Der richtige Umgang mit Kritik Jetzt aber mal Tacheles!

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Unfaire Kritik ist am schlimmsten

Dazu kommt zahlreiche Kritik von außen. Zu rabiat, zu nachsichtig, zu selbstgerecht – so lauten die Vorwürfe nach Polizeieinsätzen häufig. Deshalb gibt es eine eigene Abteilung, die sich mit externen Beschwerden auseinandersetzt. Jede landet auf Wesselers Schreibtisch, im vergangenen Jahr waren es 320. „Wenn der gleiche Beamte in mehreren Beschwerden auftaucht, schauen wir uns den genauer an“, sagt Wesseler. Für ihn ist Kritik zentral, um Betriebsblindheit auszuschließen – und nicht zuletzt als Teil seiner Karriereplanung: „Natürlich muss ich jederzeit damit rechnen, meinen Kopf hinzuhalten – ganz gleich, ob ich konkret etwas dafür kann oder nicht“, sagt Wesseler.

Den Umgang mit ungerechten Vorwürfen musste er allerdings erst lernen. Drei Wochen nach seinem Jobantritt thematisierte die „Bild“-Zeitung seine Freizeitgestaltung: „Wirbel um Urlaub des neuen Polizeipräsidenten – an Karneval fliegt er nach Venedig“. Die Botschaft war klar: Wesseler lässt seine Truppe im Stich. „Das hat mich sehr getroffen. Nicht nur, weil es so ungerechtfertigt war. Sondern weil das viele Leute unreflektiert lesen“, sagt Wesseler.

Fünf Regeln für sinnvolle Kritik

Auch Intendantin Votteler kennt das: Als ein Kritiker eine Inszenierung als „riesengroßen Kaiserschmarrn“ betitelte, wurde anschließend nur die Hälfte der Tickets verkauft. Unfaire Kritik sei am schlimmsten: „Wenn jemand nicht auf konkrete Details eingeht, sondern einfach nur einen Verriss schreiben will, ärgert mich das am meisten“, sagt Votteler.

Beschimpfen ist nicht gleich kritisieren

Die Herausforderung für Unternehmenschefs besteht vor allem darin, die konstruktive Kritik von der destruktiven Beschimpfung zu unterscheiden. „Wenn eine Person permanent schlechtes Feedback gibt, hält das den Zielfortschritt auf“, sagt Psychologin Volmer, „ewiges Jammern hilft niemandem.“ Polizeipräsident Wesseler hat inzwischen ein feines Gespür entwickelt: „Je konkreter und spezifischer die Kritik, desto relevanter ist sie meistens.“ Denn es gibt durchaus Vorwürfe, die er weniger ernst nimmt.

Wenn er Muslimen einen friedlichen Ramadan wünscht, erhält er rechtsgesinnte Protestbriefe; nach jeder Demonstration kommen Vorwürfe, die Polizei schütze die Falschen. „Solch erwartbare Kritik tut nicht so weh. Weil man genau weiß, aus welcher Richtung sie kommt“, sagt er. Da gehe es letztlich nicht um die Polizeiarbeit, sondern um politischen Unmut, darum, Frust über einen Strafzettel zu bewältigen, oder um generelle Abneigung gegenüber seiner Berufsgruppe.

Über ungerechte Kritik lachen können, hilft

Doch Aktivisten, Internetkommentatoren oder emotionale Zuschauer nehmen in der Regel keine Rücksicht. „Man bekommt ein dickes Fell“, sagt Wesseler nach vier Jahren als Polizeipräsident. Verständlich, einerseits. Andererseits steigt dadurch die Gefahr der Abschottung – dass Menschen in exponierten Positionen keine Kritik mehr an sich heranlassen, weil sie ohnehin bösen Willen unterstellen. Auch das wäre fatal.

Dagegen wehrt sich die Theaterchefin mit einer eigenen Strategie: Sie hat ein Team enger Mitarbeiter, das sich der Kritik gemeinsam stellt. „Dadurch lassen wir uns nicht so leicht aus der Fassung bringen.“ Andere Künstler rufen sofort Journalisten an, wenn etwas über sie in der Zeitung steht. Sie teilt ihren Ärger lieber mit anderen und überlegt sich in Ruhe, wie sie die Rückmeldung einzuordnen hat. Und nicht zuletzt spricht noch etwas anderes dafür, Feedback mit anderen zu teilen: „Im Team lachen wir auch viel über Kritik“, sagt Votteler, „und dann ist der erste Ärger sofort verflogen.“

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