Bahn-Managerin nimmt Auszeit „Dann ist man drin und läuft und läuft“

Antje Neubauer Quelle: PR

Antje Neubauer hat klassisch Karriere gemacht, sich hochgearbeitet. Zur Überraschung vieler hat die PR-Chefin der Deutschen Bahn nun, mit knapp 49 Jahren, ihren Ausstieg verkündet. Im Interview erklärt sie, warum.

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WirtschaftsWoche: Frau Neubauer, Sie haben vergangene Woche öffentlich mitgeteilt, Ihren Job als Marketing und PR-Chefin bei der Deutschen Bahn im Sommer zu verlassen. Ganz ohne Frust, Streit oder Burn-out. Ihr Schritt erhält sehr viel Aufmerksamkeit – hätten Sie das erwartet?
Frau Antje Neubauer: Ich bin maximal überrascht. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich wohl einen Nerv getroffen habe, weil ich mir einen Wunsch erfülle, den viele andere auch in sich tragen. Und dass viele offenbar dankbar sind, weil jemand es tut. Ich habe noch nie so viele Nachrichten über soziale Medien bekommen. Das ist wahnsinnig beeindruckend. Und das Schöne: es überwiegen die positiven Reaktionen.

Karriere, Aufstieg, auch Geld – darauf arbeiten erfolgsorientierte Menschen hin. Sie treten davon freiwillig zurück. War es am Ende doch nicht so toll am Ziel wie gedacht?
Ganz im Gegenteil. Ich empfinde immer große Freude, wenn ich meine gesetzten Ziele erreiche. Ich bin jemand, der Dinge annimmt, dafür bin ich auch die extra Meile gegangen. Als ich 1995 mein Studium beendete, herrschte hohe Arbeitslosigkeit. Es war schwer einen Job zu finden, deutlich anders als heute. Dazu hatte ich auch noch eine Geisteswissenschaft studiert, das machte die Sache nicht leichter. Vielleicht hatte ich Glück oder ich habe überzeugt, aber ich fand zügig einen tollen Job. Ab dann ist man drin und läuft und läuft. Das hat mir auch großen Spaß gemacht. Ich wurde nicht nur getrieben, sondern habe mich auch selbst getrieben. Zeit, um mal durchzuatmen und links und rechts zu schauen, davon gab es nicht viel. Dafür bewundere ich die Generation, die jetzt nachkommt und die das einfordert. Meine Generation – ich bin 1970 geboren – hat das nicht gelernt.

Das heißt, Sie hatten in knapp 25 Jahren Berufsleben keine längeren Auszeiten?
Kaum. Ich habe keine Kinder, was ich schade finde, was mich aber auch nicht negativ begleitet. Dadurch gab es keine familiär bedingten Unterbrechungen. Ich war beruflich immer sehr glücklich und bin es immer noch. Wenn eine Herausforderung da war, habe ich immer die Hand gehoben. Mit Anfang Dreißig habe ich mal einen Job gekündigt, ohne einen Neuen zu haben. Ich wollte mal durchatmen. Zu dem Zeitpunkt war ich aber noch nicht so reflektiert und hierarchisch noch nicht weit genug, um mir eine wirkliche Neuorientierung, wie ich sie jetzt vorhabe, gönnen zu können. Dazu muss man wahrscheinlich ein gewisses Alter und eine gewisse Reife haben.

Nun gehen Sie in eine quasi selbstgewählte Arbeitslosigkeit, das Schreckensszenario Ihrer Jugend. Wie kommt es dazu?
Es kommt darauf an, wie man Arbeit definiert. Ich habe mich nach 25 Jahren in der Kommunikation entschlossen, einen Moment inne zu halten und mir die Zeit zu nehmen, um losgelöst vom Berufsalltag zu überlegen, wie ich persönlich meine nächsten „50“ Lebensjahre gestalten möchte. Ich empfinde das für mich als ein großes Stück Arbeit. Allerdings wird es definitiv nicht gut bezahlt. Für mich war es eine logische und konsequente Entscheidung, diesen Schritt in dem Moment zu gehen, in dem es beruflich und privat sehr gut läuft. Viele derer, die mich nun ansprechen, erzählen genau das Gegenteil: Deren Auszeit kommt zu einem Zeitpunkt, wo es ihnen nicht so gut geht. Dafür habe ich sehr großes Verständnis, der Weg ist aber sicherlich sehr viel schwerer. Man braucht doppelte Energie, um zuerst die Seele heilen zu lassen und dann die Neuorientierung anzugehen. Ich gehe den anderen Weg, fühle mich in mir wohl und versuche jetzt, aus dieser Stärke heraus die Energie zu nutzen. Ich habe Kommunikation und Marketing gemacht – nun will ich wissen: Was macht mich als Mensch privat und im Beruf sonst noch aus, wo könnte ich mich hin entwickeln?

Haben Sie das alles mit sich selbst ausgemacht oder sich beraten lassen?
Ich habe das mit meinem Lebensgefährten, meiner Familie und Freunden besprochen. Natürlich auch mit Oliver Schumacher, dem Leiter der Kommunikation bei der DB, als meinem Chef. Das war ein Prozess von einem guten halben Jahr. Die Entscheidung jetzt kommt zu einer Zeit, in der ich beruflich sehr glücklich bin. Ich habe einen herausfordernden und spannenden Job und ein exzellentes Team und ich habe einen großartigen CEO und mit Oliver Schumacher einen freundschaftlichen und langjährigen Sparringspartner. Das macht es leichter, nun ein Stück zurückzutreten und zu überlegen, ohne festen Zeithorizont.

Aber etwas muss Ihnen ja doch gefehlt haben. Zum Beispiel sagten Sie, Sie wollten öfter als nur einmal im Quartal mit Ihrem Pferd durch die Wälder reiten.
Ich stehe morgens um sechs Uhr auf und bin häufig spät abends zuhause. Der Tag ist hochspannend, aber sehr anstrengend. Das geht vielen Managern so. Auch am Wochenende ist man häufiger beschäftigt, punktuell auch im Urlaub involviert. Reiten ist meine Passion, das macht mich einfach glücklich. Wenn ich in den Stall komme, ausmiste und mein Pferd sehe, dann bin ich wieder Antje. Dafür möchte ich mir zukünftig wieder Zeit nehmen.

Also sind Sie doch ein wenig unglücklich, weil das, was Sie glücklich macht, immer hinten runterfiel?
Nein, ich habe dieses Glücksgefühl vom Reiten in mir gespeichert. Aber ja: Es hat mich manchmal genervt, dass ich es einfach nicht mehr geschafft habe. Durch den Job meines Lebensgefährten leben wir zudem in zwei Städten, das ist eine zusätzliche logistische Herausforderung.

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