Redakteure kennen es aus eigener Erfahrung. Bei der Bewerbung um ein Volontariat – also die Ausbildung zum Redakteur – müssen sie vielen Hürden nehmen. Zunächst das Anschreiben mit Lebenslauf und Arbeitsproben, dann eine Probereportage oder vielleicht auch ein selbst produziertes Video, anschließend ein Assessment-Center vor Ort, eventuell sogar eine zweite Auswahlrunde. Vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dauert der Auswahlprozess Monate.
Doch auch BWL-Absolventen, Ingenieure oder Informatiker kennen den Bewerbungsmarathon. Vor allem große Konzerne bekommen mehr als tausend Bewerbungen auf einige wenige Stellen. Beim Chemieriesen BASF haben sich im vergangenen Jahr etwa 5000 Hochschulabsolventen auf 70 Traineestellen in den verschiedenen Unternehmensbereichen beworben. Beim Auswärtigen Amt gehen für den höheren Dienst jährlich zwischen 1800 und 2000 Bewerbungen ein. Zu vergeben hat das Ministerium aber nur 45 Stellen. Beim Telekommunikationsanbieter Vodafone erhalten etwa sieben Prozent der Bewerber einen Platz im Traineeprogramm.
Angesichts solcher Massen an Kandidaten lassen sich mittels einfacher Vorauswahl über die Bewerbungsunterlagen und einem Vorstellungsgespräch nicht genügend Bewerber herausfiltern, um die Stellen direkt zu besetzen. Bei Vodafone zum Beispiel gibt es je nach Job bis zu vier Auswahlstufen. Eine erste Auswahl trifft das Unternehmen per Telefoninterview, anschließend folgt ein Online-Test. „So kann sichergestellt werden, dass Bewerber auf ähnlichem Niveau zum Interview oder Assessment Center eingeladen werden“, heißt es bei Vodafone. Diesem ersten Vor-Ort-Termin folgt eventuell ein zweites Gespräch.
Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. „Das kann alles Mögliche sein, vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt“, schreibt Karriereexpertin Svenja Hofert in Ihrem Buch „Die Guerilla Bewerbung“, das im Campus Verlag erschienen ist. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.
Schlagen Sie Ihr Adressbuch auf und suchen Sie zehn Kontakte heraus, die Ihnen bei der Suche nach Ihrem neuen Job behilflich sein könnten. Wichtig sind nicht nur Menschen, die direkt einen Arbeitsplatz für Sie haben könnten, sondern auch Personen, die viele interessante Kontakte haben. Schreiben Sie ein prägnantes Kurzprofil, schicken Sie es an Ihre Kontakte mit der Bitte es wiederum an zehn Kontakte weiterzuleiten.
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte, die es am Ende der beruflichen Laufbahn nochmal wissen wollen, ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Die Arbeitsagentur oder private Vermittler helfen gerne weiter.
Oftmals ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Institutionen oder Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss „Ihr Können und Ihr Hintergrund“ sehr interessant sein.
Sie kennen sich mit einer speziellen Aufgabe oder einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich? Dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können. Die Autorin nennt sich zum Beispiel Expertin für neue Karrieren und nicht Spezialistin für MBA-Programme.
Doch mehrstufig muss nicht zwangsläufig langwierig sein. „Unternehmen sind in der Lage auch solche Auswahlverfahren in zwei Monaten durchzuziehen“, sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Anders beim Auswärtigen Amt: Der Bewerbungsschluss ist in jedem Jahr Ende Mai, im Juli findet das schriftliche Auswahlverfahren mit bis zu 1800 Teilnehmern statt. Während den Monaten November und Dezember kommen die Bewerber zur mündlichen Prüfung. Die Zusagen werden spätestens Anfang Januar versandt. Ein halbes Jahr dauert der Bewerbungsmarathon also. Während bei der ersten Auswahlstufe – dem schriftlichen Test – 20 Prozent der zugelassenen Kandidaten gar nicht erst kommen, würden danach nur „äußerst selten“ Kandidaten absagen. Der große Vorteil des Auswärtigen Amtes ist sein Monopol. Wer Diplomat werden will, hat keine andere Wahl als sich dem ausgiebigen Verfahren zu unterwerfen.