




Die New Yorker Art Direktorin Matilda Kahl trägt seit drei Jahren jeden Tag die gleiche Kleidung im Büro. Weil sie sich nicht mehr entscheiden wollte, ob ein Outfit zu förmlich oder zu leger sei, wie sie in einem Beitrag für das Modemagazin "Harper's Bazaar" schrieb. Seit dem sie ihre selbstgewählte Arbeitsuniform aus einer weißen Bluse und einer schwarzen Hose trage, habe sie mehr Zeit, sich auf wichtige Dinge zu konzentrieren. Auch US-Präsident Barack Obama will nicht entscheiden, was er isst oder anzieht. Er sagt, er habe genug wichtige Entscheidungen zu treffen.
Das Problem hat auch Otto Normalbürger. Wenn wir nach der Arbeit beim Einkaufen im Supermarkt nicht mehr wissen, was wir nehmen sollen, dann sprechen Psychologen von Entscheidungsmüdigkeit oder Decision Fatigue. Was Entscheidungen so anstrengend macht, ist unsere Unsicherheit. Wenn es im Unternehmen um Fortschritt, Wachstum und Innovationen geht, haben wir es mit ganz besonders viel Unsicherheit zu tun. Wer sich unsicher ist, trifft seine Entscheidung auf einer von vier Grundlagen. Leider geht das nicht immer gut.
Zum Autor
Christoph Burkhardt ist Berater und Managing Director der in New York ansässigen Columbia Leadership Group. Er lebt in San Francisco und berät Unternehmen weltweit dazu, wie sie aus Ideen Innovationen machen. www.christoph-burkhardt.com
Innovationen müssen schnell gehen
So wollen wir manche Entscheidungen erst dann treffen, wenn wir wirklich alle Fakten und jedes noch so kleine Detail kennen. Entsprechend kommt es in Unternehmen häufig zu einem Entscheidungsstillstand, Decision Paralysis, weil nach Informationen gesucht wird, die am Ende irrelevant sind. Um ein Gefühl der Kontrolle zu gewinnen, werden Informationen beschafft, die Annahmen bestätigen, Entscheidungen werden herausgezögert und wertvolle Zeit geht verloren. Wenn eine weitere Analyse die Unsicherheit der Entscheidung nicht senkt, sollte man nicht weiter analysieren. Wenn ein zu detaillierter Projektplan so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass er eine Markteinführung behindert, dann ist die Gefahr groß, dass ein Konkurrent schneller ist.
Genauso schwierig kann es sein, wenn Entscheidungen allein auf Basis der eigenen Erfahrung getroffen werden. Denn was heute funktioniert, muss morgen überhaupt nicht mehr funktionieren. Märkte, Kunden, Mitarbeiter und Organisationen verändern sich schneller als uns lieb ist. Unsere Entscheidungen auf Erfahrung zu stützen ist gefährlich, weil wir das Auftreten unwahrscheinlicher Ereignisse unterschätzen.
Die menschliche Intuition ist auf Informationen angewiesen
Auch die Intuition ist zu komplex, zu wenig rational, zu wenig greifbar. Außerdem sind intuitive Entscheidungen manipulierbar, denn ein Bauchgefühl lässt sich erzeugen. Der richtige Einsatz von Beispielen, Bildern und Visionen kann den entscheidenden Unterschied machen. Schon haben wir haben ein gutes Gefühl bei der Sache und wir können uns gut vorstellen, dass ein Produkt am Markt einschlägt. Nur: Bei Innovationsentscheidungen ist Intuition oft die einzige Informationsquelle, weil uns Wissen, Erfahrung und Regeln fehlen.
Deshalb brauchen wir Klarheit darüber, welche Regeln gelten: Darf ich Fehler riskieren? Wann muss ich um Erlaubnis fragen? Wie bringe ich meine Ideen ein? Wenn Werte und Prinzipien feststehen, können sich alle darauf verlassen. Allerdings müssen die Regeln klar verständlich und einfach umsetzbar sein. Wenn ein Unternehmen Verantwortung und Offenheit als Werte definiert, muss jedem Mitarbeiter klar sein, wie er Entscheidungen darauf aufbaut. Eine Regel wie “schnell ist besser als langsam” ist da klarer. Im besten Fall sind normative Entscheidungen als “wenn - dann” Statements formuliert: “Wenn ich als Führungskraft ein Teilprojekt delegiere, dann gebe ich die Verantwortung mit ab. Oder: "Wenn ein Kunde nach Informationen fragt, gebe ich diese heraus ohne erst meinen Chef um Erlaubnis zu fragen.“
Außerdem sollte man verstehen, auf welcher Grundlage man sich gerade entscheidet: Intuition? Erfahrung? Detailwissen? Regeltreue? Gute Entscheidungen basieren nie nur auf einer dieser vier Säulen. Bei Innovationsentscheidungen brauchen wir angemessenes Wissen, die richtige Erfahrung, ein ausgeklügeltes Wertesystem und unsere Intuition. Je weniger wir die Basis für unsere Entscheidungen streuen, desto geringer die Chance, dass wir uns richtig entscheiden.