Arbeitgeberkommunikation Nichts als auswendig gelernte PR-Phrasen

Viele deutsche Unternehmen halten Employer Branding für eine andere Art der Werbung: Mitarbeitervideos könnten auch zur Primetime laufen. Dabei kommt es nicht auf Hochglanz an, sondern auf Authentizität.

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Selbst Mitarbeitervideos wirken oft wie ein reines PR-Produkt. Quelle: Fotolia

"Haribo macht Kinder froh", "Wenn’s ums Geld geht Sparkasse", "da werden Sie geholfen" - Unternehmen beschäftigen ganze Kreativabteilungen, damit Kunden sich an ihre Marken erinnern. Wer Schokolade möchte, dem soll es nicht egal sein, ob er nun Milka, Lindt oder Ritter Sport kauft. Er soll genau die eine Marke wollen und letztlich auch kaufen. Damit das klappt, braucht es ein gutes Produkt - und überzeugende Werbung. Dass nicht nur ein Produkt beworben werden muss, sondern auch ein Arbeitgeber sich ins richtige Licht rücken muss, ist in Deutschland erst seit gut zehn Jahren Thema.

Wie wichtig es ist, sogenanntes Employer-Branding zu betreiben, hat eine Studie des Karrierenetzwerkes LinkedIn gezeigt. Wer zwar gute Produkte hat, aber als Arbeitgebermarke durchfällt, muss Bewerbern durchschnittlich zehn Prozent mehr Gehalt bieten, damit sie anbeißen. So sie überhaupt darüber nachdenken, bei einem Unternehmen mit schlechtem oder ganz ohne Ruf zu arbeiten.

Das macht eine schwache Arbeitgebermarke aus

Die PR-Berater Manfred Böcker und Sascha Theisen haben aus diesem Grund einmal nachgeschaut, wie weit es bei den Deutschen Unternehmen mit der Selbstdarstellung als Arbeitgeber her ist. Das Fazit: Die Unternehmen setzen auf völlig austauschbare Werbesprüche. "Mit Leidenschaft und Freude gestalten wir als globales Team erfolgreich den Markt", bewirbt sich ein Konsumgüterhersteller, "Leidenschaft ist das, was uns verbindet", schreibt ein Lifestyle-Unternehmen und bei einem Automobilhersteller fängt "mit Leidenschaft alles an." Schon hier können Bewerber keinen Unterschied zwischen den Unternehmen, geschweige denn den Branchen ausmachen. Was das Employer-Branding angeht, ist es völlig egal, ob man zum Autozulieferer oder dem Klebstoffhersteller geht.


PR-Phrasen aus der Feder der Mitarbeiter

Und selbst wenn die Mitarbeiter der Konzerne zu Wort kommen, man Außenstehenden also einen vermeintlichen Einblick in das Arbeitsleben der Belegschaft gibt, klingt alles sehr nach Hochglanzprospekt: Schön, glatt, nichtssagend. So sagt ein Vice President für Brand Management bei Beiersdorf auf der Karriereseite des Unternehmens: "Nivea genießt weltweit ein unglaubliches Ansehen – das verpflichtet. Wenn eine Marke von den Menschen so geliebt wird, muss man als Markenverantwortlicher etwas zurückgeben: kompromisslos nur das Beste abliefern und absolute Exzellenz als normal ansehen."

Und wer wissen möchte, wie Daimler-Mitarbeiter zu ihrem Arbeitgeber stehen, liest zum Beispiel solche Botschaften: "Da smart eine junge Marke ist, ist es besonders toll, Teil des Teams zu sein. Kürzlich sind die neuen Modelle auf den Markt gekommen. Das Cabrio und der electric drive werden noch folgen. Besonders freue ich mich auf den neuen BRABUS. Eine spannende Zeit steht also bevor. Der tägliche Kontakt mit verschiedenen Menschen und die guten Verdienstmöglichkeiten machen den Beruf besonders."

Fragt man einen Mitarbeiter des Automobilzulieferers Continental, bekommt man - zumindest auf der entsprechenden Homepage - folgende Information: "Das Thema Qualität hat bei uns im Konzern einen sehr hohen Stellenwert: Angefangen vom einfachen Mitarbeiter bis hin zum Top-Management. Deshalb auch unser Slogan: Quality first!" Ob es das ist, was die Mitarbeiter auch ihren Partnern am Abendbrottisch oder den Freunden bei einem Bier erzählen? Ein Beispiel, das die tatsächliche Arbeitsrealität vermutlich etwas besser wiederspiegelt, ist das eines Mitarbeiters der Deutschen Bank.

Er sagt: "In der Regel mache ich selten mehr als zwei Wochen Urlaub im Jahr. Besuche bei meiner Familie und kleinere Überseereisen sind für mich ein wichtiger Ausgleich. Investment Banking spielt sich überwiegend in den großen Metropolen ab. Deswegen setze ich im Urlaub ganz bewusst Kontraste – im letzten Jahr war ich zum Beispiel auf einer Safari in Afrika." Hier lässt sich zumindest erahnen: Der Mensch verdient gut, arbeitet aber dafür auch quasi das ganze Jahr über.

Wie es richtig geht

Ansonsten gilt: überall herrscht Gleichstellung, die Arbeitsatmosphäre ist unglaublich inspirierend, die Aufgaben sind spannend, abwechslungsreich, man trifft inspirierende, unterschiedliche Menschen. Wer seine Mitarbeiter so gut gedrillt hat, dass sie sich so auch bei Bewertungsplattformen wie Glassdoor oder Kununu äußern, kann die PR-Abteilung in den Ruhestand schicken.

Im Prinzip ist das Employer Branding das Pendant zu den Selbstbeschreibungen der Bewerber geworden: "Spaß, Verantwortung, Leidenschaft" sucht "teamfähig, flexibel, dynamisch". Wenn man es bei der Produktwerbung schafft, in einen simplen Slogan eine ganze Geschichte zu packen - "Ist der Pulli neu? Nein, mit Perwoll gewaschen" sagt aus: auch nach zig Wäschen ist die Farbe nicht verblasst und das gute Stück nicht außer Form - sollte doch auch ein Unternehmen sagen können, was Bewerber dort erwartet.

Doch das Whitepaper von Böcker und Theisen zeigt: Nur die wenigsten kommunizieren klar, wofür sie als Arbeitgeber stehen. Außerdem hat das Geschilderte häufig nichts oder nur wenig mit der Realität zu tun, wie die erwähnten Beispiele ahnen lassen.

"Das war auch früher schon so", schreiben die beiden Berater. "Allerdings sind in einem veränderten medialen Kontext dank Social Media sämtliche Behauptungen aus der Arbeitgeberkommunikation einfach überprüfbar geworden. Kurzum: Wer flunkert, fliegt langfristig auf."

Wenn der Mitarbeiter, der auf der Karriereseite den Arbeitgeber in den höchsten Tönen lobt, täglich bei Facebook postet, wie sehr der Job nervt und wie dämlich die Kollegen sind, entstehen Kratzer im Bild. "Vor diesem Hintergrund ist ein neuer Stil gefragt, der weniger auf Kampagnen als auf Kontinuität setzt", so die Berater. Ein positives Beispiel sei BMW. Dem Automobilkonzern gelinge es über eine große Anzahl von Videos zu jeder für das Unternehmen wichtigen Fachrichtung ein ebenso attraktives, aber eben auch realistisches Bild der einzelnen Berufe zu vermitteln, so das Fazit der Berater, die sich in ihrer Untersuchung mit der Kommunikation der Dax-30-Konzerne befasst hatten.

Das macht eine starke Arbeitgebermarke aus

Bei BMW erhielten die Kandidaten einen Eindruck davon, in welcher Arbeitskleidung sie in der Produktion arbeiten, wie der Arbeitsplatz konkret aussieht oder mit welchen Systemen die Arbeitsprozesse letztlich umgesetzt werden. Der Ton der Videos sei natürlich positiv, aber eben nicht im Stil einer amerikanischen Dauerwerbesendung.

Denn eine der wichtigsten Anforderungen an die Eigenwerbung ist Authentizität. Wie viele Unternehmen schmerzhaft feststellen mussten, bedeutet das nicht, die Azubis rappen zu lassen, wie cool eine Ausbildung bei Unternehmen X ist. Und das verwackelte Handyvideo aus dem Büro des Chefs ist bei Start-ups vielleicht okay, bei einem Global Player wirkt es unglaubwürdig. Bei der Authentizität geht es letztlich nur um die Frage, ob Bewerber den Unternehmen und ihren Mitarbeitern die Geschichte vom Arbeitnehmerparadies abkaufen.

Die Bewerber wollen transparente Informationen, die ein realistisches Bild des Arbeitgebers und des potenziell interessanten Jobs vermitteln. Das darf gerne spannend erzählt werden, muss aber immer ehrlich sein. Wenn also die Botschaft sein soll, dass Qualität an allererster Stelle kommt, sollte man auch erwähnen, was das für den Arbeitnehmer bedeutet.

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