Bewerbersuche Was Persönlichkeitstests bringen

Wer passt wirklich ins Unternehmen? Um das herauszufinden, setzt der Großteil der Firmen bei der Bewerberauswahl auf Persönlichkeitstests. Doch nicht jeder Test ist geeignet. Welche Verfahren etwas taugen.

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Die fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch
„Wie viele Briefkästen der Deutschen Post stehen auf den Straßen Deutschlands?“ Quelle: dpa
„Wie viele Smarties passen in einen VW-Bus?“ Quelle: dpa
„Sie steigen in den Aufzug ein und im Aufzug befindet sich der CEO. Was würden Sie ihm sagen, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen?“ Quelle: REUTERS
Wenn Sie alle Wohnungen in NRW mit Parkett ausstatten wollen würden, wie viel Holz müsste im Schwarzwald abgeholzt werden?“ Quelle: dpa
„Wie viele Cappuccinos werden täglich in Manhattan verkauft?“ Quelle: dpa
„Wenn der Schokoriegel „Mars” eine Person wäre, wie wäre sie?” Quelle: dpa
Der Leiter der Lufthansa Cargo Animal Lounge, Axel Heitmann, hält am Flughafen in Frankfurt am Main einen Regenwurm aus China in seiner Hand Quelle: dpa

Nur selten werden Menschen wegen fachlicher Mängel gefeuert - meist ist es die Persönlichkeit, die nicht passt. Deshalb vertrauen 80 Prozent der deutschen Unternehmen auf Persönlichkeitstests - Tendenz steigend. Gerade bei der Suche nach Führungskräften kommen sie zum Einsatz, wie eine Erhebung des Diplompsychologen Rüdiger Hossiep von der Ruhr-Universität Bochum zeigt. Im Jahr 2007 seien es erst 20 Prozent der Betriebe gewesen, die mit Psychotests den oder die Richtige suchten.

Doch welcher Test taugt wirklich was? Die Liste der Verfahren ist lang. Allein im „Handbuch der Persönlichkeitsanalysen“ von den Beratern Markus Brand, Frauke Ion und Sonja Wittig vom Institut für Persönlichkeiten sind mehr als 20 Tools zur Persönlichkeitsanalyse gelistet. Mit ihrer Hilfe sollen Personaler und Vorgesetzte herausfinden, ob ein Bewerber zu ihnen passt, aus welchen Mitarbeitern sie ein erfolgreiches Team zusammenstellen und wie sich Mitarbeiter künftig entwickeln werden.


Tests ohne wissenschaftliche Grundlagen bringen nichts

Die Teilnehmer an Hossieps Umfrage schwören auf den Myers-Briggs-Typenindikator und das Persolog-Persönlichkeits-Profil, sowie auf das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeit und das Occupational Personality Questionnaire. Doch deren Tauglichkeit ist fraglich. "Die beiden ersten Rangplätze werden von zwei typenbildenden Verfahren eingenommen, deren Aussagekraft aus wissenschaftlicher Perspektive in Frage steht", kritisierte Hossiep. Und genau das macht einen schlechten Persönlichkeitstest aus, weiß Jürgen Deller. „Testverfahren müssen wissenschaftlich entwickelt und validiert sein, sie müssen objektiv und zuverlässig sein, also immer genaue und wiederholbare Ergebnisse liefern“, sagt er.

Außerdem müsse ein Test das vorhersagen, wofür er eingesetzt wird. Deller ist Professor für Wirtschaftspsychologie mit den Schwerpunkten Differenzielle Psychologie, Eignungsdiagnostik und Organisationspsychologie am Institut für Strategisches Personalmanagement der Leuphana Universität Lüneburg. Er erlebt häufig, dass für die Bewerberauswahl Tests eingesetzt werden, die dafür gar nicht konstruiert wurden. Wie etwa der Myers-Briggs-Typen-Indikator, der auf eine Methode des spirituell angehauchten Schweizer Psychiaters Carl Gustav Jung zurückgeht, mit dem dieser seine Patienten in Kategorien einordnete.

Das sind die Typen des Myers-Briggs-Typenindikators

Wer einen solchen Test, der je nach Tagesform und Situation auch noch andere Ergebnisse ausspuckt, zur Bewerberauswahl einsetzt, begeht laut Deller schlicht einen Kunstfehler. Das Problem sei, dass nur in wenigen Personalabteilungen entsprechendes Fachwissen über Testverfahren präsent sei, um solche Fehler zu vermeiden.

Er rät Unternehmen deshalb, auf Experten zurückzugreifen, wenn es um den Einsatz von Persönlichkeitstests geht. „Je nachdem, ob ich viele oder wenig Bewerber habe, lohnt sich der Besuch bei einem externen Tester oder die Schulung der eigenen Personalabteilung“, sagt er. Für kleine und mittelständische Unternehmen böten häufig Verbände oder Kammern wie die IHK solche Testverfahren an.

Einer dieser Experten ist Rainer Neubauer. Neubauer ist Industrie- und Organisationspsychologe und arbeitet seit 2003 als Diagnostiker, Coach und Berater für Führungskräfte und Führungsnachwuchs. Er ist Geschäftsführer der Metaberatung GmbH in Deutschland und der Schweiz, einem Beratungs- und Servicedienstleister für Persönlichkeitsverfahren. Er weiß, wie Tests manipulationssicher gemacht werden. Denn Bewerbungs- und Karrierecoaches wie Jürgen Hesse haben zum Thema seitenweise Testknack-Tipps veröffentlicht. „Bei der Manipulation eines Tests gibt es drei Möglichkeiten: Ich versuche zu lügen beziehungsweise lasse vielleicht sogar jemand anderen den Test für mich machen. Ich gebe die Antworten, von denen ich denke, dass sie gewünscht sind oder ich kreuze aus Arroganz einfach wahllos irgendwas an“, sagt er.


Nur wenige versuchen, Tests zu manipulieren

Um Lügner zu identifizieren, baue man sogenannte Konsistenzfragen ein, die – in verschiedenen Formulierungen – immer wieder im Test auftauchen. „Wer lügt, hält das nur schwer durch“, weiß Neubauer. Diese Konsistenzfragen entlarven auch Teilnehmer, die einfach wahllos irgendetwas angekreuzt haben. Natürlich sage man dem Kandidaten dann nicht auf den Kopf zu, dass er beim Lügen ertappt worden ist. „Da heißt es dann eher: Da scheinen Sie keinen guten Tag gehabt zu haben, aber Sie können den Test nochmal wiederholen.“

Hinzu kommt, dass die Tests in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls verändert werden. „Spätestens alle acht Jahre muss ein Test überprüft werden, um seine präzise Funktionsweise zu sichern“, bestätigt Deller. Sich einmal ein Testknacker-Buch zu kaufen, hilft also nicht ewig. Und sobald auffällt, dass besonders viele Kandidaten die gleichen Antworten geben, wird der Test ohnehin verändert. Allerdings zeige die Statistik, dass die Versuche, Persönlichkeitstest zu manipulieren, im unteren Prozentbereich liegen, so Neubauer.

Gerade was den Fall der Gefälligkeitsantworten angehe, sieht er keine Probleme. „Bei einem Autohändler würde man in diesem Fall von einem großen Verkaufstalent sprechen“, sagt er. Insofern komme es darauf an, wen man sucht. Wer einen Verkäufer sucht, sollte sich also überlegen, ob er einen Bewerber ablehnt, der sich gut auf sein Gegenüber einstellen kann und zu erahnen versucht, was dieser von ihm hören will. Und auch Deller sagt, dass sich Bewerber im Vorstellungsgespräch ohnehin besser darstellen, als sie sind. Irgendwie wird das ja schließlich auch gefordert. Insofern habe ein solches Verhalten keine großen Auswirkungen.

Und selbst wenn jemand auf die Frage nach den eigenen Schwäche mit „ich arbeite immer zu viel und bin ein Perfektionist“ antwortet, hat sich damit noch nicht disqualifiziert, sondern höchstens den Personaler belustigt. Denn: „Eine Frage allein sagt noch gar nichts aus“, wie Neubauer weiß.

Darüber hinaus sollten sich Personaler nicht alleine auf die Tests verlassen, so Deller. „Es gibt Interviews, Tests, den Lebenslauf und das Assessment-Center. Und Personalauswahl sollte sich nie nur auf ein Instrument stützen.“

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