Anarchie oder Traumjob? Zappos wagt das Unternehmen ohne Chef

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Selbstorganisation ist alles

Paradoxerweise hatte er dadurch die Macht, die Macht abzuschaffen. Seit Anfang Mai haben die Mitarbeiter von Zappos in Las Vegas offiziell keine Chefs mehr. 269 Führungskräfte haben dadurch ihren Posten verloren.

Welche Rolle die einzelnen Zappos-Mitarbeiter gerade übernehmen – die Auswahl des Frühjahrssortiments oder die Marketingkampagnen zum Weihnachtsgeschäft –, ist in einer Datenbank festgehalten, die jeder Angestellte einsehen kann. Laut Robertson machen soziale Netzwerke und Messaging-Software den Weg zur Selbstorganisation möglich, weil sich jeder aktuell über den Stand laufender Projekte und die Aufgaben der anderen informieren kann.

Was gute Führung ausmacht

Um Geschäftspartner nicht zu verwirren, haben Zappos Ex-Manager nach außen ihre Titel behalten. Hsieh listet sich auf dem Geschäftsnetzwerk LinkedIn als CEO. Der frühere Marketingchef Matt Burchard ist dort weiter „Senior Director of Marketing and Customer Experience“.

Das Experiment ist umso kurioser, da Hsiehs oberster Chef, Amazon-Lenker Bezos, als überzeugter Mikromanager gilt, der sich in alles einmischt. Aber der Amazon-Chef ist neuen Dingen immer aufgeschlossen und lässt Hsieh gewähren.

Einige Zappos-Mitarbeiter waren da skeptischer: 210 kündigten nach dem Umbau. Das erzeugte so viel Aufruhr, dass einige Mitarbeiter sogar diskutierten, ob Hsieh nicht wegen seines Beharrens auf Holacracy von seinem Posten zurücktreten sollte.

Auch Managementautor Steve Denning hält wenig von Holacracy: Selbst wenn ein Projektverantwortlicher nicht mehr so genannt wäre, heiße das nicht, dass es keine Manager gäbe. Andere Kritiker warnen vor einer Kaskade von Meetings, wenn niemand entscheiden dürfe.

Hsieh gibt zu, dass einige Dinge wie das Entlohnen von Leistung genauer definiert werden müssen. Er will dem Wandel bis zu fünf Jahre einräumen. Ob so viel Zeit bleibt, könnte ausgerechnet ein Boss alter Schule entscheiden. Amazon-CEO Bezos hat zwar ein Faible für ungewöhnliche Dinge. Doch falls unter Experimenten Wachstum und Kundenzufriedenheit leiden, zieht er die Notbremse.

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