Diversity Als Käpt’n Iglo eine Frau war

Käpt'n Iglo aus dem aktuellen Werbespot. Quelle: Iglo

Kaum eine Werbefigur ist so bekannt wie Käpt’n Iglo. Doch was, wenn plötzlich eine Frau in die Rolle des Fischstäbchen-Kapitäns schlüpft? In Großbritannien wagte man es – Deutschland will das nicht nachmachen.

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Wenn es um Werbeikonen geht, dann gibt es wohl kaum eine bekanntere Kunstfigur als die des Käpt’n Iglo. Wer erinnert sich nicht an die Werbespots aus seiner Kindheit, in denen der Kapitän mit dem Rauschebart und seiner Kinder-Crew durch die Welt segelt und 30-sekündige Abenteuer erlebt? 2018 wurde der Kapitän verjüngt: Der Rauschebart und die Uniform verschwanden. Aus dem zotteligen älteren Herrn wurde ein anschaulicher Mitte-50-jähriger Bonvivant, der – glaubt man der Stimme aus dem Off – „die einfachen Dinge liebt“. Verkörpert wird der „George Clooney des Kühlregals“ durch den Italiener Riccardo Acerbi. Beim Publikum kam das offenbar gut an.

Wäre es da nicht auch denkbar, den Kapitän eines Tages durch eine Kapitänin zu ersetzen? „Wir sind sehr stolz mit dem, was wir haben“, sagt Iglo-Deutschlandchefin Antje Schubert im Podcast mit WiWo-Chefredakteur Beat Balzli. Also bleibt Käpt’n Iglo ein Mann? „Vorerst ja“, antwortet Schubert.

In Großbritannien war das im vergangenen Jahr für ein paar Wochen anders. Da wurde bei der britischen Iglo-Schwestermarke Birds Eye aus „Captain Birdseye“ (wie der ansonsten identische Kapitän in Großbritannien heißt) „Captain Charlotte“, eine 24-jährige Frau.



Die Aktion kam beim britischen Publikum und in der britischen Presse überwiegend gut an. Doch wie nicht anders zu erwarten, rief der Wechsel in der Fischstäbchen-Kommandobrücke auch die Wutbürger des Landes auf den Plan. Da waren einige Internetnutzer überzeugt, die nächste Stufe im angeblichen Kulturkrieg gegen den weißen Mann ausgemacht zu haben. So schrieb etwa ein Twitter-Nutzer überdramatisch, Captain Birdseye sei „gefallen“: „Wann wird die Auslöschung des weißen Mann in allen Lebensbereichen stoppen?“

Eine Kolumnistin im rechtslastigen Revolverblatt „Daily Mail“ ging ebenfalls auf den angeblichen Skandal in den Tiefkühltruhen des Landes ein: „Ich wette eine Flasche Rum, dass (Charlotte) in ihrem Leben noch nie einen Fisch gefangen oder ausgeweidet hat.“ Als wäre es gegeben, dass die männlichen Käpt’n Iglo-Darsteller allesamt echte Kapitäne und professionelle Fisch-Ausweiser sind, und nicht – nur so ein verrückter Einfall – etwa Schauspieler. Sie fügte hinzu: „Was kommt als nächstes? KFCs Colonel Sandra?“

Die Leserkommentarspalten der Boulevardpresse liefen erwartungsgemäß für kurze Zeit regelrecht über vor wütenden Kommentaren. Ein Nutzer mahnte, dass „wir alle“ schon bald „dazu gezwungen werden, niederzuknien“. „Wieso zerstören wir nicht gleich alle unsere Traditionen und unsere gesamte Kultur?“, fügte er hinzu. Zur Erinnerung: Es ging um den Aufdruck auf Fischstäbchen-Verpackungen. Ein anderer Nutzer fragte rhetorisch: „Was kommt als nächstes – wird auch aus 007 eine Frau?“ Gefolgt von den üblichen Boykottaufrufen.

Dabei hätten sich die Empörten viel von ihrem Ärger ersparen können, wenn sie die Artikel zu dem Thema auch tatsächlich gelesen hätten, anstatt – wie heutzutage üblich – schon nach einem kurzen Blick auf die Überschrift in Rage zu verfallen. Denn tatsächlich war „Captain Charlotte“ nur eine zeitlich begrenzte Aktion, die zwischen Juli und September des vergangenen Jahres lief. Und die Kapitänin prangte auch nur auf rund 200.000 der jährlich 50 Millionen in Großbritannien verkauften Birdseye-Fischstäbchen-Verpackungen. Verkauft wurden diese auch nur in Filialen der Supermarktkette Iceland. Erstaunlich viel Shitstorm um relativ wenige Fischstäbchen.

Die Grundlage der Aktion war ein gemeinsames Gewinnspiel von Birds Eye und Iceland. Dabei wurden die Kunden um ihre besten Tipps für den Umgang mit Tiefkühlkost gebeten. Von den rund 500 Bewerberinnen und Bewerbern setzte sich die 24-jährige Pflegemutter Charlotte Carter-Dunn aus Gloucestershire durch. Im Gegenzug bot ihr Birdseye für kurze Zeit die Rolle des Kapitäns an.

Ein bewusstes Zeichen in der Genderdebatte habe Iglo mit der Aktion aber nicht setzen wollen. „Ganz ehrlich, ich fand das damals witzig“, sagt Alfred Jansen, Chef der Unternehmenskommunikation. „Im Sinne von: Wieso eigentlich nicht.“ Man habe zeigen wollen, dass es normal sei, dass der Kapitän auch eine Frau sein konnte. „Natürlich sollte das zeigen, dass wir für etwas stehen. Aber das, wofür wir stehen, ist etwas Normales.“

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Dass die Aktion „für Diskussionen sorgen würde“, habe man aber erwartet, räumt Jansen dann doch ein. „Der ‚Aha-Effekt‘ war natürlich auch kalkuliert. Aber der hatte ja auch positive Seiten.“ Dabei hat der Tiefkühlkost-Konzern in der Vergangenheit auch schon einmal ganz bewusst Grenzen verschoben: So war ein Iglo-Werbespot im Jahr 2001 in Deutschland der erste, in dem ein homosexuelles Pärchen zu sehen war. Auch die damalige Aktion stieß auf ein starkes und überwiegend positives Echo.

Mehr zum Thema: Iglo-Chefin Antje Schubert erklärt im Podcast Chefgespräch, warum sie nicht auf den Bio-Trend setzt, wie sie Wölfe zu Veganern machen will – und was Fischstäbchen-Legende Käpt’n Iglo mit Diversity zu tun hat.

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