Theo Wehner hat das selbst oft erlebt. Der 65-Jährige ist seit 1997 Psychologieprofessor an der ETH Zürich und berät Unternehmen bei Veränderungsprojekten. Das Schwierigste sei, dass die Betroffenen umlernen müssen: „Das ist viel problematischer, als etwas neu zu lernen. Denn sie müssen Gewohnheiten aufgeben.“ Das ist das Dilemma jedes Wandels: Die Betroffenen müssen neues Wissen zulassen, ohne ganz auf das alte zu verzichten.
Dieses Problem kennt auch MVV Energie. Der Mannheimer Konzern gehört mit einem Umsatz von etwa vier Milliarden Euro und 5500 Mitarbeitern zu den führenden Energieunternehmen in Deutschland. Seit einigen Jahren setzt er auf ein Netzwerk von etwa 60 Change Agents. Dahinter verbergen sich Angestellte aus verschiedenen Abteilungen, die die Führungskräfte bei Veränderungsprozessen unterstützen.
Sie tauschen sich ständig mit ihren Kollegen aus, hören zu, leiten Workshops. Dort können Mitarbeiter Vorschläge machen, um die Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Die Change Agents sollen ihren Kollegen Ängste nehmen, Chancen aufzeigen, Stimmungen aufgreifen, sprich: die Gerüchteküche auf Sparflamme halten und den Boden für Veränderungen bereiten. Das lohne sich für alle Beteiligten, sagt Liane Schmitt, Leiterin der MVV-Personalentwicklung. „Change Agents leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Akzeptanz von Veränderungen.“
So gelingt der Umbau
Sie versuchen, ein zunehmend unprofitables Geschäft über Wasser zu halten, und bauen gleichzeitig einen neuen Zweig auf, der stark wächst? Trennen Sie für diese unterschiedlichen Geschäfte und Geschwindigkeiten sukzessive Strukturen, Leitung und Führungsmethoden.
Die Synergien unterschiedlicher Geschäftsfelder sind kleiner als die Bremswirkung ihrer Kompromisse? Dann denken Sie über ein Abspalten des dynamischen Teils nach. Geschwindigkeit ist im Wettbewerb oft wertschaffender als Synergie.
Sie managen ein global-dynamisches, innovationsgetriebenes Unternehmen? Dann sind partizipatorische, dezentrale Entscheidungsstrukturen besser.
Ihr Unternehmen steckt in einer Kostenkrise? Setzen Sie auf zentralisierte, hierarchische Führung, und machen Sie klare Vorgaben.
Passen Sie die Organisation Ihres Unternehmen regelmäßig an – so schaffen Sie immer wieder einen neuen Fokus auf die zentralen Fragen des Marktes.
Vermitteln Sie Freude daran, Fehler zu machen und deren Ursachen zu suchen. Lassen Sie fachliche Dummheit zu, schaffen Sie Kommunikationsräume, in denen intelligente Leute frei von bisherigen Mustern über die Zukunft des Unternehmens nachdenken. Führung ist ein sozialer Prozess und lebt nicht nur von Fachautorität.
Lernen Sie, Kritik aus den eigenen Reihen zu lieben. Das ist gelebte Innovation – hoch spezialisiertes Erfahrungswissen neu zu kombinieren und auf neue Möglichkeiten übertragen.
Fördern Sie den kritischen Geist Ihrer Mitarbeiter, und zapfen Sie deren Wissen an – Sie werden Lösungen entdecken, auf die Sie und Ihr Management allein nicht gekommen wären.
Holen Sie Ihre Mitarbeiter ins Boot, und teilen Sie Ihren Blick auf die Realität mit ihnen. Seien Sie klar, wo Sie Klarheit haben, und sagen Sie, was Sie nicht wissen – dann werden Ihre Mitarbeiter mehr Verständnis haben und mitziehen.
Zugegeben: Es ist eine Utopie, dass Führungskräfte ein Klima schaffen, in dem ständiger Wandel zur Routine wird. Systeme sind träge, sonst würden sie Krisen nicht überleben. Doch diese Stärke erweist sich bei Veränderungen als Schwäche.
Deshalb müssen Führungskräfte vorab die Attitüde der Angestellten analysieren, rät Capgemini-Beraterin Keicher. Wer ist dem Wandel gegenüber positiv eingestellt, wer negativ? Wer zögert oder ist skeptisch, wer hat resigniert? Ignorieren die Chefs die Gemütslage ständig, lassen die Angestellten die Veränderung scheitern. Nicht unbedingt, weil sie inhaltlich oder strategisch falsch ist – sondern weil sie schlecht kommuniziert wurde.