Das Wulff-Syndrom Warum Macht Politiker und Manager verblendet

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Kleingeistige Reförmchen

Illustration Mann tappt in Falle Quelle: Illustration: Thomas Fuchs

Doch wer sich völlig nach außen abschirmen lässt, der verliert schnell den Blick für die Realität. Er wird unfähig, sich gegen einen Apparat durchzusetzen, der eigene Vorhaben so lange durchkaut, bis auch die kühnsten Ideen zu kleingeistigen Reförmchen geschrumpft sind (siehe Essay Seite 82).

Die Geschichte ist reich an Personen, die Opfer ihrer Machtfülle wurden – egal, ob Manager, die in die eigene Tasche wirtschafteten, oder Politiker, die sich in privaten Affären verstrickten. „Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut“, sagte einst der Historiker Lord Acton. Anders gesagt: Macht macht mies. Sie schüchtert Mitmenschen ein, verändert die Selbstwahrnehmung, verleitet zum Lügen und Betrügen.

Grenzen ignorieren in der Chefetage

Aber warum passiert es selbst denen, die es besser wissen sollten? Warum fälschte der damalige Hewlett-Packard-Chef Mark Hurd ein Dutzend Spesenquittungen im Wert von knapp 20.000 US-Dollar, bei einem Gehalt von 82.000 Dollar – pro Tag? Warum glaubte der frühere Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel, ungestraft Steuern hinterziehen zu können? Warum rechnete Eliot Spitzer, einstiger Generalstaatsanwalt von New York, damit, dass sein Kontakt mit Prostituierten – in vielen US-Bundesstaaten illegal – unentdeckt bleiben würde?

Eine Antwortet lautet: Weil die Veranlagung dazu, Grenzen zu ignorieren, bereits in der Persönlichkeit vieler Führungskräfte angelegt ist.

Die wichtigsten Regeln wider den Machtmissbrauch

Tendenziell extrovertiert

Wer es an die Spitze eines Konzerns, einer Partei oder eines Landes schaffen will, ist tendenziell extrovertiert – graue Mäuse fallen zu wenig auf, um sich in Gremien, bei Vorgesetzten, Headhuntern oder Aufsichtsräten für Spitzenjobs zu empfehlen. Wer sich zutraut, Dutzenden, Hunderten oder Tausenden von Mitarbeitern vorzustehen und über millionen- oder gar milliardenschwere Etats zu verfügen, ist in der Regel optimistisch und selbstbewusst.

Doch die Grenze zur Selbstüberschätzung verläuft fließend – und Macht sorgt häufig dafür, dass sie überschritten wird. Dann wird aus Selbstbewusstsein Hybris, aus Einfluss Manipulation, aus visionärem Denken Größenwahn, aus Entscheidungsfreude Gefühlskälte. Es ist ein schmaler Grat zwischen verantwortungsvollem Umgang mit Macht und ihrem Missbrauch.

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