Mal sind es Klinikärzte, die fast die Hälfte ihrer Zeit mit Verwaltungsarbeiten vergeuden, statt sich ihren Patienten zu widmen, mal Autobahnbaustellen, auf denen allein ein störungsfreier Materialfluss beim Asphaltieren Zeit und Kosten halbieren könnte: Verschwendung ist Eberhard Weiblen ein Graus. Ob Krankenhäuser oder Baufirmen, ob große Konzerne oder Mittelständler: Seit 15 Jahren hat der Chef der Unternehmensberatung Porsche Consulting dem Schlendrian den Kampf angesagt. Weiblens Credo: „Unternehmen, die Spitzenleistungen erzielen wollen, müssen sich auf das Wesentliche konzentrieren.“
Keine Zeit und Ressourcen zu verschwenden und so mehr Zeit und Ressourcen zu haben, um das Richtige richtig zu machen: Dieses Erfolgsprinzip hat Porsche zum profitabelsten Autoproduzenten der Welt gemacht. Und die hauseigene Beratertruppe zu einem der gefragtesten Consultingunternehmen Deutschlands, weit hinaus über die Grenzen nicht nur des eigenen Unternehmens, sondern auch der Autoindustrie. Offenbar wollen in Zeiten, in denen keiner etwas zu verschwenden hat, Manager aus vielen Branchen dem Beispiel des Sportwagenherstellers nacheifern. Und engagieren deshalb die Berater aus dem Stuttgarter Speckgürtel.
„Gute Beratung ist keine Frage von Größe oder Internationalität“, sagt Gerd Kerkhoff, Gründer und Chef der auf die Organisation von Logistikketten spezialisierten gleichnamigen Unternehmensberatung. „Wir sind äußerst flexibel und verstehen unsere Kunden, für die wir stets exklusiv da sind – das können die großen Beratungshäuser gar nicht leisten.“
Dass es sich hier nicht nur um Werbung in eigener Sache handelt, belegt auch der diesjährige Wettbewerb Best of Consulting (BoC), in dem die WirtschaftsWoche Deutschlands beste Unternehmensberatungen eruiert. Ergebnis des dreiteiligen Verfahrens, das Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg jeweils aus der kritischen Warte der Kunden misst: Porsche Consulting verbessert sich um vier Plätze und ergattert mit deutlichem Abstand auf die Wettbewerber die Poleposition im Gesamtranking. Die vermeintlich unangreifbaren Platzhirsche – Vorjahressieger Boston Consulting Group und Marktführer McKinsey – müssen sich im Gesamtranking mit Platz zwei und drei begnügen.
Deutschlands beste Berater
Vorjahr: 5
Beratung: Porsche Consulting
Punkte*: 2,27
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 1
Beratung: BCG
Punkte*: 2,16
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 2
Beratung: McKinsey
Punkte*: 2,08
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 6
Beratung: PwC
Punkte*: 1,89
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 3
Beratung: Roland Berger
Punkte*: 1,84
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 8
Beratung: Bain
Punkte*: 1,81
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 4
Beratung: A.T. Kearney
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 9
Beratung: Horváth
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 15
Beratung: Oliver Wyman
Punkte*: 1,73
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: -
Beratung: Stern Stewart
Punkte*: 1,68
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Immer wählerischer
Was den beiden Marktführern besonders missfallen dürfte: In der Umfrage unter 1500 Top-Managern schnappte ihnen der mit 350 Mitarbeitern vergleichsweise kleine Konkurrent nicht nur den Gesamtsieg, sondern auch den Titel als bester Wertsteigerer weg. „Der Sieg des vermeintlichen Nischenplayers über die bisherigen Platzhirsche zeigt, dass es heute nicht mehr ausreicht, eine allseits bekannte und renommierte Marke zu haben“, sagt Branchenexperte Frank Höselbarth. „Die Auftraggeber von Beratern werden immer wählerischer.“
Was auch daran liegt, dass auf Kundenseite mittlerweile selbst jede Menge ehemalige Berater sitzen. Die Alumni von McKinsey, BCG oder Roland Berger wissen aus eigener Erfahrung, dass in den Beratungshäusern nur mit Wasser gekocht wird. Sie vergeben nur noch die dringlichsten Aufträge an externe Consultants. Das hat zur Entmystifizierung der Branche und der großen Beratermarken geführt. Und die Preise sinken lassen, zumal für die erfolgsverwöhnten großen Platzhirsche.
Frischer Wind
„Der Trend zum Spezialistentum in der Beraterbranche hält an“, so Alexander Moscho, BoC-Jurymitglied und Leiter Konzernentwicklung bei dem Leverkusener Chemiekonzern Bayer.
Für die großen Universalanbieter wird es vor diesem Hintergrund immer schwerer, die kleineren Spezialisten auf Distanz zu halten. „Sie fordern konkret messbare Ergebnisse und bevorzugen schlanke, überschaubare Teams, die innovative Ideen ins Unternehmen hereintragen, die per Hilfe zur Selbsthilfe anschließend von den eigenen Mitarbeitern umgesetzt werden können“, sagt Lars Wellejus, BoC-Juror und Professor für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Frankfurt.
Genau hier setzt der Erfolg von Porsche Consulting an. „Statt von oben herab Prozesse in das Unternehmen hereinzudrücken, interessieren wir uns vor allem für den Mitarbeiter. An seiner Seite erkennen wir sehr schnell, wo es hakt im Prozess“, sagt Porsche-Consulting-Partner Ulrich Guddat. „Danach sorgen wir gemeinsam mit dem Mitarbeiter dafür, dass die Erfüllung seiner Aufgabe störungsfrei möglich ist. Nur so kann er seine Kompetenz voll entfalten. Davon profitieren alle – Mitarbeiter, Unternehmen und Kunden.“
Methode
Im Auftrag der WirtschaftsWoche entwickelten Branchenexperte Frank Höselbarth und Lars Wellejus, BWL-Professor an der Fachhochschule Frankfurt, Deutschlands bislang umfangreichsten Beratercheck: In einem dreiteiligen Verfahren ermittelten sie erst Markenstärke und die Fähigkeit zur Wertsteigerung, jeweils anhand des Urteils von Deutschlands 1.500 größten Unternehmen. Punkten konnten die Beratungen außerdem mit Projekten, die sie in sieben Kategorien einreichen konnten und die von einem Fachbeirat und einer Jury bewertet wurden. Aus den drei Einzelergebnissen errechnet sich die Note fürs Gesamtranking.
Aufgrund dieser Methode ist es möglich, die Arbeit von Platzhirschen wie McKinsey oder der Boston Consulting Group mit Leistungen weniger bekannter, aber ambitionierter Spezialberatungen zu vergleichen. Und so Licht in eine bislang recht intransparente Branche zu bringen. Ausführliche Informationen unter award.wiwo.de/boc2013/
So ist etwa Jim Hagemann Snabe nicht nur begeistert von den besseren Zahlen, sondern auch vom Kulturwandel, den Porsche Consulting in seinem Unternehmen angestoßen hat:„Wir geben unseren Entwicklern die Möglichkeit, kreativer und enger mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten“, sagt der Co-Vorstandssprecher des Softwarekonzerns SAP, „und bringen Innovationen heute wesentlich schneller an den Markt.“
Doch nicht nur umsetzungsstarke Managementberatungen wie Porsche Consulting, die in der Lage sind, Führungskräfte wie Mitarbeiter gleichermaßen für sich einzunehmen, bringen die großen Beratungshäuser zunehmend unter Druck. Das zeigt die große Wertschätzung, die sich etwa die Strategieberatung Stern Stewart bei deutschen Top-Managern erarbeitet hat.
Die Jury
verantwortet als Managing Director den Bereich Fusionen und Zukäufe bei Credit Suisse.
leitet die Strategieentwicklung bei T-Systems und lehrt als Professor für Corporate Management und Consulting an der BiTS-Hochschule in Iserlohn.
Leiter Corporate Development bei Bayer.
Direktor der konzerninternen Beratungssparte der Deutschen Bank, zuständig für den Vergabeprozess zur Erteilung externer Beratungsmandate.
Chefredakteur der WirtschaftsWoche.
verantwortet in der Geschäftsführung des mittelständischen Bad- und Armaturenherstellers Viega die Ressorts Finanzen und Informationstechnologie.
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Frankfurt und Aufsichtsratsvorsitzender der European Technologies Holding.
In den Neunzigerjahren vor allem bekannt für die Entwicklung der Kennzahl Economic Value Added (EVA), über die sich der Wert einer Investition berechnen lässt, begleiten die 60 Berater in Deutschland heute Dax-Konzerne wie große Mittelständler bei Fusionen, Zukäufen und Restrukturierung, aber auch, wenn einfach mal die Kosten runter müssen. Dabei scheuen die Berater nicht davor zurück, Unternehmen auch schon mal vehement von letztlich unsinnigen Großinvestitionen abzuraten oder radikalere Umbauarbeiten in der Zentrale vorzuschlagen. Offenheit, die sich auszahlt: War sie im vergangenen Jahr noch von der Konkurrenz abgeschlagen, schaffte die Boutique den Sprung unter die Top Ten.
„Kleine Strategieberatungshäuser gehen oft forscher und frecher vor als die etablierten Strategieberater“, sagt Thomas Deelmann, BoC-Jurymitglied und Professor für Corporate Management und Consulting an der Business and Information Technology School in Iserlohn. „Das kann frischen Wind in Unternehmen bringen.“
Porsche Consulting: Wissen im Takt
Lässt sich die Arbeit von Softwareentwicklern takten wie die Produktion eines Autos? Das fragte sich Jim Hagemann Snabe, als er vor fünf Jahren das Porsche-Montagewerk besuchte. Das Problem des SAP-Co-Chefs, damals Vorstand für Produktentwicklung: Technologisch waren die SAP-Programme gut, aber ihre Entwicklung dauerte zu lange. Von der Festlegung der Spezifikationen bis zur Auslieferung beim Kunden vergingen 15 Monate, Nachbesserungen dauerten nochmal genau so lange.
Hagemann Snabes Ziel: kleinere Programmpakete, Verbesserungen in Häppchen, von Anfang an Mitsprache für die Nutzer. Dafür brauchte er neue Organisationsformen – warum nicht wie bei Porsche?
„Software lässt sich zwar nicht im Vier-Minuten-Takt entwickeln“, sagt Hagemann Snabe. „Aber mit dem Lean-Management-Ansatz, den auch Porsche verfolgt, können wir unsere Softwareentwickler von unnötigen Tätigkeiten entlasten und ihnen mehr Freiraum für Innovation verschaffen.“
Unterstützt durch Porsche Consulting, analysierte SAP-Projektleiter Martin Fassunge die Tagesabläufe der Entwickler. Das Ergebnis: zeitfressende Abstimmungsrunden und Arbeitsunterbrechungen wegen parallel laufender Projekte, hohe Wartezeiten durch falsche Prioritäten. Heute arbeiten SAP-Programmierer mit Experten für Dokumentation, Vertrieb, Benutzeroberflächen oder Design zusammen, müssen im Zwei-Wochen-Takt klar definierte Arbeitspakete abarbeiten. „Wie bei Porsche in der Produktion weiß heute auch bei SAP jeder, wer welche Rolle im Gesamtablauf hat“, sagt Fassunge. „Das spart Zeit.“
Und belebt die Firmenkultur: „Unsere Mitarbeiter sollen lernen, die richtigen Fragen zu stellen, Aufgaben klar zu definieren und so zu verteilen, dass die Teams sie in vorgegebener Zeit abarbeiten können“, sagt Hagemann Snabe. Die Folge: Statt 15 Monaten dauert die Softwareentwicklung nur noch sieben bis acht Monate. „Kurze Entwicklungszeiten“, sagt Manfred Bruhn, BoC-Fachbeirat und Professor für Unternehmensführung an der Universität Basel, „sind in Märkten mit sinkenden Produktlebenszyklen ein klarer Wettbewerbsvorteil.“
Accenture: Raus aus der Warteschleife
Wer 2011 Strom vom Energieversorger Vattenfall bezog und dem Kundenservice per Telefon eine Frage zu seinem Vertrag stellte, musste Geduld mitbringen. In der Regel landete er erst minutenlang in der Warteschleife. Und dann oft bei einem Callcenter-Mitarbeiter, der die Frage nicht beantworten konnte. Rückrufe klappten selten.
Heute gibt es im Kundenservice von Vattenfall keine Callcenter mehr. „Floor-Mitarbeiter“ heißen die internen und externen Kundenberater heute und sitzen in neuen, hellen Großraumbüros. Sie haben alle das gleiche Basiswissen, um einfache Anfragen zu bearbeiten. Nur noch bei komplizierteren Fällen wie rückwirkenden Korrekturen von Rechnungen wird ein Mitarbeiter mit Spezialkenntnissen hinzugezogen. „Nahe Führung“ nennt Vattenfall das neue Konzept: Es gibt täglich morgendliche Teammeetings, alle zwei Wochen spricht der Teamleiter mit jedem Mitarbeiter konkrete Fälle durch, jeden Monat gibt es Feedback.
Für „einmalig in der Energieversorger-Landschaft“ hält Gunnar Wilhelm, Geschäftsführer Kundenservice bei Vattenfall Europe, den Umbau seiner Kundenservice-Abteilung. Gestemmt hat er das Projekt namens Wow (Ways of Working) mithilfe der Unternehmensberatung Accenture. Als der Energiekonzern die Berater engagierte, hatten die Vattenfall-Kundenservice-Manager in Deutschland schon von ähnlichen Projekten in den Niederlanden und Schweden gelernt. „Eine Situation, wie ein Berater sie sich wünscht“, erinnert sich Clemens Oertel, Leiter des Bereichs Kundenbeziehungsmanagement bei Accenture. „Der Kunde hatte eine klare Vision davon, wie er sich verbessern will, war unseren Vorschlägen gegenüber gleichzeitig sehr offen.“
Wohl auch, weil der Kundenservice bei Energieversorgern als besonders komplex gilt: Allein die Bundesnetzagentur ändert jedes halbe Jahr die technischen Anforderungen. Um seinen Kundenservice zu verbessern, schickte Vattenfall Mitarbeiter in Trainings, investierte in neue Informationstechnologie und baute die Büroflächen um.
Der Erfolg ist augenscheinlich: Die Kosten sanken um 30 Prozent. Und die Vattenfall-Kunden waren in diesem Sommer mit ihrem Stromanbieter so zufrieden wie nie zuvor.
Horváth & Partners. Äpfel und Birnen
Zusatzstoffe für Weichspüler, Bindemittel für Lacke, neue Materialien für die Luftfahrtindustrie: Evonik ist mit vielen seiner Spezialchemieprodukte Weltmarktführer. „Wir sind auf Wachstum getrimmt“, sagt Evonik-Managerin Bettina Uhlich. „Geringe Komplexität, schlanke Abläufe, Transparenz und globales Denken helfen uns dabei.“
Dass Wunsch und Wirklichkeit auch mal voneinander abweichen, stellt sich bei einer internen Überprüfung im Mai 2011 heraus: Im Konzern gibt es 25 Definitionen für den Deckungsbeitrag, 17 Arten, ein Ergebnis zu berechnen, keinen einheitlichen Kontenplan, dafür zehn Reportingsysteme. Selbst innerhalb einzelner Einheiten weichen Definitionen betriebswirtschaftlicher Größen voneinander ab. Damit Evonik-Controller nicht länger Äpfel mit Birnen vergleichen müssen, sollen die Berater von Horváth & Partners, spezialisiert auf Unternehmenssteuerung mit Kennzahlen, das weltweite Finanz- und Rechnungswesen des Konzerns vereinheitlichen.
Hauptkriterium der neuen Systematik: Kosten werden dort ausgewiesen, wo sie anfallen. „Nun sind Informationen an Verantwortung gekoppelt“, sagt Horváth-Berater Stefan Zeibig. „Manager sind nur für das verantwortlich, was sie beeinflussen können.“
„Es gilt, die Mitarbeiter vom Wert der Kennzahlen zu überzeugen“, sagt BoC-Jury-Mitglied Ulrich Becker. „Das war Präzisionsarbeit.“
Kerkhoff: Erste Sahne
Neue Verpackung, kurzfristige Werbeaktionen, höhere Stückzahlen – und alles am besten schon gestern erledigt: Ständig kamen im Sommer 2011 neue Änderungswünsche englischer Kunden auf den Tisch. „Immer wieder wollten sie neue Varianten ihrer Cheesecakes“, erinnern sich Tobias Heinemann, Leiter des Materialmanagements, und Wolfram Wacker, verantwortlich für das Lieferkettenmanagement beim Tortenhersteller Coppenrath & Wiese, an den Beginn der Weihnachtsproduktion vor zwei Jahren. „Wie sollten wir dieses zusätzliche Pensum bloß bewältigen?“
Denn Käsekuchen kann das Familienunternehmen aus Osnabrück damals nur auf einer seiner 23 Produktionslinien herstellen. Der Kraftakt gelingt schließlich – allerdings nur mithilfe teurer Sonderschichten und zusätzlichen Mitarbeitern. Weihnachten 2011 steht für die Manager fest: Auf solche kurzfristigen Auftragsänderungen muss das Unternehmen künftig besser vorbereitet sein.
Der 1975 gegründete Tortenproduzent ist seit der Wende stark gewachsen: Fast eine Million Torten und Kuchen produziert der Mittelständler im Jahr. Täglich werden 80 000 Liter Sahne geschlagen, 170 Mal ändert sich das Sortiment im Jahr. Die Unternehmensstrukturen aber bilden das schnelllebige Geschäft schon lange nicht mehr ab: Der Absatz wird ohne Rücksicht auf Marktforschung und ausländische Märkte geplant. Änderungen erreichen die Logistik nicht, eine durchgängige Bedarfsplanung existiert nicht, der Einkauf muss auf viele Quellen zugreifen.
„Die Nahtstellen zwischen Vertrieb und Produktion, aber auch zwischen Marketing, Finanzen und Beschaffung mussten verbessert werden“, sagt Bardo Hassemer vom Logistikberater Kerkhoff Consulting, den Coppenrath & Wiese ins Haus geholt hatte, um seine Strukturen dem komplexen Geschäft anzupassen.
Die Berater verbessern den Informationsfluss zwischen Vertrieb und Bestands-, Logistik-, Produktions- und Einkaufsplanung. Weil Schritte entfallen, werden die Aufgaben schneller erledigt, die Zahl der kurzfristigen Umplanungen sinkt, das Unternehmen spart Material und Lagerraum und kann schneller liefern. „Wir haben nicht nur unsere Prozesse verbessert“, sagt Coppenrath & Wiese-Manager Wacker. „Wir sind zu einer lernenden Organisation geworden.“
Camelot ITLab: Fast automatisch
Manuell gepflegte Excel-Tabellen waren bei BMW jahrzehntelang das Kernwerkzeug, um die Frachtkosten im gesamten Konzern zu managen. Von denen, die das System einst aufgebaut hatten, waren viele bereits pensioniert. Als „Spaghetti-System“ gelten solche Konstellationen in Branchenkreisen, weil die erst über Jahrzehnte wachsen und dann für Außenstehende kaum mehr zu entwirren sind.
„Da wir in den kommenden Jahren mit einer wachsenden Zahl jährlich produzierter Pkws rechnen, brauchen wir mehr denn je einen Frachtabrechnungsprozess, der reibungslos funktioniert“, sagt BMW-Projektleiterin Kirsten Commer.
Dafür sollten die Berater von Camelot ITLab sorgen: Sie führten eine weltweit erstmals verwendete SAP-Software ein, an deren Entwicklung sie beteiligt waren. „Wir verstehen nicht nur die Möglichkeiten der IT, sondern auch die Anforderungen der Geschäftsprozesse und der Unternehmensorganisation“, sagt Camelot-Chef Josef Packowski.
Heißt auch: Spediteure, die für den Autokonzern tätig sein wollen, müssen sich nun als BMW-Partner qualifizieren und zu vorher festgelegten Bedingungen liefern. Gezahlt wird nach Vorkostenkalkulation per Gutschrift. Dadurch entfallen viele Prozessschritte, der Papierkram wird weniger. Manuell nachgebessert wird nur noch in Ausnahmen, das Gros läuft automatisiert.
„Das Konzept von Camelot ITLab hat uns beeindruckt“, sagt Jury-Mitglied Thomas Deelmann. „Der Dreischritt aus Strategie, Prozessen und IT-Unterstützung ist gelungen.“
Mercer: Grenzenlos
Wer bei BMW arbeitete und das Angebot bekam, auf einen Posten ins Ausland zu wechseln, hatte lange Zeit ein Problem. Denn zur ersten Freude etwa über einen neuen Job in den USA gesellte sich rasch ein Gefühl der Unsicherheit: Schließlich ließ sich nicht ohne Weiteres sagen, ob der neue Job außerhalb Deutschlands einen Aufstieg bedeutete oder zumindest auf der gleichen Karrierestufe angesiedelt war. Oder ob man sich gar verschlechterte. Denn bei dem bayrischen Automobilhersteller gab es einen bunten Strauß von Funktionsbewertungssystemen. In England, wo die Rolls-Royce- und Mini-Produktion, Motorenwerke sowie Vertriebs- und Finanzorganisationen zum Unternehmen gehören, existierte eine Insellösung. Im Reich der Mitte hinkte das Job-Grading-System dem rasanten Wachstum von BMW China hinterher. Weltweit waren viele Führungspositionen erst gar nicht eingeordnet.
Um die Führungspositionen für 106 000 Mitarbeiter global zu harmonisieren und Mitarbeiter durch mehr Transparenz und marktgerechte Bezahlung langfristig ans Unternehmen zu binden, engagierte der Autobauer aus München Mitte 2010 den Personal- und Vergütungsspezialisten Mercer.
80 Referenzpositionen wurden so idealtypisch charakterisiert und mehr als 2000 konkrete Stellen nach diesen Kriterien bewertet. Weil die Führungsstruktur nun weltweit nachvollziehbar ist und Mitarbeiter erkennen, wie die Stelle in der Nachbarabteilung oder ausländischen Niederlassung eingeordnet ist, wissen sie auch, ob ein Wechsel als Aufstieg gewertet werden kann.
„Das neue Bewertungssystem fördert das Denken über Ressortgrenzen hinaus und ist die Grundlage für eine globale Personalentwicklung“, sagt Konzern-Personaler Johannes Trauth, Leiter des Bereichs Vergütung. „Die Umsetzung hat gut funktioniert, weil alle Beteiligten weltweit von Anfang an eingebunden wurden.“
In der Pilotphase etwa diskutierten Deutsche, Malaysier mit Polen und Südamerikanern über die Bewertung von Positionen. Jury-Mitglied Axel Wachholz ist begeistert: „Eines der anspruchsvollsten Personalprojekte, die ich je gesehen habe.“
PWC: Minenfelder umschifft
Von der Automatendreherei im Schwarzwald zum weltweit agierenden Spezialisten für Umformtechnik: Seit seiner Gründung im Jahr 1942 hatte sich Mittelständler Neumayer Tekfor im Laufe mehrerer Jahrzehnte zum erfolgreichen Automobilzulieferer gemausert, mit 3500 Mitarbeitern, Standorten und Aufträgen in der ganzen Welt. Doch im Sommer 2012 droht das Aus: In Südeuropa und Brasilien brechen die Märkte ein, die Gesellschafter sind zerstritten, das Unternehmen ist hoch verschuldet, die Zahlungsunfähigkeit droht.
Nach der Bestandsaufnahme durch die Berater von PricewaterhouseCoopers beantragt das Management des Mittelständlers Insolvenz nach dem neuen Schutzschirmverfahren
„Schon der Name indiziert, dass ein solches Verfahren weniger schädigend für Reputation und Kundenbeziehungen ist als ein reguläres Insolvenzverfahren“, sagt PricewaterhouseCoopers-Partner Joachim Englert.
Das damals größte deutsche Schutzschirmverfahren habe Vorbildfunktion – auch, weil PwC die Restrukturierung mit „hoher Detailgenauigkeit exzellent geplant und bis zum Schluss ohne Abweichungen durchgeführt hat“, bestätigt Insolvenzverwalter Joachim Exner, der das Schutzschirmverfahren als Interims-Geschäftsführer begleitet hat.
Das Ergebnis nach wenigen Monaten: Die Schulden sinken, das Unternehmen ist wieder profitabel, alle Arbeitsplätze bleiben erhalten. Gezielt wird in neue Maschinen investiert, die Abläufe werden neu organisiert. „Dank PwC war das Unternehmen wieder etwas wert“, sagt Credit-Suisse-Manager und BoC-Jurymitglied Ulrich Becker. Auch in den Augen von Investoren: Im März 2013 übernahm der indische Komponentenhersteller Amtek den deutschen Mittelständler.
„Ein erfolgreiches Projekt – trotz echter Minenfelder“, lobt BoC-Juror Becker die Berater, die neben Methoden- und Branchenkenntnissen auch die Fähigkeit gezeigt hätten, zwischen den Interessengruppen zu moderieren. „Das“ sagt Juror Becker, „war eine riesengroße Kraftanstrengung.“
Die Preisverleihung
Mehr als 100 hochrangige Gäste von Beratungsunternehmen, aus Industrie und Wissenschaft feierten im Düsseldorfer Nobelhotel Hyatt Deutschlands beste Unternehmensberater. Die Sieger des von der WirtschaftsWoche ausgelobten Preises Best of Consulting (BoC), Deutschlands umfassendstem Ranking der Beraterindustrie: Boston Consulting genießt nach wie vor den besten Ruf in der Branche. Bester Wertsteigerer und Gesamtsieger wurden dieses Jahr aber die Berater von Porsche Consulting, die auch das am höchsten bewertete Projekt eingereicht hatten: Für den Kunden SAP entwickelte die Consulting-Tochter des Automobilherstellers eine neue Organisationsstruktur für die 15 000 Softwareentwickler, die Strukturen aus der Porsche-Montage auf die Arbeit der Programmierer überträgt. Und so die Entwicklungszeiten für neue Programme von 15 auf 6 Monate reduziert.
Ziel des Wettbewerbs, der die Leistung der Consultants präzise misst: mehr Transparenz in eine verschwiegene Branche zu bringen. „Wir wollen den blinden Fleck lösen“, sagt Frank Höselbarth, Geschäftsführer der Markenberatungsagentur People Brand und Mitentwickler der BoC-Methode.
„Und die heimlichen Stars der Branche ans Licht holen.“ Mehr Bilder vom Abend unter www.wiwo.de/boc2013/