Azubi-Recruiting Trends 2017 So vergraulen Unternehmen Lehrlinge

Egal ob Friseur, Industriebetrieb oder Uhrmacher: Betriebe können ihre Lehrstellen nicht besetzen. Sagen sie. Dabei verschrecken sie potenzielle Azubis gleich an mehreren Stellen im Bewerbungsprozess.

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Unternehmen vergraulen Azubis. Quelle: Fotolia

Sara Scheibel, 18, besucht die Gesamtschule Ost in Bremen-Tenever. Laut der Ausbildungsbilanz 2016 der Agentur für Arbeit in Bremen hat sie beste Chance auf einen Ausbildungsplatz – so wie auch ihre Klassenkameraden. Laut Statistik kamen nämlich im Jahr 2015 in Bremen 3415 angehende Azubis auf 4011 Lehrstellen. „Unversorgt“, also ohne Ausbildungsplatz, blieben im Jahr 2015 in Bremen nur 174 Bewerber.

„Das ist Augenwischerei“, sagt Scheibel. In ihrer Klasse wollten am Ende der zehnten Klasse 12 von 24 Mädchen und Jungen eine Ausbildung machen. „Am Ende hatten aber nur drei einen Ausbildungsplatz.“ Einer lernt jetzt Elektriker, einer Einzelhandelskaufmann und eine Verwaltungsfachangestellte. Der Rest ging notgedrungen weiter zur Schule - oder hing zunächst in Übergangsmaßnahmen fest.

Dabei suchen Unternehmen händeringend Azubis: Mehr als 660.000 offene Stellen haben Unternehmen derzeit bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet – zwei Drittel davon richten sich an Gesellen und Meister und nicht an Akademiker.

“Wenn wir uns heute über Talent-Management unterhalten, dann sollte man bedenken, dass die duale Ausbildung und ihre Zielgruppen den Grundpfeiler für den Erfolg vieler Unternehmen bildet”, sagt auch Christoph Beck. Er ist Professor für Personal- und Bildungswesen an der Fachhochschule Koblenz und begleitet die jährlich erscheinende Studie „Azubi Recruting-Trends“ von u-form Testsysteme, einem Anbieter von Eignungstests in der Ausbildung und bei Bewerbungen.

Die aktuelle Studie, die WirtschaftsWoche Online exklusiv vorliegt, geht der Frage nach, warum Jugendliche und junge Erwachsene wie Scheibel und ihre Klassenkameraden nicht mit den Unternehmen zusammen kommen, die sich Lehrlinge wünschen. Dafür befragten die Macher der Studie in diesem Frühjahr mehr als 2600 junge Menschen, die sich auf eine Lehrstelle bewerben, mehr als 900 Ausbilder und 150 Eltern von angehenden Azubis.

Fehler Nr 1: Unternehmen blenden Hauptschüler aus

Die Studie gibt den Bremern Gesamtschüler Recht: Zwar müssen gut die Hälfte der Schulabgänger nur maximal fünf Bewerbungen schreiben, bis sie einen Vertrag sicher haben, Hauptschüler haben bei den Unternehmen dennoch schlechtere Chancen.

Fragt man die Betriebe, liegt das an der schlechteren Qualifikation der Hauptschüler. Wenn sich aber nicht genug Einser-Abiturienten finden, die Friseurin, Fliesenleger oder Hotelfachfrau werden wollen, bleiben den Unternehmen nur zwei Möglichkeiten: in Schönheit sterben oder Hauptschülern eine Chance geben – und sie im Zweifelsfall nachqualifizieren.

Wie Azubis über die Berufsausbildung denken

Die Industrie- und Handelskammern bieten deshalb Unternehmen und Bewerbern an, sich in einem Schnupperpraktikum kennen zu lernen.

Tatsächlich sieben die Unternehmen aber nicht erst aus, wenn die Bewerbung eingeht. Schon mit ihren Stellenanzeigen vergraulen viele Betriebe potenzielle Mitarbeiter.

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