Berühmte letzte Worte

Anleitung zu konstruktiver Unzufriedenheit

Eine Kultur der Zufriedenheit lähmt Wirtschaft, Gesellschaft, jeden Einzelnen. Es wird Zeit für konstruktive Unzufriedenheit, fordert unser Kolumnist, Leadership-Berater Ralf Schwartz.

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Dieter Zetsche Quelle: REUTERS

Kennen Sie das? 'Wir sind zufrieden' sagt der Manager, das Unternehmen, sagen die Mitarbeiter, sagt das ganze Land. Ich kann es nicht mehr hören. Zufriedenheit ist Langeweile pur. Ein Leben ohne Herausforderungen:

I. Wer zufrieden ist, ist tot.

Zufriedenheit ist das Eingeständnis, es einfach nicht besser zu kennen. Nicht besser zu können. Nicht besser zu wollen.
In einer Kultur der Zufriedenheit gerinnt der Erfolg von gestern zu den Strukturhemmnissen von Morgen.
Warum sollte man sich noch Mühe geben? Es läuft doch. Man ist zufrieden: man hat sozusagen seinen Frieden mit der Situation gemacht.
Schlimmer noch: man ist immer öfter mit immer weniger zufrieden. Man wird bequem, gar lethargisch. Man gibt sich immer weniger Mühe. Man strebt immer weniger nach wahrem Nutzen, geschweige Innovation oder gar Disruption.
Wie sonst ist zu erklären, dass die Vorstandsmillionäre unserer Autogiganten seit mehr als 100 Jahren ungestört am Verbrennungsmotor herumoptimieren? Oder immer noch 60gr Zucker in einem Campina-Trinkjoghurt stecken? Oder die größten Kosmetikhersteller gesundheitsgefährdende Produktpaletten vertreiben?
Man entwickelt gar Strategien, sich selbst zu exkulpieren: inzwischen glauben alle, die Märkte seien gesättigt - und die Situation alternativlos.
Stellen Sie sich die Chefin vor, die weiß, dass ihre Kunden und Mitarbeiter zufrieden sind. Warum sollte sie irgendetwas zum Besseren zu wenden, gar Visionen entwickeln oder Zukunft schaffen? Zeitverschwendung.
Sie muss allein dafür sorgen, dass jeder meint, alles bleibt, wie es ist.
Dabei setzt an jeder Ecke der Verfall ein. Schleichend sinken die eigenen Standards, so man sie hatte, die eigenen Maßstäbe, die eigenen Werte. Man wird Durchschnitt, und der sinkt zu allem Überfluss kontinuierlich.
Zufriedenheit ist vergangenheits-, status- und sicherheits-orientiert. Zufriedenheit ist kontraproduktiv, ist Kompromiss, ist Kapitulation.

II. Anleitung zu konstruktiver Unzufriedenheit

Nein, statt zufrieden zu sein, sollte man vor Unzufriedenheit brennen.
Statt Zufriedenheit müssen Neugier, Forscherdrang, Vielfalt, Kreativität, das Entdecken neuer Horizonte, das Hinausschieben der Grenzen an der Tagesordnung sein.
Wir brauchen Zukunfts-Orientierung, Zukunfts-Fähigkeit. Bei den kleinsten Aufgaben des Tagesgeschäftes und den größten Visionen.
Wir müssen heute beginnen, die Kathedralen unserer Zukunft zu errichten, statt in denen unserer Vergangenheit die Brosamen aufzuklauben.

Erwachen, wachsen, inspirieren

Die größten Idole der Manager
Rang 10: Welche Führungspersönlichkeiten am meisten bewundert werden, hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC insgesamt 1473 Firmenchefs in 68 Ländern gefragt. Der französische Kaiser Napoleon I. schafft es auf Rang 10 und wurde gleichhäufig angeführt wie ... Quelle: rtr
... der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Clinton amtierte von 1993 bis 2001 und schaffte es in einzelnen Jahren seiner Regierungszeit, einen Haushaltsüberschuss zu erzielen. Quelle: AP
Rang 9: Ein weiterer von insgesamt vier US-Präsidenten in der Auflistung ist John F. Kennedy. Der charismatische Regierungschefs war im Jahr 1963 in Dallas ermordet worden. In Erinnerung bleibt er unter anderem für seine Führung in der Kuba-Krise und die Förderung der US-Raumfahrtindustrie, die in der ersten Landung eines Menschen auf dem Mond gipfelte – wenn auch sechs Jahre nach seinem Tod erst. Quelle: AP
Rang 8: Mit seiner neoklassischen Wirtschaftspolitik („Reagonomics“) hatte der 40. Präsident der USA, Ronald Reagan (Bildmitte), das Land auf einen wirtschaftsliberalen Kurs gebracht. Das Vertrauen in die Kräfte des Marktes dürfte mit ein Grund dafür sein, dass er bei Managern gut gelitten ist. Quelle: dapd
Rang 7: Die britische Premierministerin Margaret Thatcher starb am 8. April 2013. Nach der Todesnachricht zeigte sich, wie gespalten die britische Bevölkerung immer noch zu ihrer radikalen Politik in den 1980er-Jahren steht. Ihre Führungskraft brachte ihr den Spitznamen „Eiserne Lady“ ein. Sie reformierte die Wirtschaft, was mit einem Niedergang der Stahlindustrie einherging, und liberalisierte die Finanzbranche. Quelle: rtr
Rang 6: Schauspieler Daniel Day-Lewis in der Rolle des Abraham Lincoln. Der ehemalige US-Präsident hatte das Land von 1861 bis 1865 geführt und nach der Abspaltung des Südens die Nordstaaten in den Bürgerkrieg geführt. Letztlich einigte er das Land wieder, auch wenn er die endgültige Kapitulation der Südstaaten Ende April 1865 nicht mehr erlebte. Lincoln wurde wenige Tage vorher ermordet. Quelle: dapd
Rang 5: „Neutron Jack“ schafft es in die Top 5 des Rankings. Der ehemalige Chef des Industriegiganten General Electric, Jack Welch, gilt als eherner Verfechter des „Shareholder Values“. Demnach muss eine Firma vor allem das Wohl der Aktionäre im Sinn haben und erreicht dann auch andere Ziele. Den Mischkonzern und Siemens-Rivalen baute er so auf, das ständig schwache Bereiche abgestoßen und wachstumsträchtige Konkurrenten hinzugekauft wurden. Quelle: rtr


1. Awake!
Wachen Sie auf. Pfeifen Sie auf Zufriedenheit. Schlagen Sie über die Stränge. Leben Sie Emotionen, Extreme. Erinnern Sie sich wieder Ihrer einstigen Träume.
Engagieren Sie sich leidenschaftlich für Menschen, Marke, Unternehmen. Vollbringen Sie Quantensprünge statt tausender Trippelschritte.
"Ich bin erst zufrieden, wenn ich begeistert bin", steht zB seit 2005 auf meiner Website.
Denn wer nur zufrieden ist, wird nie wirklich glücklich werden. Der Weg zum Glück ist mit Begeisterung gepflastert. Auch wenn da manche Herausforderung zuerst wie eine Hürde wirkt. Aber daran wächst man. A propos:

2. Grow!
Fordern Sie sich selbst heraus - wenn es schon sonst keiner tut.
So erzählt Malcolm Gladwell in einem seiner Bücher die kurze Anekdote eines Weltklasse-Basketballers, der seit College-Tagen nach jedem Spiel seine Leistung in einer Liste bewertet. Er wird von einem Reporter gefragt, ob das nicht furchtbar frustrierend sei, zu den Besten der Welt zu gehören, aber in der Liste nie über 58 von 100 Punkten zu kommen. Darauf er: meinen Sie, ich wäre ohne meine Liste jemals einer der besten Spieler der Welt geworden?
Die weltbesten Sportler, Künstler, Sänger - übrigens, die weltbesten Manager auch - haben eine Liste, ein Ziel, eine Vision, bewusst oder unbewusst. Für sich - ihre Arbeit, das Unternehmen, das Land, die Gesellschaft. Was steht auf Ihrer Liste?

3. Inspire (the Next)!
Werden Sie inspirierendes Vorbild. Pfeifen Sie auf die Schubladen und die Regeln. Brechen Sie aus.

A. Machen Sie einen Unterschied!
Seien Sie unzufrieden. Stellen Sie infrage. Setzen Sie sich über Sachzwänge hinweg. Setzen Sie auf Effektivität, statt Effizienz in Ihrem Job, in Ihrem Leben.
Machen Sie die Dinge doch einfach richtig, wenn Sie schonmal da sind:

B. Schaffen Sie Wert(e)!
Wie können Sie Kunden, Mitarbeitern, Kollegen, Vorgesetzten, den Menschen wirklich von Nutzen sein?
Kuchen backen? Oder ihnen wahre Lösungen für ihre Problemstellungen anbieten? Nebenwirkungsfrei. Nachhaltig. Zukunftsfähig. Inspirierend.
Wie? Fragen Sie sie doch einfach. Oder - siehe Grow - gehen Sie direkt mit Ihrer Vision voran. A propos:

Nur Persönlichkeiten werden vermisst

Diese Manager haben gedient
Josef Ackermann Quelle: dapd
Stephan Winkelmann Quelle: REUTERS
Hartmut Mehdorn Quelle: dpa
Thomas Enders Quelle: REUTERS
Alan Lafley Quelle: REUTERS
Björn Gornik Quelle: Nils Hendrik Müller für WirtschaftsWoche
Stefan Schwille Quelle: Klaus Weddig für WirtschaftsWoche


C. Sorgen Sie dafür, dass man Sie vermisst!
Würde irgendjemand Herrn Zetsche, Frau Merkel, Herrn Ackermann, et al. vermissen? Nein, da wird einfach der nächste ideen- und visionslose Effizienzoptimierer auf den Platz gehievt. Business as usual. 'Drowning by Numbers', wie man in Anlehnung an Greenaways Kultfilm sagen könnte.
Vermisst werden Persönlichkeiten, die Unabhängigkeitserklärungen schreiben. Persönlichkeiten, die einer Nation ermöglichen, den Mond zu betreten. Persönlichkeiten, die das Auto erfinden - nicht die, die 100 Jahre daran herumdoktorn. 


Drücken Sie dem Produkt Ihren Stempel auf. So, dass Sie auch in ein paar Jahren noch stolz darauf sein können.
Schaffen Sie eine zukunftsfähige Kultur im Unternehmen. Verwandeln Sie das komplette System in eine Quelle der Inspiration für alle. Kreieren Sie neue Märkte. Neue Horizonte. Ewige Werte.
Seien Sie konstruktiv unzufrieden. Werden Sie ein kreativer, konstruktiver Zerstörer.
Seien Sie erst zufrieden, wenn Sie begeistert sind!

Was ist Ihr Verbrennungsmotor? Ihr Mondlandeprogramm? Ihre Unabhängigkeitserklärung?

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