Arbeitsrecht Umgekehrte Diskriminierung von Männern

Können Männer sich juristisch gegen die Frauenquote wehren? Und wie können Unternehmen Klagen vermeiden? Arbeitsrechtler geben Rat.

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Drag-Queens beim Stiletto-Wettlauf während der Drag Queen Olympiade Quelle: dpa

Vermutlich hatte die Bundesregierung nicht unbedingt verstörte Männer im Sinn, als sie im Sommer 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf den Weg brachte. Seitdem gilt: Niemand darf aufgrund seines Geschlechts, Alters oder seiner ethnischen Herkunft benachteiligt werden – vor allem nicht vom Arbeitgeber.

Zwar schreibt schon die Verfassung in Artikel 3 den Gleichheitsgrundsatz fest, allerdings regelt der das Handeln des Staates, nicht das von Privatpersonen untereinander. Wer sich nun von seinem Chef diskriminiert fühlt, kann sich auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten lassen. Von August 2006 bis April 2012 sammelten sich dort 7305 Beschwerden, ein Viertel von ihnen fällt in die Kategorie "Nachteile aufgrund des Geschlechts". Allerdings suchte deshalb nur eine Handvoll Männer Rat: Die meisten von ihnen beschwerten sich über Frauenparkplätze.

Umgekehrte Diskriminierung

Offensichtliche Benachteiligung im Beruf erleben Männer bisher eher selten. Mit der Quote könnte sich das künftig ändern – und da sind sich die Juristen ausnahmsweise ziemlich einig. So konstatiert etwa der Arbeitsrechtler Ulrich Tödtmann von der Sozietät Eimer Heuschmid Mehle: "Bei der Frauenquote handelt es sich um einen Fall umgekehrter Diskriminierung." Erlaubt ist die den Unternehmen nur, wenn sie nachweisen können, dass Frauen zuvor lange Zeit strukturell benachteiligt wurden.

Unsicherheit im Konzern

Viele Konzerne holen inzwischen Rechtsgutachten ein, wie weit sie bei der Frauenförderung gehen können, ohne sich Klagen einzuhandeln. "Unternehmen bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone", sagt Tödtmann. "Viele Männer warten nur darauf, den Rechtsweg zu gehen."

Wie sollen sich also Arbeitgeber verhalten, wenn sie Klagen vermeiden wollen? "Es ist nicht zulässig, bei jeder Einstellung oder Beförderung pauschal Frauen zu bevorzugen, bis eine gewünschte Quote erreicht ist", erklärt Stefan Lingemann, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz. Falls es gleich qualifizierte männliche und weibliche Kandidaten gibt, darf man Frauen nach Abwägung im Einzelfall den Vorzug geben.

Schmerzensgeld statt Stelle

In Zeiten der Quote könnte eine Stellenausschreibung, die auch der Europäische Gerichtshof billigt, daher so lauten: "Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen."

Frauenförderprogramme gelten indes als rechtlich unbedenklich. Selbst Zielvereinbarungen für Bereichsleiter, die an eine gewisse Zahl weiblicher Beförderungen gekoppelt sind, sind juristisch zulässig.

Schmerzensgeld einklagen

Sollte eine weibliche Konkurrentin den Führungsjob ergattert haben, den man selbst gern gehabt hätte, dann gilt für Männer zunächst das Prinzip Pech gehabt: "Auf juristischem Wege kann man in der Privatwirtschaft nicht erreichen, dass eine Maßnahme rückgängig gemacht wird", sagt Jurist Lingemann.

Im öffentlichen Dienst ist das anders: Hier können Männer sogar darauf dringen, dass Personalentscheidungen revidiert werden. Wer sich aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert fühlen, kann in jedem Fall eine Entschädigung für immaterielle Nachteile verlangen. Oder kurz: Schmerzensgeld. Für Frauen gilt das natürlich genauso.

Schadensersatz

Enttäuschte Bewerber, die sich durch eine "rechtswidrige Beförderung" des anderen Geschlechts übergangen fühlen, können auch Schadensersatz einklagen. "Die Summen können erheblich sein", sagt Arbeitsrechtsexperte Lingemann. Einfordern könne man die Differenz zwischen dem aktuellen Gehalt und jenem, das man in der angestrebten Aufstiegsposition erhalten hätte.

Möglicherweise kann diese Summe gar bis zum Renteneintrittsalter hochgerechnet werden. Allerdings muss der Kläger beweisen, dass er die Stelle tatsächlich bekommen hätte, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre. "Es dürfte sehr schwer sein, das nachzuweisen", warnt Lingemann.

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