WirtschaftsWoche: In der Vergangenheit waren gesundheitliche Gründe schon häufiger Auslöser für einen kurzfristigen Rücktritt des CEOs. Haben Unternehmen die Möglichkeit sich davor zu schützen? Vielleicht mit jährlichen Gesundheitschecks für Vorstandsvorsitzende?
Tiemo Kracht: Es gibt tatsächlich Unternehmen, die solche Check-Ups anbieten und dann auch die Kosten dafür tragen. Verpflichten können die Konzerne dazu aber niemanden. Die ärztliche Schweigepflicht und die Persönlichkeitsrechte des CEOs setzen – zu Recht – enge Grenzen.
Wie reagiert ein Unternehmen am besten auf einen kurzfristigen Abschied des CEOs?
Grundsätzlich muss jedes Unternehmen und jeder Aufsichtsrat auf einen kurzfristigen Rückzug des CEOs vorbereitet sein, der durch schwere Erkrankungen, Unfälle oder familiäre Umstände verursacht werden kann. Es gibt immer Umstände, die zu einem abrupten Ende der Vorstandstätigkeit führen.
Und wie sollen die sich darauf vorbereiten?
Zunächst sollte im Idealfall der gesamte Vorstand so hochwertig besetzt sein, dass nicht nur einer sondern gleich mehrere Mitglieder für die CEO-Nachfolge in Frage kommen. Zumindest eine kommissarische Besetzung sollte aus den Reihen des Vorstandes möglich sein. Meistens spricht viel für den Finanzvorstand, weil er in alle Unternehmensbereiche Einblick hat. Der Aufsichtsrat muss bei der Besetzung des gesamten Vorstandes schachspielartig vorgehen. Er muss immer wissen, wer wohin nachrücken kann. Reine Fachvorstände, die mehr in ihrem Ressort und weniger über ihre General-Management-Kompetenz überzeugen und über wenig Charisma verfügen, helfen dem Aufsichtsrat nicht weiter.
Welche Schritte muss ein Unternehmen konkret einleiten, wenn der CEO kurzfristig ausfällt?
Das Unternehmen und seine Gremien müssen auf den Fall einer Nachbesetzung professionell vorbereitet sein und ein bereits institutionalisiertes Verfahren entwickelt haben, das im Bedarfsfall sofort greifen kann. Hier müssen der Aufsichtsrat und der Vorstand produktiv zusammenwirken und gemeinsam mit einer externen Beratungsgesellschaft eine zentrale Plattform der Kandidatenvorselektion und –evaluation etablieren, um einen möglichst objektiven und ergebnisoffenen Besetzungsprozess aufzunehmen. Seitens des Aufsichtsrates ist eine Findungskommission zu berufen, die möglichst zügig und äußerst kompetent besetzt sein sollte.
Was passiert als nächstes?
Die Kandidatenvorschläge aus allen Bereichen und Gremien müssen auf der Ebene der mandatierten Beratung gebündelt und sorgsam bewertet werden. Hier kommen interne Kandidaten, externe Bewerber, Kandidatenvorschläge der Gremien und beratungsseitig angesprochene Kandidaten zusammen und werden in einen professionellen Quervergleich gestellt. Die handverlesenen potentiellen Nachfolger werden dann dem Unternehmen präsentiert.
Wie lange darf ein solches Prozedere denn dauern?
Mehr als drei Monate sollte ein bedeutsamer Prozess dieser Art nicht in Anspruch nehmen. Das schadet dem Image und führt zu Unruhe sowohl intern als auch an den Märkten. Im Idealfall ist die Nachfolgefrage schon nach acht bis zehn Wochen abgeschlossen. Allerdings gilt: Qualität vor Tempo!