Altersdiskriminierung im Job? „Ältere Mitarbeiter agieren besonders loyal“

Im Ringen um Fachkräfte bemüht sich der Baumaschinenhersteller Wacker Neuson explizit um ältere Bewerber. Quelle: Presse

Im Ringen um Fachkräfte bemüht sich der Baumaschinenhersteller Wacker Neuson explizit um ältere Bewerber. Der Personalleiter Jens Hauke Wellhöner verrät, welche Rolle die Konkurrenz aus der Autoindustrie und die Kunden dabei spielen.

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WirtschaftsWoche: Herr Wellhöner, was hat sie darauf gebracht, sich im Kampf um die Fachkräfte ausgerechnet auf Ältere zu setzen?
Jens Hauke Wellhöner: Die Verknappung an ausgebildeten Arbeitskräften durch den demografischen Wandel ist absolut spürbar – und sie wird in Deutschland zum Wettbewerbsnachteil. Dass die Politik den Mitarbeitern erlaubt mit Vorruhestandsmodellen immer früher in Rente zu gehen, macht die Sache nicht einfacher. Diesen Trend würden wir gerne umdrehen. Denn die Kompetenzen dieser Mitarbeiter fehlen uns.

Würden Sie sagen, Unternehmen aus ländlichen, strukturschwachen Regionen legen sich daher noch mehr für ältere Mitarbeiter ins Zeug?
Ich würde das nicht auf ländliche Regionen beschränken, sondern dort verorten, wo die Konkurrenz groß ist. Bei unserem Werk in Reichertshofen sitzt Audi quasi direkt gegenüber, in München ist es BMW, in Korbach ist es Continental. Als Mittelständler müssen wir daher andere Ressourcen nutzen und clever agieren. Denn junge Ingenieurinnen und Ingenieure bewerben sich häufiger bei BMW & Co., da sie vom Image angezogen werden. Im Kampf um Fachkräfte und Kompetenzen haben Mittelständler wie wir den Vorteil, als Familienunternehmen schnell und persönlich handeln zu können. Gerade ältere Mitarbeiter bauen gerne verlässliche Netzwerke im Unternehmen auf, da sie weniger wechselwillig sind und die Stelle auf Dauer ausfüllen möchten.

Sind die älteren Mitarbeiter nicht körperlich eingeschränkter im Vergleich zu den jüngeren Kollegen?
Die heutigen über 50-Jährigen kann man nicht mit denen von vor 20 Jahren vergleichen. Damals hatten die meisten mit 40, 45 Jahren den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht. Das ist heute völlig anders. Die körperliche Leistungsfähigkeit lässt sich nicht so einfach generalisieren, diese Altersgruppe ist meiner Erfahrung nach in den allermeisten Fällen körperlich und geistig fit, motiviert und voller Tatendrang.

Wacker-Neuson-Personalleiter Jens Hauke Wellhöner. Quelle: Presse

Wie ist es mit den Vorurteilen, dass ältere Mitarbeiter weniger lernfähig und häufiger krank sind? Ist da etwas Wahres dran?
Bei Wacker Neuson haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Alter von über 50 Jahren in keiner Weise mehr Krankheitstage als die Jüngeren. Auch nehmen sie erfolgreich an diversen Weiterbildungen teil, die wir intern anbieten. Das Thema Alter ist dabei völlig in den Hintergrund getreten.

Tatsächlich? Obwohl ein Teil dieser Mitarbeiter mehr Jahre in der körperlich anstrengenden Produktion gearbeitet haben.
Ja, regelmäßige Mitarbeiterumfragen bestätigen uns das. Zur demografischen Einordung fragen wir auch das Alter ab und erhalten so das Feedback, dass auch ältere Kollegen sich wohl fühlen, selbst in gewerblichen Berufen. Durch unsere ergonomischen Arbeitsplätze, durch moderne Produktionsmethoden wie den vermehrten Einsatz von Robotertechnik sind körperliche Unterschiede nicht mehr so relevant wie vor 20 Jahren. Dadurch sind die Mitarbeiter nach 30, 40 Arbeitsjahren auch nicht mehr körperlich ausgebrannt.

Also gibt es nichts rein gar nichts zu bemängeln?
Was schon noch ein Thema ist, ist die Schichtarbeit. Jemand, der 30 Jahre lang in der Schichtarbeit tätig war, ist anders körperlich belastet. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen und kompensieren das durch verschiedene Arbeitszeitmodelle.

Wie habe ich mir das vorzustellen?
Wir bieten unseren Mitarbeitern verschiedene Arbeitszeitmodelle an, sie können beispielsweise eine Kernarbeitszeit angeben oder Wochenendarbeit ausschließen. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Wacker Neuson Group als Arbeitgeber auf die Lebensphasen der Mitarbeiter eingeht und die jeweils passenden Pakete aus Arbeitsinhalt, Arbeitszeit und Vergütung schnürt. Schließlich befinden wir uns trotz der Corona-Pandemie in einem Arbeitnehmermarkt. Wir stehen in einem harten Wettbewerb um Arbeitskräfte und suchen nicht nur die jungen Talente von den Universitäten.

Aber sind es nicht gerade die Jungen, die engagiert und voller Elan sind?
Auch unsere Kundengruppe ist häufig gesetzteren Alters und möchte auf Augenhöhe kommunizieren. Die Wahrscheinlichkeit für einen Verkauf einer Baumaschine oder eines Servicekonzepts steigt dann bei älteren Mitarbeitern im Vertrieb. Gerade in unserer Baumaschinenbranche, die relativ konservativ und männerlastig ist, sind Erfahrung und Mentalität höher zu bewerten als der tolle akademische Abschluss.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, bei dem die Alten vor allem ihre Erfahrung einbringen können?
Beispielsweise in der Qualitätskontrolle unserer Produktionswerke. Dabei wird eine Maschine vom Band heruntergenommen und die älteren Mitarbeiter überprüfen sie auf eventuelle Konstruktions- oder Verarbeitungsfehler. Diesen Mitarbeitern machen Sie nichts vor, die finden jede Kleinigkeit. Die Erfahrung ist in diesem Fall wortwörtlich Gold oder eher Geld wert, um den Anspruch an die hohe Qualität der Maschinen zu bewahren. Denn Fehler bedeuten Kosten, übrigens genauso für die Kunden auf der Baustelle. Gerade wenn dort eine Baumaschine kaputt geht, kann sie den Ablauf auf der Baustelle komplett lahmlegen, was dem Bauunternehmer viel Geld kosten kann. Hier finden erfahrene Servicetechniker von Wacker Neuson schnell den Fehler und bescheren uns loyale Kunden.


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Welche Vorteile bringen die älteren Mitarbeiter abgesehen von ihrer Erfahrung sonst noch ein?
Die sozialen Kompetenzen sind bei älteren Mitarbeitern häufig stärker ausgeprägt als bei den Jüngeren. Und sie haben schon die ein oder andere Krise durchlebt, sind daher in manchen Situationen gelassener und strahlen diese Ruhe auch aus. Zudem können sie sich besser artikulieren. Ältere Mitarbeiter identifizieren sich stark mit dem Unternehmen, agieren besonders loyal und stecken jüngere Kollegen mit ihrer Begeisterung an. Deshalb haben wir zum Beispiel im Onboarding oder in der Führungskräfteentwicklung auch verschiedene Patenmodelle eingeführt, bei denen die Älteren ihre Kompetenzen an die Jüngeren weitergeben.

Und die jüngeren Kollegen sind mit den ganzen Maßnahmen einverstanden?
Wir sind ein Unternehmen, das auf Loyalität setzt. Dass sich das bewährt, sehen wir an den langen Betriebszugehörigkeiten. 40-jährige Betriebsjubiläen sind bei uns keine Seltenheit, dieses Jahr haben sogar mindestens zwei Mitarbeiter 50 Jahre Betriebszugehörigkeit gefeiert. Jemand, der so lange im Unternehmen ist und seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet hat, wird anerkannt und geschätzt. Wir sagen: Loyalität zahlt sich aus.

Mehr zum Thema: Im Ringen um Chancengleichheit wird eine benachteiligte Gruppe gern vergessen: Ältere. Eine Studie zeigt, dass sie es gerade im Mittelstand besonders schwer haben.

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