Bahn-Managerin nimmt Auszeit „Dann ist man drin und läuft und läuft“

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Schnelles Umschalten und Spaß bei der Arbeit

Was Sie schildern, klingt sehr stressig: Lange Tage, keine Zeit für Privates, keine Zeit fürs Pferd, zwei Wohnorte. Da hätten andere schon lange kapituliert. Wie haben Sie es über die Jahre geschafft, aufrecht, optimistisch und gesund zu bleiben?
Ich habe das große Glück, dass ich sehr schnell von Job auf privat umschalten kann. Probleme, die mich eben noch getrieben und bewegt haben, sind dann erst einmal für einige Stunden „on hold“. Das ist sehr gesund für mich und auch für mein privates Umfeld. Das klappt natürlich nur, wenn man grundsätzlich Spaß an der Arbeit hat. Man sollte sie nicht als lästige Pflicht sehen, dann zerfrisst die Arbeit dein privates Leben. Ich persönlich, und das meine ich wirklich, habe Spaß beim Arbeiten. Ich schätze die Menschen dort, sie bereichern mich. Natürlich gibt es auch Abende, an denen ich platt und erschöpft bin. Aber weil ich gerne arbeite, fühlt sich das nicht negativ an. Auch wenn vieles neben diesem Job keinen Platz hat, habe ich in der Sache ein gutes Gefühl. Dazu kommt, dass ich einen hohen Freiheitsgrad habe und mit meinem Team gestalten kann.

Haben Sie Sorge, dass doch noch die Angst vor der eigenen Courage kommt?
Mir ist absolut klar, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Wenn man kreativ arbeiten kann, mutig sein darf und wenn es dann trotzdem mal nicht klappt, von einem tollen Team gestützt und gestärkt wird, ist das schön. Das muss ich wirklich betonen. Aber wenn ich eine Entscheidung gefällt habe, ist sie gefällt.

Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?
Den Gedanken habe ich nicht. Das wäre doch auch komisch, dann hätte ich mich für ein Sabbatical entschieden. Ich schätze das Arbeiten in der Bahn-Familie, es ist ein spannender Konzern mit einem wichtigen Auftrag - nämlich Sicherstellung von Mobilität. Ob ich je zurückkehre, kann ich nicht beantworten. Für mich steht jetzt die Neuorientierung im Fokus.

Nichts wie weg? So gelingt der Jobwechsel
Schon mal darüber nachgedacht, 43,5 Stunden pro Woche Akten zu schreddern? Mit Gepäck durch Bahnhöfe zu laufen? Briefmarken händisch zu schneiden und zu kleben? Oder bei Hitze im Stau zu stehen? Nein? Verständlich, denn einen so großen Teil seiner Lebenszeit möchte man doch gerne mit einer weniger anstrengenden, nervtötenden, stupideren Tätigkeit füllen. 43,5 Wochenstunden verbringen abhängig Vollzeitbeschäftigte in Deutschland durchschnittlich aber auch bei der Arbeit, wie der aktuelle Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt. Kein Wunder, dass bei einer Studie der Personalberatung Manpower Group 46 Prozent der im Jahr 2017 Befragten in den folgenden zwölf Monaten einen Jobwechsel planten. 23 Prozent wollten mehr verdienen, 17 Prozent fühlten ihre Leistungen nicht wertgeschätzt, 14 Prozent litten unter einem schlechten Arbeitsklima.Ein Wechsel erscheint vielen als die Lösung aller Jobprobleme. Doch es gilt einige Regeln zu beachten. Wie der berufliche Neustart gelingt, lesen Sie hier. Quelle: Fotolia
Jemand sitzt an einem Schreibtisch vor einer Uhr Quelle: Fotolia
Jemand ist an einer Kugel festgekettet Illustration Quelle: Fotolia
Jemand schiebt eine große Faust weg Quelle: Fotolia
Jemand springt über einen Abgrund Illustration Quelle: Fotolia
Mann auf Fragezeichen Quelle: Fotolia
Jemand liegt auf einem Sofa Quelle: Fotolia

Sie haben die jüngere Generation erwähnt, die heute eine andere Arbeitswelt vorfindet, aber auch mehr von ihren Arbeitgebern fordert. Hat Sie das angeregt, sich jetzt eben auch das zu nehmen, was Sie gerade brauchen?
Zunächst: Verantwortung muss man schon übernehmen und Erfolg ist nicht gottgegeben. Er erfordert die Extrameile und der Weg tut manchmal weh. Das ist so. Aber, wenn ich mir die neue Arbeitswelt so anschaue, dann ist viel Wahres in Konzepten wie Work-Life-Balance und ähnlichem. Ich glaube an ein gesundes Maß von Arbeit und Leben und das muss möglich sein. Unternehmen haben es übertrieben. Wenn ich an Dinge wie Anwesenheitspflicht denke – wer am längsten im Büro sitzt, ist vermeintlich der Beste – da geht es nicht um Qualität der Arbeit. Die Generation Y lässt das gar nicht mehr zu. Mit denen müssen Arbeitgeber anders agieren. Das betrifft auch die herkömmliche Vorstellung von Loyalität dem Unternehmen gegenüber. Die junge Generation sagt: Okay, ich tue etwas für Dich, aber was gibst Du mir dafür? Das finde ich eine gesunde Einstellung. Beide Seiten müssen sich anstrengen, damit die Balance stimmt. Auch, die Stelle zu wechseln und auszuprobieren, was zu einem passt, ist gesund. Der Perspektivwechsel lässt Leute wachsen, dadurch werden sie erst groß und stärker. Beim Thema Familie hat sich viel getan. Ich habe das noch anders erlebt, auch wenn es meine freie Entscheidung war, keine Kinder zu bekommen. Wir sind aber noch nicht da, wo wir sein sollten: Väter müssen selbstverständlich Elternzeit machen können – und nicht mit dem Ende ihrer Karriere bestraft werden, weil die Chefs denken: Was ist denn das für ein Mann? Was für ein Achtzigerjahre-Gedanke!

Mussten Sie auch Überzeugungen über Bord werfen?
Ich bin in meinem frühen Berufsleben sozialisiert worden in einer Welt von „alten weißen Männern“ (lacht). In vielen Köpfen waren die Vorstellungen von der Arbeitswelt tradiert. Ich glaube, von mir behaupten zu können, dass ich progressiv unterwegs bin. Bilaterale Absprachen können einfacher sein als offizielle Regelungen. Es gab zum Beispiel mal eine junge Mutter, die zurückkam. Ich habe ihr gesagt, dass sie nach vier oder fünf Stunden nach Hause gehen und sich um ihr Kind kümmern kann. Die restliche Arbeit könne sie abends noch erledigen. Ich wusste, ich kann mich blind darauf verlassen. So etwas hatte ich ganz oft. Dafür erhält man eine hohe Loyalität. Das muss auf Augenhöhe laufen, dann ist das Vertrauen da. Wenn jemand glücklich und zufrieden ist, dann klappt das. Wenn alles in Regeln gepackt und erzwungen werden muss, ist es nicht der richtige Weg.

Was würden Sie jüngeren Menschen raten, die sich gerade mitten auf der Karriereleiter befinden? Gibt es einen Punkt, wo man innehalten sollte?
Wenn man mitten auf der Karriereleiter angekommen ist, dann ist es grundsätzlich richtig, auch die nächste Sprosse zu besteigen. Wissen muss man allerdings, dass mit jeder Sprosse, die es nach oben geht, die Luft dünner wird. Deshalb sollte man bei jedem Schritt inne halten und sich die Frage stellen „Macht mich dieser Schritt glücklicher?“ Grundsätzlich glaube ich, dass es wichtig ist, mehr nach links und rechts zu schauen, auch mal Querschritte zu machen. Karriere muss nicht immer nur steil nach oben gehen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Was gibt es noch woanders?

Wie haben Sie das für sich bisher umgesetzt?
Ich habe in meinem Berufsleben die verschiedensten Branchen kennengelernt und unterschiedlichste Funktionen inne gehabt. Aufgaben wie im Vorstand der Stiftung Lesen, im Vorstand von Generation CEO oder in der Deutschen Bahn Stiftung geben einem andere Perspektiven. Ich mache das mit Leidenschaft. Was ich aber vermisse: Die Arbeit an der Basis mit den Menschen. Diese Nähe wünsche ich mir jetzt.

Man verliert also den Kontakt zu einfachen Leuten, wenn man es an die Spitze eines Konzerns wie der Bahn geschafft hat?
Im Gegenteil, ich halte mich für geerdet. Das gilt übrigens auch für meine Kollegen im Konzern. Aber die Themen und Aufgaben, die man übernimmt und inne hat, sind häufig weit weg von der Basis. Das ist unglaublich schade. Ich habe deshalb jetzt auch das Bedürfnis in mir, eher etwas direkt an der Basis zu machen, mir ein oder zwei Projekte zu suchen, die einer Sache und mir guttun. Es freut mich ungemein, dass mir so viele Menschen jetzt auch ihre Geschichten schreiben – die will ich mir dann alle nochmals in Ruhe durchlesen. Das gibt viele Impulse. Und klar ist damit auch: Ich bin kein Supermensch. Was ich mache, machen ganz viele andere bereits. Und auch ich möchte mir meine Auszeit jetzt schenken nach all den Jahren.

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