




Herr Sittard, zum 1. Januar 2015 tritt das Mindestlohngesetz in Kraft. Haben die Unternehmen die Weichen für die neue Rechtslage schon gestellt?
Viele Unternehmen sind sehr nervös, weil sie merken, dass sie das Thema kaum unter Kontrolle haben. Da liegen viele Tretminen – auch für Top-Manager.
Warum? Es geht um einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro...
Grundsätzlich gilt dieser Mindestlohn ab kommenden Januar für jeden Arbeitnehmer in Deutschland, unabhängig vom Gehaltsniveau. Also könnten theoretisch auch Führungskräfte mit 100.000 Euro Jahresgehalt darauf pochen – etwa, wenn sie ohne Lohn freigestellt sind, weil sie das Unternehmen nach Differenzen oder Pflichtverletzungen verlassen sollen und sich beide Seiten auf ein Vertragsende erst in ein paar Monaten geeinigt haben. Geschasste Manager, die nachkarten wollen, werden versuchen, vom Unternehmen für jeden Monat den Mindestlohn von rund 1.500 Euro zu verlangen. Aber das ist sicherlich das kleinste Problem.

An welche denken Sie noch?
Das Mindestlohngesetz betrifft nicht nur Mitarbeiter des eigenen Unternehmens. Top-Manager müssen auch die Angestellten ihrer Subunternehmer im Auge haben. Der Mindestlohn trifft ja nicht nur Schmuddel- und Billiglohnbranchen. Jeder, der etwa eigene Abteilungen geschlossen und Arbeit an Dienstleister vergeben hat, muss dafür sorgen, dass diese ihren Mitarbeitern Mindestlohn zahlen. Denn er ist als Auftraggeber auch gegenüber diesen Mitarbeitern direkt haftbar.
Können Sie das am Beispiel erläutern?
Nehmen Sie ein Möbelbaus, das seinen Kunden als Service die Möbel bis vor die Haustür liefert und mit dem Transport ein externes Logistikunternehmen beauftragt: Zahlt dieser Dienstleister seinen Mitarbeitern weniger als 8,50 Euro pro Stunde, können die Mitarbeiter des Transportunternehmens das Möbelhaus direkt zur Kasse bitten und verklagen. Das Möbelhaus haftet also für die Situation bei seinem Auftragnehmer – auch, wenn dieser Subunternehmer Pleite macht und gar keinen Lohn mehr zahlen kann. Das heißt: All die Sorgen, die ein Unternehmen mit dem Auftrag an einen Dienstleister los zu sein schien, können es jetzt wieder einholen.
Zur Person
Ulrich Sittard, 33, ist Arbeitsrechtler bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und lehrt an der Uni Köln. Zu seinen Mandanten zählen Risikokapitalgeber KKR und die Bekleidungsmarke Sara Lee.
Dann sind die Subunternehmer ja fein raus.
Nein. Zum einen bleiben sie in erster Linie zur Lohnzahlung verpflichtet. Zum anderen geraten sie zusätzlich unter Druck, weil sie riskieren, dass ihre eigenen Leute sie bei ihren Auftraggebern anschwärzen und der Auftrag verloren geht.
Welche Strafen drohen bei Verstößen?
Die Höchstbuße liegt bei 500.000 Euro – als Ordnungswidrigkeit, pro Verstoß. Das ist extrem hoch. Zum Vergleich: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz kosten nur bis zu 15 000 Euro Buße. Der Zoll, der für die Kontrollen zuständig ist, rüstet dafür schon Personal auf und wird nicht zimperlich sein – auch, weil Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles Erfolge sehen will.