Buch-Tipps Lest Philosophen statt Management-Ratgeber

Epikur, Seneca, Marc Aurel und Schopenhauer sind die besseren Lebensratgeber. Quelle: imago images

Vergessen Sie moderne Managementliteratur: Wer wissen will, wie das gute Leben gelingt, muss alte Klassiker lesen. Eine Anleitung zum Glück in sechs Kapiteln.

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Unruhige Zeiten sind gute Zeiten für die Philosophie. Wenn es politisch drunter und drüber geht, wenn auf den Common Sense kein Verlass mehr zu sein scheint, wenn auch die Wissenschaften nicht mehr recht weiter wissen, kurzum: wenn der Einzelne auf sich selbst zurückgeworfen wird, wächst der Wunsch nach Orientierung. Dann stellen sich Grundfragen nach dem gelingenden Leben, für die traditionell die Philosophie zuständig ist.

So jedenfalls hat sie sich seit ihrer Erfindung in der Antike verstanden – als Kompass in stürmischen Zeiten, als Halt in einer ungewissen, eben haltlos gewordenen Welt. Grund genug, bei den Alten nachzuschlagen, bei Epikur, den Stoikern und ihren Schülern. Dann zeigt sich: Diese Philosophen traten nicht nur als Theoretiker des guten Lebens auf, sie gaben dazu auch praktische Hinweise. Zu ihren vornehmsten Aufgaben gehörte es, alltagstaugliche Handreichungen zur Lebensbewältigung zu bieten.

Weil sie ewig aktuelle Antworten geben auf die Frage, wie „Sicherheit des Handelns“ möglich ist unter Bedingungen von Unsicherheit, so der Philosoph Ralf Konersmann, werden sie „immer wieder neu entdeckt“. Weil sie unsere zeitlosen Zeitgenossen sind, gehören sie in jede Hausapotheke – als philosophisches Kurmittel mit höchst erfreulichen Nebenwirkungen wie Einsicht, Ruhe und Gelassenheit.

Epikur oder Von der Lebensfreude

Lange Zeit galt er als eine Art Schmuddelkind unter den Weisheitslehrern, als Bad Boy der Antike, der seine Schüler in den Garten der Lüste führte, um sie zur Wollust zu verführen. Epikur (341 – 271 v. Chr.) und die Epikureer – das hieß so viel wie Kampagnen für kalkulierten Genuss, für Gaumenkitzel und Augenschmaus, für Sinnlichkeit und Sittenverderbnis.

Wahr an diesen von Gegnern lancierten Legenden ist, dass der auf der griechischen Insel Samos geborene philosophische Autodidakt mit seinen Anhängern in Athen in einer Gartengemeinschaft lebte, zu deren Grundsätzen es gehörte, dass die Lust „der Anfang und das Ende des glücklichen Lebens“ sei: Was immer wir wünschen und tun, wir folgen dem Maßstab der Sinnenfreude, verlangen nach Lust und suchen Unlust zu vermeiden, wobei Lust die ganze Skala des Wohlgefallens umfasst, von der körperlichen bis zur feinsten spirituellen Lust.

Damit, so der Philosoph Robert Spaemann, formulierte Epikur zum ersten Mal in der Geschichte der Philosophie ein Prinzip, das die „Einheit des menschlichen Wollens“ auf den Begriff bringt: Das definitive Worumwillen, das eigentliche Ziel unseres Handelns und Strebens ist die subjektive Befriedigung, die wir in der Lust erfahren. In ihr sind wir ganz bei uns.

Allerdings zog Epikur aus dieser Lehre des Hedonismus (griechisch „hedoné“ = Lust) andere Konsequenzen, als seine Gegner ihm unterstellten, erhob er neben der Lust doch die Vernunft zum „höchsten Gut“, in der „alle übrigen Tugenden wurzeln“. Der kluge, vernunftgeleitete Mensch sucht zwar Lust, aber nicht ihre Maximierung, im Gegenteil: Er mäßigt seine Glücksansprüche, gibt sich, schon um nicht frustriert zu werden, auch mit minimalen Genüssen zufrieden, die nicht weniger befriedigend, vor allem aber dauerhafter sind als das Vergnügen am Luxus, von dem man nie genug haben kann.

Epikurs menschenfreundliche Lehre der Lebenslust ist deshalb in Wahrheit eine Anleitung zur glücklichen Askese. Auf lange Sicht lebt lustvoller, nicht zuletzt gesünder, wer die Lust klein hält, anders gesagt: wer die „einfache Suppe“ den „Lüsten der Schlemmer“ vorzieht. Derlei Diät-Empfehlungen erhellen Epikurs Verständnis der Philosophie: Sie ist für ihn nicht nur Theorie, sie will auch praktische Lebenshilfe sein, will den Einzelnen, wie einen Patienten, heilen, indem sie ihn vom Schmerz der Bedürftigkeit, der „seelischen Beunruhigung“ zum „inneren Frieden“ führt, der das eigentliche Ziel der Behandlung ist.

Wenn sie gut anschlägt, verliert sogar der Tod seinen Stachel und wir können ihm ohne Angst ins Auge sehen. Denn er ist „für uns ein Nichts“, sagt Epikur, „wenn wir da sind, ist der Tod nicht da, aber wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr.“ Also geht der Tod die Lebenden nichts an.

Epikur: Philosophie der Freude, Insel, 8 Euro

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