In den Chefetagen von Deutschlands Konzernen gab es zuletzt ein kräftiges Stühlerücken: 24 der 150 größten deutschen Unternehmen wechselten im vergangenen Jahr den Vorstandsvorsitzenden aus. Damit ist die Wechselquote an der Unternehmensspitze im internationalen Vergleich sogar besonders hoch.
Das zeigt die „CEO Success Studie 2017“ von Strategy&, einer Strategieberatung aus dem Netzwerk der Unternehmensberatung PWC.
Rund jeder vierte CEO in Deutschland wird vorzeitig ausgetauscht. Damit finden hierzulande mit die meisten frühzeitigen Entlassungen statt. Dafür gibt es auch in diesem Jahr bereits Beispiele: Matthias Müller machte im April nach nur drei Jahren an der Spitze von Volkswagen Platz für Herbert Diess. Robert Hienz wurde ebenfalls nach nur drei Jahren als Chef von Eon Energie Deutschland ausgetauscht.
Strategy& untersuchte in der "CEO Success Study“ die 2.500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen im vergangenen Jahr. Für den deutschsprachigen Raum wurden ergänzend die 300 größten Unternehmen in dieser Region analysiert. Es floss sowohl die Performance der Unternehmen zum Zeitpunkt der Ablösung als auch die Art und Weise des Ausscheidens des CEOs ein. Aussagen über Trends und Entwicklungen beziehen sich auf die bereits vorgelegten Strategy&-Studien zu CEO-Ablösungen im Rahmen der jährlichen Studien ab 2000.
Für diese frühzeitigen Entlassungen gibt es verschiedene Gründe:
- Jeder zehnte Chefwechsel in Deutschland beruht auf schlechten finanziellen Ergebnissen des Unternehmens. So auch die Ablösung von John Cryan als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank im April 2018.
- Differenzen mit dem Aufsichtsrat können ebenso zur Entlassung führen, das musste der ehemalige Lidl-Chef Sven Seidel erfahren. Seidel soll einen anderen Plan für die Zukunft des Discounters gehabt haben als Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Gehrig
- Im vergangenen Jahr musste kein deutscher CEO wegen ethischen Verfehlungen – also wegen Betrugs, Bestechung oder anderen kriminellen Handlungen – seinen Posten räumen. 2018 sieht das schon anders aus, bereits zwei DAX-Konzerne zeigen das: Carsten Kengeter wurde Anfang des Jahres als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse wegen des Verdachts auf Insiderhandel abgelöst. Seit Juni 2018 sitzt Audi-CEO Rupert Stadler in Untersuchungshaft. Er ist seitdem beurlaubt.
Durch die überdurchschnittlich vielen frühzeitigen Wechsel sind auch die Amtszeiten deutscher CEOs kürzer als im internationalen Vergleich: 2016 waren die Vorstandsvorsitzenden der 150 größten Unternehmen aus Deutschland im Schnitt 8,4 Jahre im Amt – ein vergleichsweise stabiler Wert. Im vergangenen Jahr saß ein deutscher CEO durchschnittlich nur 5,1 Jahre auf dem Chefsessel. „Die Halbwertszeit von CEOs in Deutschland sinkt drastisch“, sagt Peter Gassmann, Europachef von Strategy&. Zum Vergleich: Das internationale Mittel liegt bei 7 Jahren.
„Das regelmäßige Stühlerücken hierzulande ist auch auf immer kurzfristiger zu erreichende Ziele sowie eine geringere Fehlertoleranz der Aufsichtsgremien und Eigentümer zurückzuführen“, erklärt Gassmann. Gerade aktivistische Investoren, die in Deutschland seit zwei Jahren verstärkt auftreten, würden bei schlechten finanziellen Ergebnissen häufiger öffentlichen Druck auf das Unternehmen aufbauen und CEO-Wechsel forcieren.