Kein Wunder, dass erfolgreiche Menschen viel Zeit und Geld für die richtige Ernährung, den Personaltrainer, für Maniküre, Pediküre, Friseur, Barbier und regelmäßige Auszeiten im Wellness-Hotel investieren.
Zum Beispiel bei Christine Müller. Die Allgemeinmedizinerin arbeitet seit acht Jahren als medizinische Leiterin des Kranzbach bei Garmisch-Patenkirchen. Zuvor war sie mehrere Jahre im Lanserhof tätig, eine Art Medizin-Mekka für angeschlagene Manager. Im Kranzbach geht es mehr um die Optik – „das Äußere“ werde im Beruf halt „immer wichtiger“, sagt Müller. Detox-Kuren und Ayurveda-Anwendungen sollen die Kilos schmelzen lassen, Einläufe den Darm reinigen und die Haut zum Strahlen bringen, Yoga-Übungen in der Natur den Körper entspannen und straffen.
Der Fitnesskult der Manager zeigt sich längst auch in der Businessmode. Von Jahr zu Jahr werden die Schnitte schmaler, sodass ein Genießerbäuchlein kaum noch darin Platz findet. „Eine schmale Silhouette wird mittlerweile von fast all unseren Kunden nachgefragt“, sagt Uli Hesse, Geschäftsführer des Maßschneiders Cove & Co.
Darauf sollten Sie beim Anzug achten
Hände weg von Synthetik: Polyester, Polyacryl und Co. bringen den Träger nur ins Schwitzen. „Gentleman“-Autor Bernhard Roetzel rät zu 100 Prozent Naturfasern, im Idealfall Schurwolle. Diese ist im Gegensatz zu einfacher Wolle frisch geschoren und zeichnet sich daher durch besonders feine Fasern aus. Stoffe aus Schurwolle sind elastisch, glatt und fallen besser. In vielen Fällen können Anzugkäufer die Stoffqualität auch dadurch ausmachen, indem sie einmal zupacken und schauen, wie stark der Stoff knittert. Das ist aber nicht immer ein Qualitätshinweis: Leinen knittert beispielsweise immer.
Billiganzüge haben meist ein synthetisches Futter aus Kunstfasern. Bessere Anzüge sind mit Viskose gefüttert. Das ist zwar auch synthetisch, wird aber aus Holz hergestellt und weist somit gleiche Eigenschaften auf, wie Baumwolle. Im besten Fall ist das Futter jedoch aus Seide.
Je billiger der Anzug, desto weniger Stiche weisen die Nähte auf. Wichtig ist vor allem, dass sie ordentlich und gerade verlaufen. Wer dafür keinen Blick hat, kann einfach den ausgewählten Anzug mit einem teuren High-Ende-Modell vergleichen. Wichtig ist hierbei auch die Hose auf links zu drehen und die inneren Nähte zu begutachten.
Billiganzüge verzichten gerne auf einen ordentlich verarbeiteten Saum. Dadurch fransen die Stoffränder schnell aus.
An Knöpfen lässt sich die Qualität eines Anzugs kaum ausmachen. Diese sind in so gut wie allen Preisklassen aus Kunststoff. Lediglich am oberen Ende haben Anzüge Knöpfe aus Büffelhorn, Steinnuss oder Perlmutt. „Das sind aber eher traditionelle Qualitätsmerkmale“, sagt Stilexperte Bernhard Roetzel.
Egal, ob der 22-jährige Berufsanfänger oder der Unternehmer Mitte 50: Über alle Altersklassen und Geldbeutel hinweg soll die Hose „slim“ sitzen, die Jacke tailliert sein. Statt breit und spitz ist das Revers heute schmal und abgerundet. Auch eine starke Schulterbetonung, wie bei Zweireihern, die noch Ex-VW-Chef Martin Winterkorn gern trug, auch Bundfaltenhosen und Umschlag sind aus den Unternehmen verschwunden. Und natürlich hat sich das Material an die Bedürfnisse des flexiblen Managers angepasst. „Der Stoff muss sich dem mobilen Leben unterordnen“, sagt Hesse. Schurwolle knittert von Natur aus wenig – und wenn ihr ein paar Prozent Elasthan beigemischt werden, auch noch herrlich nachgiebig.
Wenn der Anzug heute also kein Panzer der Macht mehr ist und keine Distanz mehr gebietet – taugt er dann noch wenigstens als Erkennungszeichen für Eingeweihte? Und wie! Zum einen wäre da das handgemachte Reversknopfloch — beim Anzug von der Stange eher selten zu finden. Ebenfalls ein Zeichen dafür, dass es sich um eine hochwertige Maßanfertigung handelt, sind die aufknöpfbaren Ärmel, bei denen der letzte Knopf offen gelassen wird. Die Tasche für das Einstecktuch hingegen sollte eine Barchetta-Form haben, also einem kleinen Boot ähneln. Kenner wissen: Die lässt sich nur von Hand nähen.
Details, auf die Pulli-Träger wie Sergio Marchionne gerne verzichten. Im April 2019 tritt der Automanager ab. Sein Nachfolger steht noch nicht fest. Doch mittlerweile ist klar, dass es auf einen von drei Kandidaten hinauslaufen wird: Finanzvorstand Richard Palmer, Europa-Chef Alfredo Altavilla oder Jeep-Boss Mike Manley. Noch tragen alle gerne klassische Anzüge. Bleibt die Frage: Wer wird sich ihn bald ersparen können?