CEO-Nachfolge Kranker Chef, was tun?

Infineon hat die Nachfolge seines CEOs Peter Bauer schon geklärt. So schnell geht es nicht immer. Was der Rücktritt eines Vorstandchefs für Unternehmen bedeutet und wie sie sich darauf vorbereiten, weiß Tiemo Kracht, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Kienbaum Executive Consultants.

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Neuer Chef für Volvo
Hakan Samuelsson (61) löst überraschend den erkrankten deutschen Volvo-Chef Stefan Jacoby (54) an der Spitze der Autoherstellers Volvo Cars ab. Jacoby hatte Ende September einen leichten Gehirnschlag erlitten. Danach hieß es zunächst, der Deutsche werde nach etwa einem Monat wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Samuelsson war bis 2009 Konzernchef beim Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN und gehört seit 2010 dem Aufsichtsrat von Volvo Cars an. Er sagte bei seiner Vorstellung in Stockholm: "Wir müssen die Ertrags- und Kostenlage verbessern." Quelle: dpa
Peter Bauer, Infineon Es war ein überraschender Schritt: Am vergangenen Sonntag verkündete der Halbleiterhersteller Infineon den Rückzug von CEO Peter Bauer. Der 51-Jährige sei an der Knochenkrankheit Osteoporose erkrankt und wolle zum 30. September ausscheiden, hieß es. Einen Nachfolger hatte Infineon bereits parat. Die Geschäfte soll Reinhard Ploss führen, der bisher im Vorstand für das operative Geschäft verantwortlich ist. Trotz der geregelten Nachfolge geriet die Aktie zunächst ins Minus – gut möglich, dass die Anleger ob des designierten Infineon-Chefs ihre Zweifel haben: Er arbeitet zwar seit mehr als 25 Jahren bei Infineon, ist aber ein klassisches Ingenieurgewächs. Quelle: dapd
Steve Thompson, Yahoo Der Abgang von Steve Thompson war sowieso schon chaotisch. Der umstrittene Yahoo-Chef hatte eigentlich wegen eines geschönten Lebenslaufs den Hut genommen. Jetzt berichtet das Wall Street Journal, der Manager sei an Schilddrüsenkrebs erkrankt, Thompson habe erst vor wenigen Tagen von der Krankheit erfahren. Die Nachricht habe seine Entscheidung zu gehen beeinflusst, schreibt das Blatt. Inwiefern – das dürfte wohl ungewiss bleiben. Fest steht nur: Nun zieht der rebellische Hedgefondsmanager Daniel Loeb mit Gefolge in den Verwaltungsrat ein. Thompson hatte ihm bislang im Weg gestanden, Loeb hatte den Lebenslauf-Schwindel entdeckt und öffentlich gemacht. Das scheint Investoren zumindest kurzfristig zu gefallen: Zum Handelsstart legte die Aktie am Tag darauf um gut 2,6 Prozent zu – und das obwohl noch kein Nachfolger für Thompson feststeht. Quelle: dapd
Warren Buffett, Berkshire Hathaway Mitte April dieses Jahres sorgte Börsen-Guru Warren Buffet für Sorge unter seinen Anhängern. Der 81-jährige Milliardär gab bekannt, er sei an Prostatakrebs in einem frühen Stadium erkrankt. Einer Therapie will er sich erst im Juli unterziehen. Bereits im Februar hatte Buffett verkündet, ein Nachfolger für ihn sei gefunden. Weitere Angaben machte der Starinvestor allerdings bislang nicht – was nach Analystenansicht den Aktienkurs von Berkshire Hathaway belastet. Quelle: dapd
Steve Jobs, Apple Mit seiner Kommunikationsstrategie über den Gesundheitszustand von Firmengründer Steve Jobs sorgte Apple für Unsicherheit bei Investoren und Mitarbeitern – so sehr, dass die Börsenreaktion auf die Ankündigung einer seiner Rückzüge unter Analysten sogar einen Namen hat: der Jobs-Schock. Anfang 2009 hatte das Unternehmen nach monatelangen Spekulationen um Jobs Gesundheitszustand bekannt gegeben, der Manager leide an einer Hormonstörung. Einige Tage später folgte die Ankündigung, Jobs werde sich für mehrere Monate zurückziehen. Im Juli desselben Jahres nahm Jobs dann wieder seine Arbeit auf. Im Januar 2011 hieß es dann, Jobs bleibe zwar CEO, werde aber aus dem Tagesgeschäft aussteigen. Im August trat er von dem Amt zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. Kaum zwei Monate später verkündete Apple am 6. Oktober 2011 den Tod von Steve Jobs. Quelle: dapd
Robert Benmosche, American International Group (AIG)Als im Oktober 2010 die Krebserkrankung von Robert Benmosche, Chef des US-Versicherers  AIG bekannt wurde, war klar: Der Manager unterzieht sich zwar einer Chemotherapie, will aber trotzdem im Amt bleiben. Nur wenige Tage nach der Mitteilung verkündete das Unternehmen, sollte Benmosche ausfallen, werde Verwaltungsratschef Steve Miller einspringen. Das war bislang unnötig. Trotzdem herrscht seit einigen Monaten Unsicherheit bei AIG. Weil Miller das Unternehmen verlassen will, teilte AIG im Februar mit, man suche nach einer neuen Nachfolgeregelung. Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: In der Vergangenheit waren gesundheitliche Gründe schon häufiger Auslöser für einen kurzfristigen Rücktritt des CEOs. Haben Unternehmen die Möglichkeit sich davor zu schützen? Vielleicht mit jährlichen Gesundheitschecks für Vorstandsvorsitzende?
Tiemo Kracht: Es gibt tatsächlich Unternehmen, die solche Check-Ups anbieten und dann auch die Kosten dafür tragen. Verpflichten können die Konzerne dazu aber niemanden. Die ärztliche Schweigepflicht und die Persönlichkeitsrechte des CEOs setzen – zu Recht – enge Grenzen.

Wie reagiert ein Unternehmen am besten auf einen kurzfristigen Abschied des CEOs?

Grundsätzlich muss jedes Unternehmen und jeder Aufsichtsrat auf einen kurzfristigen Rückzug des CEOs vorbereitet sein, der durch schwere Erkrankungen, Unfälle oder familiäre Umstände verursacht werden kann. Es gibt immer Umstände, die zu einem abrupten Ende der Vorstandstätigkeit führen.

Tiemo Kracht ist Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Kienbaum Executive Consultants. Quelle: Pressebild

Und wie sollen die sich darauf vorbereiten?

Zunächst sollte im Idealfall der gesamte Vorstand so hochwertig besetzt sein, dass nicht nur einer sondern gleich mehrere Mitglieder für die CEO-Nachfolge in Frage kommen. Zumindest eine kommissarische Besetzung sollte aus den Reihen des Vorstandes möglich sein. Meistens spricht viel für den Finanzvorstand, weil er in alle Unternehmensbereiche Einblick hat. Der Aufsichtsrat muss bei der Besetzung des gesamten Vorstandes schachspielartig vorgehen. Er muss immer wissen, wer wohin nachrücken kann. Reine Fachvorstände, die mehr in ihrem Ressort und weniger über ihre General-Management-Kompetenz überzeugen und über wenig Charisma verfügen, helfen dem Aufsichtsrat nicht weiter.

Welche Schritte muss ein Unternehmen konkret einleiten, wenn der CEO kurzfristig ausfällt?

Das Unternehmen und seine Gremien müssen auf den Fall einer Nachbesetzung professionell vorbereitet sein und ein bereits institutionalisiertes Verfahren entwickelt haben, das im Bedarfsfall sofort greifen kann. Hier müssen der Aufsichtsrat und der Vorstand produktiv zusammenwirken und gemeinsam mit einer externen Beratungsgesellschaft eine zentrale Plattform der Kandidatenvorselektion und –evaluation etablieren, um einen möglichst objektiven und ergebnisoffenen Besetzungsprozess aufzunehmen. Seitens des Aufsichtsrates ist eine Findungskommission zu berufen, die möglichst zügig und äußerst kompetent besetzt sein sollte.

Was passiert als nächstes?
Die Kandidatenvorschläge aus allen Bereichen und Gremien müssen auf der Ebene der mandatierten Beratung gebündelt und sorgsam bewertet werden. Hier kommen interne Kandidaten, externe Bewerber, Kandidatenvorschläge der Gremien und beratungsseitig angesprochene Kandidaten zusammen und werden in einen professionellen Quervergleich gestellt. Die handverlesenen potentiellen Nachfolger werden dann dem Unternehmen präsentiert.

Wie lange darf ein solches Prozedere denn dauern?

Mehr als drei Monate sollte ein bedeutsamer Prozess dieser Art nicht in Anspruch nehmen. Das schadet dem Image und führt zu Unruhe sowohl intern als auch an den Märkten. Im Idealfall ist die Nachfolgefrage schon nach acht bis zehn Wochen abgeschlossen. Allerdings gilt: Qualität vor Tempo!

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