Beziehungsprobleme Wenn die Firma die Therapie gegen Liebeskummer zahlt

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Heike Klopsch behandelt in ihrer „Herzkümmerei“ Menschen, die von ihren Partnern verlassen wurden. Hier erklärt sie, was deren Unternehmen davon haben und warum sie ihre Kunden ein Glücks-Tagebuch führen lässt.

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WirtschaftsWoche: Frau Klopsch, Ihre Firma nennt sich Herzkümmerei. Was ist das?
Heike Klopsch: Ich mache Coaching und Beratung bei Liebeskummer, Trennung und Beziehungsfragen. Die Leute, die zu mir kommen, kommen meist, weil sich ihre Partnerin oder ihr Partner von ihnen getrennt habt. 80 Prozent meiner Kunden sind Frauen. Sie finden sich in einer Situation wieder, in der alles zusammenbricht. Es kann sein, dass sie akut kommen – andere kommen zeitversetzt, weil sie die Trennung verarbeiten wollen.

Wie sind Sie zu dem Job gekommen?
Ich habe vor einigen Jahren eine Ausbildung als systemischer Coach gemacht; das Thema hat mich so gepackt, dass ich mein Wissen sofort umsetzen wollte. Da ich seit sehr vielen Jahren als Bildungsmanagerin an Hochschulen arbeite, lag das Thema Karrierecoaching erst einmal sehr nah. Das war der Einstieg. Eines Tages habe ich mit einer Kundin an einem Jobthema gearbeitet. Aber was immer ich auch anbot – die Klientin trat auf der Stelle. Ich habe sie irgendwann direkt gefragt, was denn eigentlich los sei. Da fing sie haltlos an zu weinen – und sagte, dass ihr Partner sie verlassen habe. Die Trennung hat die berufliche Lage komplett überlagert. Sie hat mich dann gefragt, ob ich das nicht mit ihr verarbeiten möchte.  Das Thema hat mich so gepackt, dass ich die Herzkümmererei gegründet habe – das war vor sechs Jahren.

Können Sie noch mehr über Ihre Kunden erzählen?
Es sind alles sehr gebildete Frauen und Männer, fast alles Akademiker in sehr guten Positionen, sehr gut bezahlt, sehr leistungsbewusst, sehr reflektiert.

Heike Klopsch Quelle: Ann-Christine Krings

Zur Person

Wie kommen Ihre Kunden denn zu Ihnen?
Einige werden über das Internet auf mich aufmerksam, in dem sie Begriffe wie Liebeskummer oder Trennung googeln. Ich habe auch einen Herzkümmerei-Podcast, über den viele zu mir kommen. Andere wiederum werden mittlerweile direkt von ihren Unternehmen zu mir geschickt. Es gibt immer mehr Personaler, die die persönlichen Nöte ihrer Führungskräfte sehr ernst nehmen und ihnen Experten an die Seite stellen, die sie durch private Krisen begleiten. Eine kluge und sehr wertschätzende Geste der Unternehmen. Und wieder andere kommen zu mir und fragen danach ihre Personalabteilungen, ob diese die Kosten übernehmen. Das ist aber eher selten, dazu gehört schon eine große Portion Mut und sehr viel Vertrauen. Das Thema Trennung ist nach wie vor ziemlich schambesetzt. Und gerade Führungskräfte, die oft hohe Budgets verantworten und große Teams führen, müssen viel aushalten, die Belastung durch die fortschreitende Digitalisierung hat sehr zugenommen. Und diese Menschen wollen nicht als schwach gesehen werden, wollen auch nicht die private, verletzliche Seite zeigen. Liebeskummer verbindet man doch eher mit Jugendlichen, aber nicht mit gestandenen Führungskräften, so die einhellige Meinung. Auch ich selbst habe anfangs gedacht, dass die Leute über meine Herzkümmerei lachen würden. Aber weit gefehlt. Immer wieder höre ich, wie entlastend es die Menschen finden, dass es so eine Anlaufstelle wie meine Coachingpraxis gibt.

Dass Firmen die Liebeskummer-Therapie zahlen, klingt erst mal ungewöhnlich.
Die Unternehmen haben tatsächlich sehr viel davon. Es ist ja nicht nur die reine Menschenliebe. Sie verringern Fehlzeiten, binden ihre Führungskräfte und werden mit derartigen Unterstützungsangeboten attraktiver für Mitarbeiter. Wir haben einen dramatischen Fachkräftemangel in einigen Bereichen. Unternehmen sind klug beraten, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht nur als Leistungsträger, sondern als Menschen wahrnehmen, die, wie wir alle, auch persönliche Krisen durchleiden. Viele Mitarbeiter geben sehr viel für ihre Unternehmen, gehen oft genug über ihre Belastungsgrenzen. Ich finde, die Unternehmen können auch etwas zurückgeben. Wenn Chefinnen und Chefs nicht mehr führen können, entstehen enorme volkswirtschaftliche Schäden. Und die jüngeren Leute, die jetzt in Führungspositionen nachwachsen, haben sowieso ein anderes Verständnis von Arbeit, wollen anders wahrgenommen werden. Und das sprechen sie auch sehr klar aus.

Können Sie ein Beispiel für einen Kunden beschreiben?
Ja, anonymisiert. Björn, der im richtigen Leben anders heißt, wurde von seinem Unternehmen zu mir geschickt. Seine Frau hatte ihn verlassen und er war nicht mehr in der Lage, gut zu arbeiten. Er hatte hohe Personal- und Etatverantwortung in einem großen IT-Unternehmen. Er hat extrem viel in seine Karriere investiert. Er wollte und musste immer weiter nach oben – und war zu Hause nur noch erschöpft existent. Er hat sein ganzes Privatleben aus den Augen verloren. Der Prozess hat sich eingeschlichen – irgendwann hat seine Frau die Reißleine gezogen und ist gegangen. Und er hat nichts kapiert. Dann ist er komplett zusammengebrochen. Björn hatte Glück; er hat einen  aufmerksamen Vorgesetzten gehabt, der ihn offensiv angesprochen hat und ihm Hilfe in Form des Coachings angeboten hat.

Wie ging es dann weiter?
Das Coaching rund um die Themen Liebeskummer und Trennung bietet viele Facetten und Möglichkeiten. Ich arbeite mit meinen Klienten sehr individuell. Aber einen Aspekt habe ich eigentlich immer im Blick: Das sogenannte 5-Säulen-Modell. Es gibt fünf Säulen, auf die wir uns stützen können: Die Arbeit, die Beziehungen, das Finanzielle, die Gesundheit und Ethik und Werte. Im Fall Björn haben wir versucht zu ergründen, warum er sich so extrem in die Arbeit hineingestürzt hat – und wie viel Zeit er in Zukunft für die Arbeit aufwenden will. Vor allem aber haben wir erarbeitet, wie viel Zeit er sich künftig für Dinge nehmen möchte, die nichts mit seiner Arbeit zu tun haben. Björn hatte sich schlecht ernährt, kaum Sport gemacht, war sehr übergewichtig. Auch seine Freundschaften hat er kaum gepflegt. Von seinen fünf Säulen waren ziemlich viele sehr bröckelig, das wurde sehr deutlich. Wir haben gemeinsam Lösungsszenarien entwickelt. Er hat sich zum Beispiel einen Personal Trainer genommen, um besser in Form zu kommen.

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Hat er seine Fehler eingesehen?
Ich glaube ja. Er hat verstanden, dass sein neues Leben nicht nur aus Arbeit bestehen soll. Er schaut jetzt nach einem anderen Job. Und letztens hat er mir geschrieben, dass er sich neu verliebt hat. Er will versuchen, es besser zu machen Und mehr auf sich und seine Bedürfnisse zu achten. Die Arbeit mit meinen Klienten ist sehr unterschiedlich. Björn wollte nicht so sehr in die Tiefe gehen – ein Phänomen, das ich bei vielen Männern beobachte. Frauen sind häufig bereiter, sich mehr mit ihren Emotionen auseinander zu setzen.

Haben Sie ein Beispiel?
Da ist zum Beispiel der Fall einer sehr erfolgreichen Wirtschaftsjuristin, die auch wegen einer Trennung zu mir kam. Mit der arbeite ich jetzt an ganz anderen Themen. Ihre Beziehungen sind immer wieder sehr destruktiv verlaufen – das wollte sie verändern. Im Laufe des Coachings ist deutlich geworden, dass sie beziehungsvermeidend ist. Sie hat sich unbewusst immer wieder Männer gesucht, die räumlich weit weg waren. Sie hat also gerne Fernbeziehungen geführt. Auf Grund ihrer Biografie hat sie es, natürlich unbewusst, immer vermieden, mit Männern wirklich nah zusammen zu kommen – räumlich und mental. Diese Klientin hat Angst vor Nähe und braucht viel Autonomie. Sie benötigt immer einen Sicherheitsabstand zu ihren Partnern; eine Wochenendbeziehung ist dafür natürlich perfekt. Das war für sie eine bahnbrechende Erkenntnis. Wir arbeiten zurzeit daran, warum das so ist und was bei ihr passieren muss, damit sie endlich einen Partner finden kann, mit dem sie gut und erfüllend zusammenleben kann. Oder die jüngere Frau, die auch wegen Liebeskummer kam. Oft schauen wir übrigens in der Arbeit auf die frühe Kindheit. Bei ihr spielt der Vater eine große Rolle, der einen extrem hohen Leistungsanspruch an sie hat. Sie hat einen Glaubenssatz, der sie ihr ganzes Leben schon begleitet: Scheitern ist keine Option. Sie hat in der Folge immer an allem festgehalten, vor allem an den Dingen, die ihr nicht guttun. Sie hat sehr viel Kraft in destruktive Liebesbeziehungen gesteckt und ist in Jobs geblieben, die sie komplett überfordert und ausgesaugt haben. Sie konnte einfach nicht aufgeben. Im Coaching hat sie viel für sich herausgearbeitet und verstanden, warum sie so ist wie sie ist. Sie hat mittlerweile einen Job angenommen, der weniger fordernd ist. Jetzt hat sie Freiräume für eine Work-Life-Balance. Und auch das Thema Beziehungen geht sie anders an. Das ist übrigens das Faszinierende am systemischen Coaching. Ein Rädchen wird in Bewegung gesetzt und das ganze System verändert sich auf einmal – das finde ich immer wieder faszinierend.

Acht Tipps zum Stressabbau

Durch das, was Ihnen Ihre Klienten erzählen, haben Sie bestimmt einen guten Eindruck von der Realität in der deutschen Wirtschaft. Wie ist die Lage?
Anstrengend. Die aktuellen Krisen und die fortschreitende Digitalisierung führen dazu, dass die psychischen Belastungen immer höher werden. Es gibt zahlreiche Studien und Auswertungen, die sich mit der psychischen Gesundheit beschäftigen. Die Krankschreibungen in diesem Bereich nehmen laufend zu. Und Chefinnen und Chefs sind aus meiner Sicht besonders belastet. Sie müssen immer mehr tragen – Führung wird immer komplexer. Das sehe ich auch an meinen Kunden.

Was können Unternehmen verbessern?
Sie sollten eine Vertrauenskultur im Unternehmen schaffen. Alle Mitarbeiter wollen als Mensch gesehen und wahrgenommen werden, auch Führungskräfte. Sie brauchen einen Raum für sich, in dem sie mit ihren exklusiven Themen wahrgenommen werden, auch mit ihrer Schwäche.

Was kostet eine Beratung bei Ihnen?
Wenn die Klienten privat zahlen, berechne ich 80 Euro für eine Stunde. Unternehmen zahlen selbstverständlich mehr. Eine Sitzung besteht immer aus zwei Stunden – nach zwei bis drei Wochen kommt die nächste. Die Klienten brauchen im Schnitt fünf bis sechs Sitzungen – manchmal mehr. Viele lassen sich bewusst Zeit und nutzen diesen geschützten Raum, um über sich nachzudenken. Aber das ist wie gesagt sehr individuell.

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Geben Sie Ihren Klienten auch Hausaufgaben mit?
Ja, Coaching ist auch das, was in der Zeit zwischen den Sitzungen passiert. Oft werden Dinge angestoßen, die neue Gedanken und Entwicklungen möglich machen. Eine einfache, aber ungemein wirkungsvolle Aufgabe ist das sogenannte Glücks-Tagebuch. Meine Kunden kommen in einer Situation zu mir, wo alles schrecklich ist für sie. Sie sind komplett auf den Verlust des Partners fokussiert. Ich trage ihnen auf, jeden Abend drei Dinge aufzuschreiben, die gut waren. Ein schönes Gespräch mit einer Kollegin, ein schöner Spaziergang oder so. Sie sollen dann nachvollziehen, was ihr eigener Anteil an diesem Erlebnis war. Sie haben ja etwas getan, woraus etwas Gutes entstanden ist. Das ist das Momentum der Selbstwirksamkeit. Sie merken, dass sie etwas tun können – und nicht nur komplett fremdgesteuert sind. Auch wenn die guten Erlebnisse nur Kleinigkeiten sind.

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