Assessment-Center So funktioniert der Manager-TÜV

Bei einem Assessmentcenter für Führungskräfte werden mehrere Verfahren angewendet, um die fachliche und persönliche Eignung eines Kandidaten für eine bestimmte Position zu ermitteln. Quelle: imago images

Angehende Führungskräfte müssen sich im Assessment-Center beweisen. Was man dort leisten muss, wie man sie übersteht – und warum „zu perfektionistisch“ nicht als Schwäche zählt.

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Jedes Auto muss alle paar Jahre zur Hauptuntersuchung. Profis untersuchen dann, ob der Wagen noch verkehrstüchtig ist: Funktioniert das Licht? Verliert das Auto Öl? Hat der Motor einen Schaden? Denn: Wer will schon mit einem unsicheren Gefährt auf die Autobahn?

Bei einem Assessment-Center für Führungskräfte passiert etwas ähnliches: Psychologen und Ökonomen stellen die Chefs und die, die es erst noch werden wollen, vor verschiedene Aufgaben, um zu prüfen: Denken sie strategisch? Können sie mit einer sich stetig verändernden Umwelt umgehen? Und schaffen sie es, ihre Mitarbeiter dabei mitzunehmen? Ein TÜV für Manager eben. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand in der Vergangenheit schon mal Chef war. Denn für Autos wie für Führungskräfte gilt: Nur weil sie früher einmal funktioniert haben, tun sie das nicht zwangsläufig auch in der Zukunft.

In einer regelmäßigen Befragung von Dax-Konzernen stellte Stefan Höft, Professor an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA), fest, dass zwar 25 von 30 Dax-Konzernen Bewerber an solchen Auswahltagen bewerten lassen. Allerdings eher, um aus einer großen Masse an Nachwuchsführungskräften eine kleinere Zahl an tauglichen Kandidaten herauszufiltern. Fast die Hälfte der Dax-Unternehmen tut das. Bei der obersten Führungsebene sind es dagegen nur 17 Prozent.

Wie genau ein Assessment aussieht, hängt davon ab, wer es ausrichtet. In großen Konzernen werden die Auswahltage auch von der Personalabteilung konzipiert. In kleineren und mittelständischen Unternehmen wird das Prozedere eher an Dienstleister abgegeben. Der Begriff Assessment-Center ist aber nicht geschützt. Klar ist nur: Es werden mehrere Verfahren angewendet, um die fachliche und persönliche Eignung eines Kandidaten für eine bestimmte Position zu ermitteln. Dabei sollte dieses Urteil immer von geschulten Beobachtern gefällt werden.

Zum Beispiel von Doris Köpke. Die Psychologin ist Partnerin der Unternehmensberatung XCG, einem Dienstleister aus Zürich, der für viele große und kleine Organisationen die Auswahl von Vorständen, Aufsichtsräten und Top-Managern übernimmt. Der Ablauf eines Assessmenttages ist klar strukturiert und minutiös geplant.

Nie die Fassung verlieren!

Die Auswahl beginnt nicht mit der ersten Übung, sondern mit der Ankunft am Prüfungsort im Züricher Stadtteil Wollishofen. Nervös zu sein ist völlig normal, darüber sollte man aber seine Manieren nicht vergessen. Tritt jemand gegenüber Assistenten und Helfern bereits arrogant oder unfreundlich auf, erfahren das später auch diejenigen, die das Urteil fällen. „Das vermittelt uns bereits einen ersten Eindruck“, sagt Doris Köpke.

Anschließend begrüßen die Beraterin und ihre Kollegen die Bewerber und versuchen, deren Stresslevel auf ein erträgliches Maß zu senken. Eine gute Balance sei hier wichtig, nicht zu gestresst und nicht zu entspannt. Die Anspannung soll in etwa so sein, wie in der angepeilten Position. „Nur so können die folgenden Interaktionen auch Rückschlüsse auf das Verhalten und die spätere Eignung für die diskutierte Schlüsselposition zulassen“, sagt Köpke.

Dann beginnen die ersten Übungen. In Interviews sollen die Bewerber einige offene Fragen erklären können: Warum wollen sie den Job? Was treibt sie an? Wie ist die Persönlichkeit strukturiert? Welche Fähigkeiten bringt ein Kandidat für den neuen Job mit? All das wird in standardisierten Gesprächen geklärt. Man sollte sich zuvor also Zeit nehmen, um über sich selbst nachzudenken.

Ehrlichkeit und Authentizität sind am wichtigsten. Richtige oder falsche Antworten gibt es nicht – es kommt darauf an, wie sie zum Profil der ausgeschriebenen Stelle passen. Doris Köpke kennt zum Beispiel die immer gleichen Antworten auf die Frage, wo Bewerber ihre Schwächen sehen. „Wir hören häufig, man sei zu perfektionistisch, zu schnell oder zu ungeduldig. Das reicht aber nicht. Wer nicht in der Lage ist zu sagen, was er oder sie selbst weniger gut kann, der ist nicht reflektiert genug für eine Führungsposition.“

Auch praktische Übungen und Gesprächssimulationen kommen in Assessment-Centern vor. Je nach angepeilter Position passen die Berater diese Tests an. Zukünftige Vertriebschefs setzt man in ein Verkaufsgespräch beim Kunden, einen CEO konfrontiert man mit Vertretern des Aufsichtsrates und eine Managerin aus der mittleren Ebene lässt man einen Konflikt zwischen zwei Mitarbeitern schlichten. Das ist der falsche Ort für Experimente. Stattdessen sollte man sich so verhalten, wie man es auch im Alltag tun würde, empfiehlt Expertin Köpke.

Ganz wichtig: Auch wenn man provoziert wird, nie die Fassung verlieren! Ein Gesprächsabbruch ist immer ein schlechtes Zeichen. Was dagegen weniger schlimm ist: Bei einer simulierten Präsentation ins Stottern zu geraten oder sich auf einer Folie zu verschreiben. Der souveräne Umgang mit solchen Patzern ist entscheidend.

Kritiker monieren an solchen Verfahren, dass nicht die beste Anführerin auffällt, sondern der beste Schauspieler. HdBA-Professor Stefan Höft sieht das anders. „Man kann von simulierten Situationen durchaus auf das Verhalten im echten Arbeitskontext schließen“, so Höft, „Niemand kann auf dem Niveau dauerhaft ein bestimmtes Verhalten nur vorspielen.“ Wenn es zum Beispiel um ein brisantes Mitarbeitergespräch gehe, könnten Bewerber beweisen, dass sie die dabei wichtigen Strategien beherrschen: Klar kommunizieren, verbindliche Ziele definieren, Feedbackgespräche terminieren, so Höft. „Das ist für mich eine objektive Arbeitsprobe.“

Für die Auswahl von Trainees oder Auszubildenden sind Assessment-Center üblich. Bei der Auswahl von Top-Managern aber werden sie kaum angewendet. Ein exklusiver Einblick zeigt, warum sich der Aufwand dennoch lohnen kann.

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