„Manager an der Spitze neigen dazu, um sich ein Team aufzubauen, das sie permanent bestärkt“, sagt die Berliner Managementberaterin Ulrike Wolff. Die Folge: Kritik von außen wird ignoriert oder kommt gar nicht erst bei ihnen an. Manche ergötzen sich so sehr an ihrem Einfluss, dass es ihnen nur noch um den Erhalt der Macht geht – oder deren Erweiterung.
Ein Problem, das Georg Milbradt gut kennt. Der 66-Jährige war von April 2002 bis Mai 2008 sächsischer Ministerpräsident. Damals hetzte er im Dienstwagen von Termin zu Termin, heute beantwortet er E-Mails innerhalb weniger Minuten selbst. Milbradt ist seit 2009 außerordentlicher Professor an der TU Dresden, wirkt offen und entspannt – ganz anders als früher. „Als Ministerpräsident habe ich in einer Art Kokon gelebt“, sagt Milbradt. „Die Fähigkeit, Kritik zu ertragen, sinkt im Laufe der Zeit.“
Kredite der Bank
Völlig verhindern, sagt Milbradt, könne man diesen Prozess nicht. „Aber man kann ihn verzögern.“ Nur wie? Milbradt umgab sich mit einer Gruppe von Ratgebern, „die mir im kleinen Kreis offen Widerworte geben konnten“.
Sollte es so gewesen sein – geholfen hat es wenig. Seinen Rücktritt reichte er nicht nur wegen der Krise bei der Sachsen LB ein. Es kam auch heraus, dass er und seine Frau Ende der Neunzigerjahre Kredite der Bank in Anspruch genommen hatten – Milbradt war damals sächsischer Finanzminister und somit Chef des Sachsen-LB-Verwaltungsrats.
Plaudern mit Arbeitern
Skandale dieser Art sind Werner Marnette erspart geblieben. Der heute 66-Jährige arbeitete knapp 30 Jahre bei der Norddeutschen Affinerie (NA), der heutigen Aurubis. Er formte das Unternehmen zu Europas größtem Kupferkonzern, davon 13 Jahre als Vorstandschef. Im Jahr 2007 trat er nach einem Konflikt mit dem Aufsichtsrat zurück. Noch heute hat er Kontakt mit seiner damaligen Sekretärin, bekommt Post von NA-Angestellten oder telefoniert mit ihnen.
Jeden Arbeitstag begann Marnette eigenen Angaben zufolge mit einem Besuch in den Werkshallen und plauderte mit den Arbeitern. Er wollte immer nahbar bleiben – weil er wusste, wie wichtig das für das gesamte Betriebsklima ist: Wer nur aus der Vorstandsetage regiert, bekomme gar nicht mit, was den einzelnen Angestellten oder Arbeiter bewegt, sagt Marnette.