Die Helfer nach dem Jobverlust Nach der Kündigung ist vor dem Gehaltsplus

Die Coronakrise wird in vielen Unternehmen zu betriebsbedingten Kündigungen führen. Quelle: dpa

Nach einer Kündigung bieten immer mehr Unternehmen ehemaligen Mitarbeitern neben der Abfindung einen Outplacementberater an, der bei der Jobsuche hilft. Das lohnt sich auch für diejenigen, die sich neu orientieren müssen.

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„Ein Arzt freut sich ja auch nicht über mehr Patienten“, betont Stefan Detzel. Er ist Vorstandsmitglied im Fachverband Outplacementberatung, der wiederum zum Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) gehört. Und als solcher darum bemüht, nicht allzu sehr den Eindruck zu erwecken, seine Branche zähle zu den Krisengewinnlern der Coronazeit. Doch wenn viele Menschen ihren Job verlieren, haben diejenigen, die wie Detzel gekündigten Mitarbeitern beim Neuanfang helfen, mehr zu tun. Und so dürfte die Prognose in der aktuellen Branchenstudie zum Outplacementberatungsmarkt im laufenden Jahr noch übertroffen werden. Die Einschätzungen der Berater waren schon zu Jahresbeginn abgefragt worden, als die Auswirkungen der Coronakrise noch weniger absehbar waren.

Die Umfrage, die der WirtschaftsWoche vorliegt, geht von einem Wachstum der Outplacementberatungen von etwa zwei Prozent in diesem Jahr aus. „Die Coronakrise hat nicht unmittelbar zu einer Belebung unserer Branche geführt, weil viele Unternehmen erst einmal Kurzarbeit beantragt haben. Alle mussten sich neu orientieren und abwarten, wie schlimm es tatsächlich kommt“, erläutert Detzel. Vom kommenden Jahr an erwartet Detzel einen „signifikanten Anstieg“ an Aufträgen. „2020 werden erst einmal Sozialpläne abgeschlossen. Es dauert immer seine Zeit, bis etwas passiert“, sagt der Outplacement-Experte.

Mit Kurzarbeit hätten viele Unternehmen die erste Krisenphase lediglich überbrückt. Wo der Kostendruck steigt, ist der Personalabbau nicht weit. Zuletzt hatte es von 2008 auf 2009 und von 2011 auf 2012 einen sprunghaften Anstieg der Outplacement-Nachfrage gegeben – damals wuchs der Markt um 20 beziehungsweise 17 Prozent. In einem ähnlichen Rahmen könnte sich auch jetzt die Entwicklung bewegen, die Branchenkenner wollen sich im Moment aber nicht auf eine Prognose festlegen.

Hohe Vermittlungsquote

Ein Outplacementberater ist im besten Fall ein Coach, der den oder die Kandidaten über mehrere Monate begleitet: Von der psychischen Verarbeitung des Arbeitsplatzverlustes über die Klärung der Perspektiven und Wünsche bis hin zur konkreten Bewerbung unterstützt der Berater bei der Neuorientierung. In großen Unternehmen gehört das Angebot bei Kündigungen häufig zum Abfindungspaket; es soll ehemaligen Mitarbeitern die Jobsuche erleichtern und das Image des Unternehmens schützen.

Bei Betriebsräten habe das Angebot in den vergangenen Jahren an Akzeptanz gewonnen, heißt es in dem BDU-Papier. Der typische Kandidat in der Einzelberatung war im vergangenen Jahr 49 Jahre alt, männlich und verdiente im Durchschnitt 105.000 Euro pro Jahr. Mehr als die Hälfte der Kandidaten waren älter als 50 Jahre. Von einer Outplacementberatung profitieren vor allem Besserverdiener: Im Schnitt werden dabei 90 Prozent von ihnen in einen neuen Job vermittelt.

Wird es krisenbedingt auf dem Arbeitsmarkt schwieriger für Jobsuchende, ist diese Quote zwar nicht unbedingt zu halten. Detzel betont dennoch: „Ohne Beratung dauert es in der Regel länger, eine neue Stelle zu finden.“ Gruppen-Outplacements machen inzwischen rund ein Fünftel der Aufträge aus – Tendenz leicht steigend. Die Kandidaten, die nicht individuell betreut werden, haben ein geringeres Gehalt, es liegt bei durchschnittlich 75.000 Euro.

Bewerben wieder lernen

„Bei den Kandidaten über 50 geht es auch darum zu überlegen, ob sie eine vergleichbare Position wie vorher anstreben, oder sagen, sie würden gerne weniger Überstunden machen und weniger reisen. Manche orientieren sich völlig neu und starten in die Selbstständigkeit“, sagt Detzel. Gerade die Kandidaten, die zuvor jahrelang in ein und demselben Unternehmen tätig waren, bräuchten Hilfe dabei, umzudenken und sich fit für den Bewerbermarkt zu machen: Wie präsentiere ich mich in Jobnetzwerken wie LinkedIn? Wie sieht ein moderner Lebenslauf aus? Und wie präsentiere ich mich im Gespräch so souverän und überzeugend, dass ich den entscheidenden Vorteil gegenüber den nicht-gecoachten Bewerbern habe?

Am Ende findet rund ein Drittel der so gecoachten Bewerber ihre neue Stelle über eine klassische Stellenanzeige. 23 Prozent der Einzelkandidaten werden über ihr persönliches Netzwerk fündig, 22 Prozent dank der Aktivitäten des Beraters. Bei den Gruppenkandidaten sind nur 12 Prozent durch ihr Netzwerk erfolgreich, 26 Prozent verdanken eine neue Stelle dem Berater. Fast 70 Prozent verdienen in ihrer neuen Position gleich viel oder sogar mehr als vorher. 87 Prozent bleiben auf der gleichen Hierarchieebene oder verbessern sich.

Entwicklung des Outplacement-Marktes in Deutschland

Die Beratungen sind nicht gerade billig: Ein Einzel-Outplacement über sechs bis zwölf Monate kostet das alte Unternehmen etwa 15.000 Euro. Bedingt durch die Corona-Einschränkungen zeichne sich derzeit ab, das Online-Programme stärker gefragt sind. Sie machen die Beratung ortsunabhängiger – und günstiger.

Wie stark die Berater im kommenden Jahr tatsächlich gebraucht werden, hängt auch vom Verlauf der Krise ab. Und der könnte am Ende doch weniger dramatisch sein, als noch im Frühjahr befürchtet. So wurde Bundesfinanzminister Olaf Scholz an diesem Dienstag mit den Worten zitiert, der „Wumms“ sei schon spürbar: „Ich habe das Gefühl, dass jeder merkt, dass sich die wirtschaftlichen Zahlen langsam wieder verbessern“, sagte der Minister dem Nachrichtenportal „The Pioneer“.

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