Die Zeiten, in denen Manager das Thema Umwelt belächeln, sind offenbar vorbei. Weltweit schätzen CEOs den Klimawandel und die mit ihm verbundenen Unsicherheiten und Nachhaltigkeitsanforderungen als größtes Risiko für das Wachstum ihres Unternehmens ein. Das zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, die der Wirtschaftswoche vorab vorliegt.
Im vergangenen Jahr hatten Chefs der Unternehmen die Gefahren durch Protektionismus, Cyberattacken und neue Technologien noch größer eingeschätzt als die Umweltrisiken. Doch das hat sich nun geändert. Einerseits, weil sich die CEOs angesichts der anderen Herausforderungen inzwischen besser gerüstet fühlen. Andererseits, weil sie sich den Ansichten der Investoren anpassen müssen. Das zumindest meint Tom Brown, Chef des globalen Asset Management bei KPMG.
„Die Investoren haben längst erkannt, dass der Klimawandel auch ein finanzielles Risiko ist“, sagt Brown. Die CEOs würden nun versuchen, diese Gefahr zu managen – und dabei ihre Aufmerksamkeit beispielsweise auf die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen richten. So haben mehr als drei Viertel der CEOs angegeben, dass das Wachstum ihres Unternehmens von der Fähigkeit abhängen wird, den Wandel zu einer kohlenstoffarmen, umweltfreundlichen Wirtschaft zu bewältigen.
KPMG hat zwischen Januar und Februar 1300 Vorstandschefs befragt. Sie führten Unternehmen aus elf Branchen, die mindestens 500 Millionen US-Dollar Umsatz machten. Die Teilnehmer stammten aus elf Ländern, darunter die USA, China und Indien. Auch 125 deutsche Top-Manager waren dabei.
Zwar zeigt sich bei den deutschen Chefs eine grundlegend optimistische Stimmung, was die die Aussichten in der Heimat und das eigene Unternehmen angeht. So erwarten 82 Prozent eine positive Entwicklung des Heimatmarktes – ein Anstieg um 21 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Und sogar 94 Prozent glauben, dass der eigene Konzern ein Umsatzwachstum verzeichnen wird.
Getrübt wird dies allerdings durch Sorgen um das globale Wachstum: Weltweit beurteilen nur 62 Prozent der Befragten die Aussichten für die kommenden drei Jahre optimistisch. 2016 waren es noch 89 Prozent. In Deutschland rechnet sogar nur jeder zweite mit einem globalen Anstieg. Eindeutig optimistisch blicken nur die US-Chefs in die Zukunft: 87 Prozent von ihnen erwarten weiterhin ein spürbares Wachstum.
Künstliche Intelligenz rückt in den Mittelpunkt
Hoffnung setzen die Vorstandschefs vor allem in neue Technologien. Dazu passt, dass die meisten deutschen CEOs zur Absicherung des Wachstums auf Onlineplattformen setzen wollen (70 Prozent). 62 Prozent gaben zudem an, mit Start-ups und Cloud-Anbietern kooperieren sowie mehr Geld in innovative Prozesse stecken zu wollen.
Das große Thema in Bezug auf technologische Innovation aber heißt Künstliche Intelligenz (KI). Die Mehrheit der Vorstandschefs (65 Prozent weltweit und 73 Prozent in Deutschland) geht davon aus, dass in den kommenden drei Jahren durch den Einsatz von KI und Robotik mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut werden.
Doch bei der Umsetzung gibt es in Deutschland Nachbesserungsbedarf: Nur zehn Prozent der Chefs gaben an, bereits flächendeckend mit KI zu arbeiten. Weltweit sind es 16 Prozent, in den USA sogar 31 Prozent. „Wer bisher dachte, Automatisierung und KI seien klassische Hype-Themen, die wieder verschwinden, sollte schnell umdenken. Die Technologie wird unser Leben grundlegend verändern“, sagt Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG.
Die deutliche Mehrheit der Führungskräfte (82 Prozent) will mehr als 40 Prozent ihrer Belegschaft weiterbilden, um für die neuen digitalen Anforderungen gewappnet zu sein. Gleichzeitig setzen sie aber auch auf Übernahmen, um Digitalkapazitäten aufzubauen. 84 Prozent der Befragten erwägen in den kommenden drei Jahren entsprechende Zukäufe. Die CEOs hoffen ihr Geschäftsmodell auf diese Weise schneller transformieren zu können, als es auf organischem Weg möglich wäre.
Neuer CEO-Typus gefragt
Die Topmanager überdenken angesichts dieser Erkenntnisse aber auch ihre eigene Rolle. Ein Großteil (80 Prozent) wünscht sich, dass Mitarbeiter Innovationen vorantreiben, die auch mal scheitern dürfen. Doch das passt offenbar nur selten mit der deutschen Geschäftskultur zusammen: Nur 40 Prozent der deutschen Führungskräfte gaben an, dass solche gescheiterten Initiativen in ihrem Unternehmen derzeit akzeptiert werden. Global sind es immerhin 56 Prozent.
Zudem wollen die CEOs angesichts der Entwicklungen auch selbst agiler werden. 64 Prozent glauben, dass es sich dabei um eine Schlüsselqualifikation handelt – auch weil sie im Schnitt nur noch fünf Jahre im Amt sind. Die Fähigkeit, sich auf Technologien, Kundenwünsche und neuartige Wettbewerber einzustellen, gehöre zur „Grundausstattung einer neuen CEO-Generation“, heißt es in der Studie. Und Huber-Straßer ergänzt: „Wer nicht agil genug ist, wird scheitern, sagen weltweit bereits zwei von drei CEOs. Das ist ein deutliches Zeichen.“