




Big Data ist überall. Auf der IAA in Frankfurt kündigte Volkswagen-Chef Martin Winterkorn die digitale Revolution in der Automobilbranche an. Er sprach von "alternativen Antrieben, automatisiertem Fahren, der vollständigen Vernetzung des Automobils, Big Data, neuen Werkstoffen und immer effizienteren Produktionsverfahren." Auf den vorangegangenen Messen IFA und CeBIT drehte sich ebenfalls alles um Vernetzung und Big Data und Munich Re, einer der weltweit führenden Rückversicherer, erstellt mittels Big-Data-Prognosen, wo in Zukunft welche Schäden durch Erdbeben, Sturmfluten oder ähnliche Katastrophen entstehen.
Auch vor der eigenen Haustür findet Big Data statt: Dass morgens um sieben mehr Busse fahren müssen als nachts um eins, ist natürlich eine Sache des klaren Menschenverstandes - ohne entsprechende Datenauswertung zu Bewegungsströmungen von Pendlern schickt trotzdem kein Verkehrsunternehmen Züge oder Busse auf die Straße.
Konkrete Big-Data-Beispiele
Im Gesundheitswesen werden wertvolle Informationen über Nebenwirkungen von Medikamenten und die Wirksamkeit neuer Behandlungsmethoden gewonnen, indem Erfahrungsberichte von Patienten und Ärzten im Internet anonym ausgewertet werden.
Die Stadt Stockholm realisiert ein intelligentes Verkehrsmanagement, um Staus und Unfälle zu vermeiden. Grundlage ist die Analyse von Verkehrs- und Wetterdaten.
Einen Beitrag zur Energiewende leistet die Messung und Analyse des Stromverbrauchs mit Smart Metern, um den Bedarf genauer vorherzusagen und den Verbrauch zu reduzieren.
Doch wenn es um den direkten Zusammenhang zwischen Mensch und Datenanalyse geht, wird die Angst vor dem gläsernen Bürger allmächtig und der Fluchtreflex setzt ein.
Erste Reaktion ist Ablehnung
Auf der Fachmesse Zukunft Personal in Köln referierte Dan Martin, Manager bei Broadbean Technologies, einem Hersteller von Online-Rekrutierungssoftware, über die Anforderungen an Big Data im Personalwesen. Die erste Publikumsreaktionen auf seinen Vortrag klang fast schon wie ein Vorwurf: Es sei ja schön, dass Pepsi mittels Big Data nach Fachkräften fahnde. In Deutschland würden aber andere Regeln gelten. Dabei ging es weder in Martins Vortrag noch beim Kunden Pepsi um sensible Daten. Man habe ermittelt, welche Stellen in einem bestimmten Monat besetzt wurden und welche vakant blieben, über welche Kanäle man die zuletzt eingestellten Mitarbeiter gefunden habe - Xing, LinkedIn, active sourcing, Stellenanzeige, Initiativbewerbung - und ob es Teams oder Mitarbeiter gibt, deren Performance aktuell besonders gut oder schlecht sei.
Was Big Data im Personalwesen kann
Ein Großhandelsunternehmen nutzt für eine interne HR-Analytse Daten und Modelle über Stärken und Schwächen im Management und warum die Leistung der Mitarbeiter in den unterschiedlichen Niederlassungen unterschiedlich ist. Zusammen mit einem Überblick über die Kontrollreichweite der einzelnen Managementeinheiten und den unterschiedlichen Vergütungsvarianten aller Abteilungen und Teams im Unternehmen lässt sich darstellen, wo im Unternehmen sich Talente bewegen. Ob sie das Unternehmen verlassen oder wo die Mobilität der Talente in höhere Positionen gut oder weniger gut ausgeprägt ist. Das gibt der Unternehmensführung Erkenntnisse darüber, wann sie Organisationsprozesse konsolidieren oder erweitern und wann sie neue Führungskräfte fördern oder dort Strukturen reorganisieren sollen.
Quelle: Cornerstone OnDemand
Xerox konnte die eigene Mitarbeiterfluktuationsrate in allen seinen Callcentern um etwa 50 Prozent reduzieren, nachdem es Big Data im Rahmen der Überprüfung der Bewerbungen einsetzte. Das Unternehmen hatte bisher Personen basierend auf deren Praxiserfahrungen eingestellt. Doch die Daten zeigten, dass die Persönlichkeit eine größere Rolle spielt als die Praxiserfahrung. Während kreative Menschen meist für mindestens sechs Monate im Unternehmen bleiben, so dass das Unternehmen wenigstens die Investitionen in deren Ausbildung erwirtschaften kann, verlassen wissbegierige Menschen das Unternehmen.
In einem anderen Unternehmen war das Team der HR Analytiker aus ihrer ursprünglichen Aufgabe, der Personalplanung, herausgewachsen. Nach mehr als drei Jahren Analysen hatte das Team Rekrutierungs-Modelle entwickelt, die in der Lage waren, Arbeitsmarktdaten, Gehaltsdaten und Informationen über Fähigkeiten externer Personen miteinander zu korrelieren, um auf diese Weise lokale Rekrutierungsstrategien in der ganzen Welt zu entwickeln.
Dafür müssen weder der Kontostand, die Krankheitsgeschichte oder sonstige intime Daten ausgespäht werden. Dass der Supermarkt nebenan seit Wochen eine Aushilfe an der Wursttheke braucht, steht auch auf dem Zettel am Gebäude. Trotzdem, allein der Begriff Datenanalyse reicht aus, um genau dieses Bild hervorzurufen. Das bestätigt auch Frank Hensgens, Managing Director für Deutschland, Österreich und der Schweiz der Jobsuchmaschine Indeed: "Viele Firmen in Deutschland wissen gar nicht, wieviel Potenzial in den Daten steckt, die Sie zur Verfügung haben und was Big Data überhaupt ist - ihre erste und vorderste Sorge ist immer der Datenschutz. Natürlich hat Datenschutz absolute Priorität. Aber Unternehmen sollten nicht unterschätzen, wie sehr sie von der Analyse ihrer eigenen Daten profitieren könnten."
Immerhin: 42 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern haben schon einmal darüber nachgedacht, eine Datenanalyse zu nutzen, wie eine Studie des Branchenverbandes Bitkom zusammen mit dem Karrierenetzwerk LinkedIn zeigt. Die Kernergebnisse der Studie:
- Nur neun Prozent nutzen die Datenanalyse im Personalwesen, also beispielsweise bei der Suche nach Fachkräften.
- Vorreiter beim Einsatz von Big Data im Personalwesen sind die Branchen Chemie und Pharma, Verkehr und Logistik sowie Finanzdienstleistung.
- Je größer das Unternehmen, desto größer ist die Bereitschaft, über Big Data zumindest nachzudenken.
- 25 Prozent haben sich bisher noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt.