Die Höhle der Löwen „Um Software zu verkaufen, muss man nicht programmieren können“

Dominic Blank (links) und Michael Land von der Onlineakademie Hyrise Quelle: Foto: RTL Bernd-Michael Maurer

Mit Onlinekursen ermöglicht das Start-up Hyrise Academy den Quereinstieg in Tech-Unternehmen. Carsten Maschmeyer und Judith Williams wollten zusammen 750.000 Euro investieren. Warum der Deal dennoch geplatzt ist.

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Bootcamps, die Teilnehmer im Schnelldurchlauf zu Programmierern ausbilden, gibt es zuhauf. Dominic Blank, Michael Land und Alvaro Rojas übertragen das Prinzip mit ihrer Hyrise Academy auf den Softwarevertrieb. Gerade dort seien viele Stellen schwer zu besetzen. In der Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“ begeisterte das 2021 gegründete Start-up sowohl Carsten Maschmeyer als auch Judith Williams. Beide boten an, die erwünschte Summe von 500.000 Euro zu investieren – wollten aber 15 statt zehn Prozent der Anteile. Nach längeren Verhandlungen einigten sich Löwen und Gründer auf eine dritte Option: Beide Investoren zusammen übernehmen 20 Prozent der Anteile und stecken dafür sogar 750.000 Euro ins Unternehmen. Warum der spektakuläre Deal nach der Aufzeichnung doch noch gescheitert ist und wie es für Hyrise weiterging, erklärt Mitgründer Blank im Interview.

WirtschaftsWoche: Herr Blank, Start-ups, die sich an Unternehmenskunden richten, sind in „Die Höhle der Löwen“ nur selten zu sehen. Was hat Sie zur Bewerbung bewegt?
Dominic Blank: Wir haben Hyrise mit der Idee gegründet, das Konzept von Tech-Bootcamps in die Vertriebswelt zu übertragen. Um unsere Onlineakademie bei Kandidaten bekannt zu machen, ist eine Fernsehsendung mit so großer Reichweite natürlich sehr hilfreich. Tatsächlich haben wir aber auch Investoren gesucht – und fanden Carsten Maschmeyer durchaus passend: Mit seinem Hintergrund im Finanzvertrieb ist er ja vom Fach.

Ihr Wunschinvestor hat Ihnen tatsächlich ein Angebot gemacht – zusammen mit Judith Williams, die als Expertin für Teleshopping auch viel vom Verkaufen versteht. Dürfen wir Ihnen also zu den neuen Gesellschaftern gratulieren?
In den Moment waren wir glücklich über das Angebot, hatten aber schon Bauschmerzen damit, dass die Löwen unsere Firma sehr viel niedriger bewertet haben als wir selbst. Tatsächlich ist der Deal deswegen hinterher auch nicht zustande gekommen. Drei Business Angels waren bei uns schon investiert und haben ihr Veto eingelegt. Die Nachverhandlungen mit Carsten Maschmeyer und Judith Williams sind dann gescheitert. Dazu muss man wissen: Als die Sendung im März aufgezeichnet wurde, hatten wir gerade unser Geschäftsmodell umgestellt – und waren dann wirtschaftlich plötzlich viel erfolgreicher als gedacht.

Was hat sich geändert?
Beim Start von Hyrise haben wir noch von den Kandidaten Geld verlangt. Das hat bedeutet, dass wir relativ viel ins Marketing investieren mussten, um die Menschen von uns zu überzeugen. Anfang des Jahres haben wir das geändert: Für die Kandidaten ist unser Programm komplett kostenlos. Stattdessen zahlen nun die Unternehmen für jedes Vertriebstalent, das sie über uns finden, eine Prämie.

Wie läuft der Prozess ab?
Wechselwillige Quereinsteiger bewerben sich bei uns und wir klopfen dann in einem einstündigen Call ab, ob die nötigen Fähigkeiten vorhanden sind. Dann gibt es einen mehrstündigen Onlinekurs, in dem wir über das Berufsbild aufklären: Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es? Wir trainieren außerdem Vertriebssituationen und bereiten die Teilnehmer auf Bewerbungsgespräche vor. Wenn dieser Crashkurs durchlaufen ist, stellen sich die Kandidaten mit ihrem Lebenslauf und einem kurzen Video auf unserer Plattform vor. Die Unternehmen bewerben sich dann bei den Kandidaten.

Das klingt wie eine Mischung aus Bewerbungsportal und Personalvermittlung. Versteht sich Hyrise nicht als Onlineakademie?
Doch, das ist immer noch unser Kern. Aber das eigentliche Training beginnt nun erst dann, wenn es zu einer Einstellung kommt. Wir schulen unsere Kandidaten mindestens drei Monate lang berufsbegleitend. Da vermitteln wir einerseits das Handwerkszeug in Onlinekursen, andererseits gibt es ein persönliches Coaching. Wir können so genau auf unternehmensindividuelle Anforderungen eingehen.

Sind das nicht Dinge, die Unternehmen mit eigenen Ressourcen bewerkstelligen können?
Vielen Tech-Firmen fällt es schwer, neue Mitarbeiter zu schulen – vor allem, wenn es sich um Quereinsteiger handelt. Gerade bei schnell wachsenden Start-ups haben andere Dinge eine viel höhere Priorität. 40 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mittlerweile alleine über die Onlineakademie, oft schulen wir auch Menschen, die nicht unser Bewerbungsprogramm durchlaufen haben.

Sie werben damit, Menschen mit schlechtbezahlten Jobs im Einzelhandel oder der Gastronomie eine neue Karriere in der Tech-Branche zu ermöglichen. Suchen Digitalunternehmen nicht vor allem technisch versiertes Personal?
Natürlich brauchen Tech-Firmen Softwareentwickler. Aber es gibt eben auch viele nicht-technische Jobprofile, etwa im Vertrieb. Um Software zu verkaufen, muss man nicht programmieren können. Der Erfolg hängt da vor allem von Softskills ab – Motivation, Kommunikationsfähigkeit und Neugierde zum Beispiel. Das lernt man in keiner Berufsausbildung und in keinem Studium.

Wenn die fachlichen Anforderungen so gering sind, müsste es den Digitalfirmen doch leichtfallen, solche Stellen zu besetzen?
Im Gegenteil, gerade der Vertrieb ist fast immer der Engpass. Ich kenne das aus eigener Anschauung. Mit meiner letzten Firma habe ich eine App entwickelt, mit der Unternehmen Kundenfeedback einsammeln können. Es war leichter Softwareentwickler als Vertriebler zu finden. Einerseits ist der Recruitingprozess schwieriger: Aus einem Lebenslauf erfährt man kaum etwas über Softskills. Andererseits erreichen viele Digitalfirmen mögliche Quereinsteiger nicht. Keine Altenpflegerin käme auf die Idee, sich bei Personio zu bewerben – ein Unternehmen, das in der Tech-Szene jeder auf dem Schirm hat. 

Sie geben an, 100 Unternehmen als Kunden zu haben. Was verbindet die Firmen?
Typischerweise sind das Start-ups, die keine große Markenbekanntheit haben, weil sie sich mit ihren Softwarelösungen an Unternehmen richten. Die meisten unserer Kunden haben zwischen 50 und 500 Mitarbeiter, haben vielleicht gerade die erste größere Finanzierungsrunde abgeschlossen und wollen wachsen. Daneben sind aber auch größere Digitalunternehmen im Kundenkreis. Denen geht es darum, den Bewerberpool zu vergrößern.

Sie sind mit Hyrise in der Coronakrise gestartet: Damals haben viele Menschen etwa in der Gastronomie ihren Job verloren. In diesem Jahr wurde dort aber wieder händeringend Personal gesucht. Finden Sie überhaupt noch genügend Wechselwillige?
Um die Kandidatenseite machen wir uns keine Sorgen. Man darf nicht vergessen, dass die Verdienstaussichten bei Digitalunternehmen immer noch wesentlich besser sind. Und es ist ja nicht so, dass wir nur Kellner und Verkäufer umschulen. Wir haben zum Beispiel auch Kandidaten, die bei Banken oder Versicherungen arbeiten, und Lust auf etwas Neues haben. Generell steigt der Umschulungsdruck stark: Viele Jobs werden durch die Digitalisierung wegfallen, dafür steigt der Bedarf in der Tech-Branche. Wir haben bisher 200 Menschen umgeschult, das ist erst ein Tropfen auf den heißen Stein.

Verändert hat sich aber auch die Lage der Tech-Branche. Vom Coronaboom ist nicht mehr viel übrig, stattdessen herrscht Krisenstimmung. Investoren sind zurückhaltend geworden – und viele Start-ups entlassen Mitarbeiter. Wie stark trifft Sie das?
So katastrophal, wie die Stimmung oft beschrieben wird, ist sie nicht. Die Entlassungen treffen in der Regel auch nicht so sehr den Vertriebsbereich. Aber natürlich merken wir, dass unsere Kunden vorsichtiger bei Neueinstellungen werden. Bis vor einem Dreivierteljahr sind die Unternehmen immer auf uns zugekommen. Jetzt müssen wir unseren eigenen Vertrieb hochfahren.

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Bereuen Sie es im Nachhinein, die 750.000 Euro der Löwen ausgeschlagen zu haben?
Nein, wir konnten profitabel wachsen. Wenn wir jetzt neue Geldgeber an Bord holen, dann um unsere Internationalisierung und unser Wachstum zu finanzieren. Aber wir brauchen keine Investoren mehr, um unser Geschäftsmodell zu validieren.

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