Continental-CEO Nikolai Setzer im Porträt „Die Komplexität von Software wird exponentiell zunehmen“

Continetal-Chef Nikolai Setzer Quelle: PR

Während sich die meisten Zulieferer des Landes noch sorgen, was der Wandel zur E-Mobilität mit ihnen macht, denkt Conti-Chef Nikolai Setzer einen Schritt weiter. Und setzt alles auf die Karte Autonomes Fahren.

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Einmal im Jahr zeichnet die WirtschaftsWoche zusammen mit KPMG besonders prägende Manager als Entscheidungsmacher des Jahres aus. Nikolai Setzer ist 2021 in der Kategorie „Technologie“ nominiert.

Als sich der neue Vorstandschef Nikolai Setzer zu Beginn des Jahres auf einer Konferenz den wichtigsten Führungskräften von Continental vorstellte, da erinnerte er sich an seine jungen Jahre zurück: Damals spielte er Volleyball. „Ich hatte einen Überblick über das Spiel und entschied, wohin der Ball ging“, sagte er. Doch es seien die „großen Teamkollegen am Netz“ gewesen, die die Punkte geholt hätten. Jetzt, als CEO, agiert er ähnlich: Auf das Spielfeld gehe er persönlich nur, wenn es für den Erfolg notwendig sei – so wie in der aktuellen Halbleiterkrise, deren Lösung Setzer zur Chefsache gemacht hat. Ansonsten aber begnügt er sich mit der Rolle des Trainers, der neue Taktiken erarbeitet: „Die meiste Zeit bin ich ein Stratege, der den Spielplan für das Spiel und die Saison festlegt“, rief Setzer seinen Top-Leuten entgegen.

Und dass der 50-Jährige Strategie kann, hat er gerade einmal mehr bewiesen: In das kommende Jahr wird Continental mit einer neuen Struktur gehen. Dann werde, so Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, das Unternehmen von drei starken, gleichberechtigten und unabhängigen Unternehmensbereichen getragen. Neben der Reifen- sowie der Industriesparte ContiTech gehört dazu das Automobilgeschäft, das Setzer in Personalunion mit seinem Vorstandsvorsitz führt. Die Autosparte richtet er neu aus – dort ist das Geschäft mit Vernetzung, Sicherheit und Technik für Fahrassistenzsysteme verankert. Insbesondere im Bereich Software bündele er die Kompetenzen, so Setzer. 

Während die meisten in der Branche noch über E-Mobilität reden, fokussiert der Continental-Chef den Konzern so schon auf den nächsten Megatrend: das autonome Fahren. Allein dieses Jahr investiert der Dax-Konzern zusätzlich bis zu 250 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung des Geschäftsfeldes autonomes Fahren und Sicherheit. Das Geld eiste Setzer Aufsichtsräten zufolge persönlich im Gremium los. Er habe mit „schlüssigen, sachlichen Argumenten“ überzeugt, sagt Stefan Scholz, der als Vertreter der Leitenden Angestellten im Aufsichtsrat sitzt. Schließlich müsse man die Weichen heute stellen, um in ein paar Jahren noch weiter vorne zu sein.

Der Schritt ist konsequent: Gerade erst hat Continental seine Antriebssparte Vitesco Technologies abgespalten, zu der neben Verbrennungsmotoren auch E-Antriebe gehörten. In Zukunft werden fast alle neuen Autos mit einem E-Antrieb fahren – doch ist die Technik bei Reichweite und Ladeschnelligkeit einmal ausgereift, können sich die Anbieter darüber nicht mehr voneinander abheben. Softwarelastige Bereiche wie Assistenzsysteme aber werden für Contis Kunden weiterhin einen Unterschied machen. Dank der Abspaltung hat Setzer nun das nötige Budget für Investitionen in Software – vorher musste er einen nicht unerheblichen Teil schließlich auch in die E-Mobilität investieren, das fällt mit der Abspaltung weg.

Die neue Strategie trage ganz klar Setzers Handschrift, sagen viele Weggefährten übereinstimmend. Allerdings sei er erst der Held, wenn er jetzt die millionenschweren Aufträge hereinbekomme. Schließlich sei die neue Strategie auch eine Art Wette. Die Aufträge für die Softwarethemen werden von den Autobauern in diesen Monaten vergeben. Zeichneten sich in den nächsten 12 bis 18 Monaten keine Erfolge im Auftragsbuch ab oder falle die Marge zu niedrig aus, sei das fatal, sagt ein Insider.

Die Kunden machen es Setzer derzeit allerdings nicht leicht: Daimler und der Volkswagen-Konzern etwa wollen ihre eigenen Betriebssysteme entwickeln, das könnte Bremsspuren in Setzers Bilanz hinterlassen. Die Zusammenarbeit mit den Zulieferern werde sich ändern, das ist „durchaus eine Bedrohung für den ein oder anderen Zulieferer“, hieß es jüngst bei Volkswagen.

Setzer sieht trotz der ehrgeizigen Pläne seiner Kunden große Chancen in der eigenen Softwareentwicklung. „Die Komplexität von Softwareinhalten wird weiter exponentiell zunehmen“, sagte er kürzlich. Der Markt sei nach seiner Einschätzung groß genug für Zulieferer und Autobauer. In der Tat lag Continentals Marktanteil im Geschäft mit Lösungen fürs assistierte und automatisierte Fahren zuletzt bei rund einem Viertel. Laut einer Präsentation geht der Konzern davon aus, dass der Markt von zuletzt 35 Milliarden Euro (2018 bis 2020) auf 70 Milliarden Euro (2022 bis 2024) wächst. Allerdings müssten dafür auch Halbleiter verfügbar sein, sonst läuft kein Steuergerät, das Continental an die Autobauer verkauft. Noch aber zeichnet sich ein länger andauernder Mangel ab.

Dass Setzer durchaus Ausdauer hat, beweist er regelmäßig beim Laufen. Und dass sich seine Strategien auszahlen, zeigte der Marathonmann schon, als er noch für die Reifensparte verantwortlich war. Damals war er unter anderem daran beteiligt, das Werk im französischen Clairoix zu schließen. Im Gegenzug baute er Werke in den USA und Asien auf. Heute ist die Reifensparte eine Ertragsperle.

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Bei den meisten Weggefährten gilt Setzer als ein rationaler Typ, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Er sei zielorientiert, gründlich, konsequent und verlässlich. Vor allem, sagt einer, nehme Setzer alle mit. So schaffte er es jüngst sogar, den Abgang der beiden Vorstände Helmut Matschi und Frank Jourdan zu kommunizieren, ohne dass es darum intern größere Querelen gegeben hätte. Nur bei Arbeitnehmern kommt Setzer nicht immer gut an. Zwar könne er zuhören und sei für Vorschläge und Ideen offen. Doch Betriebsräte attestierten ihm auch einen gewissen Mangel an Feinfühligkeit. So wirke er in Gesprächen oft teilnahmslos, als ob er nicht zuhöre, sagt einer. Es komme „keine Regung, null Empathie“. Zwar merke man später an Setzers Antworten, dass er sehr wohl zugehört habe. Dieses Verhalten jedoch könne „zu vermeidbaren Reibungsverlusten und unnötigen Konflikten führen“, meint ein anderer.

Das dürfte auch der ehemalige Volleyballer in Setzer nicht wollen: Schließlich, so sagt er über sich selber, strebe er immer danach zu gewinnen: „Gemeinsam gewinnen! Als Team!“

Am 18. November wird der Entscheidungsmacher im Rahmen eines exklusiven Dinners in Frankfurt gekürt. Mehr über diese Veranstaltung und auch die Anmeldung finden Sie hier: https://anmeldung.me/enma/

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