandieren wollte. Das Geld dafür boten die Chinesen. Das politische Scheitern der Übernahme erschien zunächst als Worst-case. Aixtron-Urgestein Bernd Schulte, der die Übernahme mit ausgehandelt hatte, und der 2017 als Co-Vorstandschef gekommene Grawert mussten eine völlig neue Strategie entwickeln, die ohne chinesisches Geld auskam. Aber genau das gelang und erhielt Aixtron die Selbständigkeit.

In der ungleichen Doppelspitze erwies sich der gebürtige Kieler Grawert als loyaler Teamplayer und kluger Stratege. Der studierte Elektrotechniker mit Doktortitel des Massachusetts Institute of Technology (MIT) war zuvor acht Jahre bei McKinsey und fünf Jahre bei Infineon. Bei Aixtron stieg er zum CEO auf und ist nun, seit sich Schulte im April dieses Jahres planmäßig in den Ruhestand verabschiedete, alleiniger Vorstandschef. Unterstützt wird er von Chief Operating Officer Jochen Linck und Finanzchef Christian Danninger, die im Oktober 2020 und im Mai dieses Jahres zu Aixtron wechselten.

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Das Männer-Trio muss einstweilen nicht mehr umsteuern, sondern vor allem Kurs halten. Verkaufte Aixtron bisher rund 100 Anlagen im Jahr, können es 2021 doppelt so viele werden, schätzt Grawert – und jede davon kostet bis zu vier Millionen Euro. Grawert sieht für sein Unternehmen gute Jahre voraus: „Unsere intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die Anlagen der nächsten Generation ermöglichen es uns, kräftigen Rückenwind durch das hohe zweistellige Wachstum in unseren Märkten zu nutzen und auf unserem Wachstumskurs zu bleiben.“ 

Am 18. November wird der Entscheidungsmacher im Rahmen eines exklusiven Dinners in Frankfurt gekürt. Mehr über diese Veranstaltung und auch die Anmeldung finden Sie hier: https://anmeldung.me/enma/

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