Denn Arbeitszeit, die der Chef nicht angeordnet hat, muss er auch nicht bezahlen – obwohl diese Zeit vielleicht nötig war. Arbeitsrechtsexperte Sebastian Frahm kennt dieses Problem aus Krankenhäusern: „Ärzte beklagen immer wieder, dass sie nicht nach Hause konnten, weil sie noch Patienten versorgen mussten.“ Die Krankenhäuser verweigern dann im Zweifel Zahlungen und verweisen darauf, dass sie Überstunden explizit nicht verlangt haben. „Das mag unmoralisch sein, aber es ist nicht Aufgabe des Arbeitgebers, durch die Flure zu gehen und alle Mitarbeiter nach Hause zu schicken.“
Mitarbeitern, die ihre Arbeitsflut nur durch Überstunden bewältigen können, empfiehlt Frahm, die Mehrarbeit aufzuschreiben und vom Chef gegenzeichnen zu lassen. „Viele machen den Fehler, Überstunden bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses anzuhäufen, und erst dann einen Ausgleich zu fordern.“ Dann kann es jedoch oftmals zu spät sein. Schließlich verfallen Ansprüche spätestens nach drei Jahren, sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist. Die dort festgelegten Fristen betragen oftmals auch nur drei Monate.
Ob Arbeitnehmer für die Überstunden bezahlt werden oder frei bekommen, können sie sich nicht selbst aussuchen – das entscheidet der Chef. Das gilt auch dafür, wann die Überstunden abgefeiert werden. „Das läuft spiegelbildlich zum Urlaubsantrag“, erklärt Frahm. Der Arbeitnehmer kann beantragen, zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen Überstunden frei zu bekommen, und der Arbeitgeber genehmigt das oder nicht. „Dies lässt sich unter das arbeitgeberseitige Direktionsrecht einordnen, das sich eigentlich auf die Art und Weise der Arbeit bezieht.“
Oftmals ist jedoch vertraglich jeglicher Ausgleich für Überstunden ausgeschlossen: Dann heißt es etwa, dass Arbeitnehmer für Über- oder Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung erhalten oder, dass mit dem Bruttogehalt alle Überstunden abgegolten sind. Bei solchen Fällen haben Richter unterschiedlich entschieden und sich jeweils nach der Gehaltshöhe gerichtet. Je niedriger das Gehalt ist, desto eher haben Mitarbeiter trotzdem einen Anspruch auf Überstunden.
Hierbei orientieren sich die Richter an Paragraf 612 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) . Dieser spricht Arbeitnehmern eine Bezahlung von Überstunden zu, wenn dafür eine wirksame Regelung fehlt. Eine zusätzliche Vergütung sei vor allem dann zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt beziehe.