Der nächste Internettrend Mit sieben Schritten ins Metaverse

Quelle: Getty Images

Das Metaverse gilt als nächstes großes Ding im Internet. Es könnte die Art, wie Unternehmen mit ihren Kunden umgehen, und damit auch bisherige Geschäftsmodelle grundlegend ändern. Wie sollten Manager nun vorgehen, um diesen Trend nicht zu verpassen? Innovationsforscher Thomas R. Köhler gibt eine Anleitung im Gastbeitrag.

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Es gilt unter Experten als sicher, dass das Internet der nächsten Generation vielfach als virtuelle Welt erlebbar sein wird. Doch die Details dazu sind noch unklar. Für Unternehmen, die den Schritt ins Metaverse wagen wollen, ergeben sich eine Reihe von Fragen: von der Auswahl der richtigen Plattform über die Gestaltung der Aktivitäten bis zu Fragen in Sachen Datenschutz und Cybersicherheit.

Für Anbieter von Produkten für Privatleute zeichnen sich etwa die Optionen ab, einen virtuellen Showroom zu betreiben, per virtuellen Events auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen oder den eigenen Produkten digitale Produkte und Dienste für das Metaverse an die Seite zu stellen.

Start-ups werden es eher mit rein digitalen Produkten und Diensten versuchen. Betrachtet man die Modebranche, so kann diese Strategie aufgehen: Sneakerhersteller wie Adidas oder Nike haben neben virtuellen Showrooms längst digitale Varianten ihrer Produkte am Start und selbst High-Fashion-Anbieter wie Gucci machen mediale Furore und ganz realen Umsatz mit rein virtuellen Handtaschen.

Zur Person

Heute in das Metaverse zu investieren, ist in gewisser Weise vergleichbar mit einer Investition ins Internet in seinen frühen Tagen. Damals wurden zwar viele Millionen in den Sand gesetzt, es entstanden aber im gleichen Zeitraum auch heutige Internetgiganten wie Amazon oder Ebay.

Das bittere Fazit der ersten Internetwelle: Die Digitalisierung etablierter Branchen und Unternehmen kam vielfach zu spät, zu langsam und mit zu geringer Investitionsbereitschaft. Das Geschäft mit dem Internet machen heute andere.

Damit dies nicht erneut passiert, lohnt es sich, eine strategische Sicht auf das Metaverse einzunehmen, denn die Frage ist nicht „ob“, sondern „wann“ und „in welcher Form“ sich der Einstieg rentiert. Die folgenden sieben Schritte geben eine erste Orientierung für das, was nötig ist, um für die nächste Generation des Internets gerüstet zu sein:

Schritt 1: Marktanalyse

Erstellen Sie eine erste Marktanalyse: Welche Ankündigungen machen direkte Wettbewerber, aber auch andere Unternehmen Ihrer Branche (weltweit) in Sachen Metaverse? Sammeln Sie Beispiele und dokumentieren Sie erste Ergebnisse. Falls es bisher keine Unternehmen in Ihrer Branche mit Metaverse-Plänen gibt – was sehr unwahrscheinlich wäre – schauen Sie nach benachbarten Branchen und gegebenenfalls auch bei Ihren Lieferanten und Kunden.

Diesen Schritt können Sie grundlegend selbst machen. Es ist hilfreich, wenn Sie bereits eine laufende Wettbewerbsbeobachtung etabliert haben und somit grundlegend darüber Bescheid wissen, wer Ihre wesentlichen Wettbewerber sind, wo diese finanziell stehen, welche Übernahmen diese tätigen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten diese vollziehen.

Nun gilt es, aus öffentlich zugänglichen Informationen herauszufiltern, was diese in Sachen Metaverse tun. Im Regelfall genügt dazu eine laufende Beobachtung von Unternehmensmeldungen und Presseberichten. Sollte etwa einer Ihrer Wettbewerber eine Metaverse-Strategie nicht nur angekündigt, sondern bereits etabliert haben, empfiehlt es sich, diese Präsenz inkognito zu besuchen und zu dokumentieren, welche Funktionalität und Interaktionsmöglichkeiten angeboten werden.

In der Vergangenheit waren es meist Unternehmen in Nordamerika und zuletzt in Südostasien, die bei der Adaption neuer Technologien führend waren und sind, daher lohnt sich ein Blick ins Ausland. Sind bereits mehrere Wettbewerber präsent, empfiehlt sich eine differenzierte Erhebung, in der Sie nicht nur die Wettbewerber auflisten, sondern in Form einer Matrix einen Vergleich anstrengen. Diese könnte etwa im Bereich Auto wie folgt aussehen:

⬢ Hersteller A / Hersteller B / Hersteller C / Hersteller D
⬢ Virtueller Showroom
⬢ Konfigurator
⬢ Virtuelle Probefahrt
⬢ Bestelloption
⬢ Kundenberatung AI
⬢ Kundenberatung in Person

Am Ende steht eine Übersicht über die Pläne Ihrer Wettbewerber, die Sie am besten auf wenige Seiten und Tabellen verdichten, damit Sie für die folgenden Schritte die notwendigen Informationen stets zur Hand haben.

Schritt 2: Akzeptanz

Grundlegend gilt: Ein Management-Sponsor ist entscheidend für den Erfolg des Vorhabens. Dabei geht es nicht nur um Budgets, sondern auch um die Einbindung in die Gesamtstrategie des Unternehmens. Natürlich ist das Metaverse ein abstraktes Thema, das Erläuterung bedarf. Nutzen Sie dazu Beispiele, insbesondere auch die, die sie in Schritt 1 gefunden haben! Bereiten Sie eine Richtungsentscheidung vor und stellen Sie sicher, dass diese von allen Beteiligten verstanden wird! Es versteht sich dabei von selbst, dass diejenigen im Unternehmen, die später die Umsetzung betreuen sollen – also etwa die Marketing- und Social-Media-Verantwortlichen – einbezogen werden sollten, auch wenn diese formell nicht zum engen Managementteam gehören.

Schritt 3: Strategie

Treffen Sie eine Entscheidung über die eigentliche strategische Ausrichtung Ihres Vorstoßes ins Metaverse! Geht es zunächst „nur“ um Aktivitäten im Sinne des Marketings, wie etwa die Positionierung der eigenen Marke im Metaverse? Geht es Ihnen um die Schaffung eines Kundenforums oder eines Veranstaltungsformats? Planen Sie direkte Verkäufe Ihrer Produkte? Wenn ja, in welchen Ländern? Wird es eine Kombination physischer Verkäufe und digitaler Güter geben? Alles zusammen? Oder wollen Sie das Metaverse für interne Prozesse – etwa virtuelle Besprechungen – nutzen?

Bevor Sie über die weiteren Schritte nachdenken, sollten Sie hier unbedingt Ihre Hausaufgaben gemacht haben und Ihre Metaverse-Dienstangebote beziehungsweise die Kombination der Dienste definieren. Spätestens jetzt empfiehlt es sich, unabhängige Experten zumindest punktuell hinzuzuziehen. Das Wissen um Metaverse und Web3 ist dünn gesät. Sie sollten daher darauf achten, dass Sie nicht die Lernkurve Ihrer Berater und Dienstleister bezahlen.

Wenn Sie also nun beispielhaft beschließen, Ihre unternehmenseigene Kunstsammlung in einer virtuellen Galerie im Metaverse auszustellen und dazu entsprechende NFTs herausgeben wollen, benötigten Sie natürlich Wissen zu jeder Komponente – von der Frage nach der Gestaltung einer Präsenz auf Basis einer der gegenwärtigen Metaverse-Plattformen über die technische Bereitstellung der NFTs bis hin zum Kuratieren der Elemente.

Anders gesagt: Die klug gewählte Zusammensetzung Ihres Projektteams ist der Schlüssel zu Ihrem Projekterfolg.

Schritt 4: Plattform

In welcher virtuellen Welt wollen Sie sich mit Ihrem Unternehmen engagieren? Die Zahl, demografische Zusammensetzung und das Engagement der Nutzer sowie das erwartete Wachstum variieren von Plattform zu Plattform. Gegebenenfalls sollten Sie hier eine weitere Runde Marktforschung einplanen und die Eignung der in Frage kommenden virtuellen Welten im Detail bewerten, damit Ihre Metaverse-Strategie kein Blindflug wird.

Ähnlich wie bei klassischen Webthemen setzen sich die Besucherzahlen aus organischen Zugriffen – also denen, die von sich aus auf die Plattform kommen – und den Besuchern, die Sie auf die Plattform bringen, zusammen. In seltenen Ausnahmefällen kann die Entscheidung auch lauten, eine eigene Plattform anzustreben. Hier steht die Nutzergewinnung gleichbedeutend neben dem Plattformkonzept. Ansonsten droht ein Desaster, wie Anfang Dezember 2022 bei einem Projekt der EU, bei dem sich – trotz fast 400.000 Euro Investment nur eine Handvoll an Besuchern einfanden.

Key Performance Indicator, Kooperationen, Personal

Schritt 5: KPIs

Legen Sie geeignete KPIs (KPI= Key Performance Indicator) fest! Welche Nutzerzahlen, welches Engagement und gegebenenfalls welche Abverkaufszahlen wollen Sie in einem definierten Zeitraum erreichen? Wie soll die Anlaufkurve aussehen? Welche Maßnahmen sollen greifen, wenn bestimmte KPIs in bestimmten Zeiträumen nicht erreicht werden können? Ziel ist hier, von Anfang an eine Regelungs- und Einflussmöglichkeit zu haben, um ohne Verzögerung bei Abweichungen eingreifen zu können.

Schritt 6: Kooperationen

Denken Sie über Partnerschaften und Lieferantenbeziehungen jenseits der oben bereits hinzugezogenen Expertinnen und Experten nach! Die Bandbreite ist groß und reicht von Spezialisten für virtuelle Bauten und Avatare, Immobilienspezialisten für virtuelle Grundstücke, über Expertenteams für Markenerfahrungen im Metaverse über Influencer bis hin zu großen Technologiekonzernen und den Plattformbetreibern selbst – je nach Ihrem Anspruch und Umfang Ihres Engagements.

Nicht vergessen sollten Sie Unternehmen, deren Leistungsangebot komplementär zu Ihrem ist und die vielleicht schon eine Präsenz im Metaverse haben. Hier bietet sich unter Umständen eine Partnerschaft oder auch ein gemeinsamer Auftritt an, allein die bessere Nutzung der Besucherströme legitimiert im Regelfall bereits eine solche unternehmensübergreifende Zusammenarbeit.

Schritt 7: Personal

Planen Sie Ressourcen für die Inbetriebnahme, den Betrieb, die laufende Betreuung, notwendige Überarbeitungen im laufenden Betrieb und notfalls für die Rückabwicklung und Stilllegung Ihres Metaverse-Engagements ein.

Spätestens hier geht es um Personalressourcen:

⬢ Wer verantwortet den Betrieb gesamt/die Projektleitung?
⬢ Wer kümmert sich um die Technik?
⬢ Wer beantwortet Kundenanfragen und wer ist gegebenenfalls vor Ort zu welchen Zeiten direkt im System für die Kundschaft ansprechbar?
⬢ Wer produziert virtuelle Events und mit welchen Partnern?
⬢ Wer kümmert sich um die Zuführung von Besuchern?
⬢ Wer ist verantwortlich für Cybersicherheit Ihrer Metaverse-Aktivitäten?
⬢ Ist der betriebliche Datenschutz eingebunden?

Und natürlich geht es auch um die Budgetfrage. Bei einem marketingzentrierten Auftritt fallen etwa folgende Kosten an:

⬢ Kosten für fachliche Beratung,
⬢ Kosten für Agenturleistungen,
⬢ Kosten für Setup der eigenen Markenumgebung im Metaverse,
⬢ Kosten für Avatare und Ausstattung,
⬢ Kosten für laufende Betreuung der Plattform,
⬢ Kosten für eventuellen Rückbau.

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Wie auch im Web gilt: Springen Sie nicht zu kurz! Veranschlagen Sie für Ihr Markenerlebnis in der virtuellen Welt einen sechsstelligen Betrag, um einen State-of-the-Art-Auftritt implementieren zu können.

Lesen Sie auch: Die Clubszene versucht, sich im Metaverse neu zu erfinden. Ein Besuch auf der virtuellen Tanzfläche.

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